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Filmkritik
Das gleiche miese Schicksal

"Das Schicksal ist ein mieser Verräter" ist ein Roman über zwei krebskranke Jugendliche, die sich ineinander verlieben, obwohl sie fast immer unterschiedlicher Ansicht sind. Gemeinsam überwinden sie alle Hindernisse. Nun kommt die unkonventionelle Geschichte in die Kinos.

Von Jörg Albrecht | 12.06.2014
    Schauspielerin Shailene Woodley, aufgenommen am 30. März 2014 in London.
    Hauptdarstellerin Shailene Woodley spielt Hazel Grace. (picture alliance / dpa / Tal Cohen)
    "Ich glaube, wir haben auf dieser Welt die Wahl, wie wir traurige Geschichten erzählen wollen. Wir können sie schönreden. Doch es ist nicht die Wahrheit."
    Hier legt ein Autor seiner Protagonistin haargenau die Worte in den Mund, die ihm an ihrer Stelle in den Sinn gekommen wären. Man könnte darin einen Beweis von John Greens Liebe zu seiner Figur sehen. Nur wie steht es dann mit dem Anspruch an die Wahrhaftigkeit? Es sind wohlformulierte, leicht pathetische Gedanken, mit denen uns die 16-jährige Hazel direkt zu Beginn des Films ihre Welt erklärt.
    "Nichts ist so verkorkst, als dass man es nicht mit einem Peter-Gabriel-Song in Ordnung bringen könnte. Die Variante gefällt mir genauso gut wie jedem anderen Mädchen."
    Ob ein 16-jähriges Mädchen, das hier und heute lebt, sein Weltbild mithilfe der Songs von Peter Gabriel erklären würde? Zweifel sind angebracht. Aber es klingt zumindest reif, klug und tiefgründig. Und die Verfilmung von John Greens "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" will mindestens so reif, so klug und so tiefgründig sein wie die Vorlage. Deshalb gibt es auch so gut wie keine wesentlichen Abänderungen gegenüber dem Roman. Ein Roman, der anders sein will als die üblichen, kitschigen und tränenreichen Liebesgeschichten, in denen einer der Partner schwer krank ist und der Tod zum ständigen Begleiter wird.
    Die typische Teenie-Kranken-Liebesgeschichte, so Autor John Green, handle von einem jungen kranken Menschen und einem gesunden. Der Gesunde lernt dann von dem Kranken die wichtige Lektion, dankbar für jeden Tag zu sein. So etwas habe er nicht erzählen wollen. Er habe lange nach den passenden Figuren gesucht und sie letztlich mit Hazel und Gus gefunden: zwei Heranwachsende mit ganz unterschiedlichen Ansichten über das Leben, die aber durch ihre Liebe und die Liebe zu einem Buch zusammengebracht werden.
    Hazel und der ein Jahr ältere Gus sind sich in der Selbsthilfegruppe für Krebspatienten begegnet. Hazel leidet seit drei Jahren an Schilddrüsenkrebs und hat nur noch einen Lungenflügel, Gus musste aufgrund eines Knochentumors ein Bein amputiert werden.
    "Lass uns einen Film gucken! - Ende der Woche hätte ich Zeit. - Nein, ich meine jetzt. - Und wenn du ein Axtmörder bist? - Die Gefahr besteht natürlich immer. Na komm, Hazel Grace: Risiko!"
    Gegen Gus´ unwiderstehlichen Charme und seine Beharrlichkeit ist kein Kraut gewachsen. Ihre Krankheit macht Hazel und Gus zu Schicksalsgefährten, die sich von Tag zu Tag mehr zueinander hingezogen fühlen. Sie sind die geborenen Überlebenskünstler, die es gemeinsam schaffen werden, dass nicht allein die Krankheit ihren Alltag bestimmt. So wird eine nicht angezündete Zigarette zum Sinnbild für den täglichen Überlebenskampf.
    "Es ist eine Metapher. Du steckst dir das tödliche Ding zwar zwischen die Zähne, gibst ihm aber nicht die Macht dich zu töten. Eine Metapher."
    Metaphern wuchern hier wie Metastasen. Tragik und Komik, Sentimentalitäten und Sarkasmus reichen sich die Hände und sorgen dafür, dass die Liebesgeschichte bis zum Schluss unkonventionell bleibt und sich nur selten in Rührseligkeiten und Kitsch verliert.
    Es ist das Verdienst der beiden ungekünstelt agierenden Hauptdarsteller Shailene Woodley und Ansel Elgort, dass "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" nicht unter seiner Konstruktion zusammenbricht.
    "Du hast mir innerhalb meiner gezählten Tage eine Ewigkeit geschenkt. Und ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir für unsere kleine Unendlichkeit bin. - Das Leben ist schön, Hazel Grace, okay? - Okay!"
    Solche in Stein gemeißelten Botschaften sind natürlich reines Kalkül, damit die Protagonisten wie auch die Zuschauer einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt sind und am Ende Tränen fließen. Letztlich unterscheidet das John Greens Geschichte dann doch nicht von den ganzen anderen, die der Autor auf gar keinen Fall imitieren wollte. Ihrer Wirkung wird sich dennoch kaum jemand entziehen können. "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" ist nun mal eine bewegende Liebesgeschichte.