"Es ist einfach Jazz, aber auf meine Art"

Von Andrea Kalbe · 08.09.2008
Sie trägt einen berühmten Musikernamen und gilt als eines der großen Talente des deutschen Jazz: Dotschy Reinhardt aus der Familie des legendären Jazz-Gitarristen Django Reinhardt. Dotschy Reinhardt hat sich von ihm inspirieren lassen und ihre eigene Version des Gipsy-Jazz geschaffen. Nun hat die 33-Jährige eine Familienbiografie vorgelegt.
"”Es ist Dotschy-Style. Es ist einfach Jazz, aber auf meine Art.""

"Ich kann mich mit jedem Land und jeder Musikrichtung identifizieren, die Elemente hat, die ich in mir trage, und das sind nicht wenige. Das spiegelt meine Musik denke ich wider oder hoffe ich zumindest. Und das ist auch das, was es vielleicht einzigartig macht, diese Mischung aus Gipsy, also meiner Herkunft, aber auch die Liebe zur brasilianischen Musik, zum Jazz, aber auch zum Pop und Singer-Songwritertum."

Dotschy Reinhardt nennt ihre Musik Gipsy-Jazz, genau wie ihr berühmter Verwandter Django Reinhardt. Den Jazz und die traditionelle Spielweise der Sinti kombiniert sie mit modernen Musikstilen. Und im Gegensatz zu Django Reinhardt singt sie zu ihren Kompositionen. Die Lieder der zierlichen Frau mit den langen braunen Haaren und den großen dunklen Augen handeln von der Sehnsucht nach Freiheit. Ihr Gesang ist Ausdruck ihrer Kultur – der Kultur der Sinti.

"Ich hatte eine perfekte Kindheit, weil mir meine Eltern eben auch diese schöne Zeit ermöglicht haben, im Wohnwagen. Als ich noch nicht zur Schule musste, waren wir von März, als der erste Sonnenstrahl rausgekommen ist, also da haben wir gepackt und sind mit unseren Wohnwagen mit mehreren Familien einfach durch Europa gezogen."

Zwar spürt sie als Kind auch Vorurteile, aber:

"Es war eine wundervolle Zeit. Also ich weiß wirklich, dass das Leben schön sein kann, und davon handeln auch sehr viele meiner Texte."

Die heute 31-Jährige ist in Ravensburg geboren und zur Schule gegangen. Die Mutter ist Hausfrau, der Vater Geigenhändler, der auf Reisen Instrumente kauft und verkauft. Die Liebe zur Musik entdeckt Dotschy Reinhardt früh. Schon als Fünfjährige steht sie auf der Bühne.

"Mein Großvater war Prediger, Wanderprediger, der dann auch gesungen hat in der Mission sozusagen. Das war so ein kleines Zelt. Mit diesem Zelt sind die Sinti von Stadt zu Stadt gezogen, um das Evangelium zu predigen. Und da gab es auch musikalische Untermalung. Bis mich dann mein Großvater mit auf die Bühne genommen hat, um im Gottesdienst eben ein Lied zu singen."

Später nimmt sie an Schlagerwettbewerben teil und tritt bei Horst Jankowskis Jazz-Abenden auf, zusammen mit Helmut Zacharias, Bill Ramsey und Caterina Valente. Sie singt Stücke von Cole Porter und ihrer Cousine Kitty Winter.

"Ich war sozusagen die Attraktion, weil ich so klein war und schon Jazz gesungen habe. Ich war damals – ja es war im selben Jahr wie der Schlagerwettbewerb – ich war elf und war dann immer wieder dort eingeladen, weil es so gut beim Publikum ankam. Und das hat Riesenspaß gemacht, und ich wusste richtig, dass ich Sängerin werden wollte."

Schon als Teenager nimmt sie deshalb Gesangs- und Gitarrenunterricht. Später tourt sie durch Clubs und singt auf internationalen Jazz-Festivals.

Ihre Lieder singt sie nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Romanes – der Sprache der Sinti und Roma.

"Diese Sprache ist ja auch so toll, weil man sich als Sintiza oder als Sinto weltweit damit verständigen kann, egal aus welchem Land man kommt."

Vor allem aber will Dotschy Reinhardt ihr Publikum neugierig machen, neugierig auf ihre Kultur.

"Also mein Traum wäre es, eine Art Lobby zu haben für Sinti. Wir haben ja leider keine. Und ich finde, wenn man in der Öffentlichkeit steht oder die Chance hat, sich an ein breites Publikum zu wenden, auch ein bisschen die Verpflichtung hat, die Missstände zu ändern, die einfach da sind."

Ihr großes musikalisches Vorbild: Django Reinhardt, der aus derselben Großfamilie stammt wie sie. Die genauen Verwandtschaftsverhältnisse kennt jedoch niemand.

"Die meisten Sinti haben keinen Stammbaum, weil das einfach nicht registriert wurde damals. Wir hatten keinen Wohnsitz, und deshalb kann man das nicht mehr so genau nachvollziehen. Deshalb haben wir Sinti alles in Großfamilien unterteilt."
Vor drei Jahren ist Dotschy Reinhardt von Süddeutschland nach Berlin gezogen – der Liebe wegen. Ihr Mann, der ebenfalls aus einer Sinti-Familie stammt und Sänger ist, hat hier ein festes Engagement bekommen. Sie selbst ist diesen Sommer ins Studio gegangen und hat ihre Debüt-CD aufgenommen: Sprinkled Eyes. Nun will sie richtig durchstarten, plant sogar eine internationale Karriere.

"Für mich wäre der perfekte Zustand, wenn ich gut gebucht wäre, also sprich, ich verschiedene gute Auftritte mit meinem Programm hätte, diese aber mit Wohnwagen bereisen könnte."