Erste Indoor-Anlage in Berlin

Surfen unterm Hallendach

05:20 Minuten
Eine Surferin springt auf einer künstlichen Surfwelle in der Indoor-Surfhalle Wellenwerk.
Konkurrenz für die Ostsee? Wellenreiten klappt jetzt auch in Berlin-Lichtenberg. © picture alliance / dpa / Carsten Koall
Von Sandra Voß · 28.06.2020
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Das ist die perfekte Welle - jetzt auch in der Halle. In Berlin-Lichtenberg haben sieben Surf-Fans ideale Bedingungen fürs Wellenreiten geschaffen. Vorbild ist der Eisbach in München. Sandra Voß hat sich mitreißen lassen.
"Alles klar, jetzt legen wir los", sagt Trainer Jens. "Du nimmst das Brett mit der vorderen Hand, klappst es rüber, aufs Wasser, genau. Jetzt nimmst du den rechten Fuß, packst ihn auf das blaue 'X', und den hinteren Fuß genau da hin."
Zitternd versuche ich, meinen Fuß auf das Surfboard zu stellen. Doch Schwups, hat die unerwartete Strömung mir das Brett schon unter den Füßen weggerissen. Anfängerpech.
Für meine erste Surfstunde bin ich nicht ans Meer gefahren. Sondern nach Berlin-Lichtenberg. Hier, im Wellenwerk, erfüllen sich sieben junge Surfen den Traum der perfekten Welle. Einer davon ist Julius Niehus. "Wir haben Ende November eine Indoorwelle eröffnet, eine künstliche Welle, wo man mitten in Berlin surfen kann", erzählt der begeisterte Surfer.
Dazu brauche es die Natur als Vorbild: "Viele Hörer kennen sicherlich den Eisbach, eine besondere Tourismus-Attraktion in München, wo man auf einem künstlichen Kanal surfen kann. So ist auch das Rapid-Surfen in Deutschland entstanden. Und die Citywave-Technik, die wir hier in Berlin verbaut haben, ist ein künstlicher Nachbau des Eisbaches."

Kampf gegen die Natur – oder gegen sich selbst

Genauer geht der smarte Jungunternehmer nicht auf die Technik ein. Denn das Rapid-Surfen, also das Surfen auf einer künstlichen Welle, ist ein neuer Trend. Zu groß ist die Angst vor der Konkurrenz. Die Berliner Jungs sind mit ihrem Konzept mit angeschlossener Bar, Restaurant und einer Welle, die sich bis auf 1,60 Meter erhöhen lässt, einzigartig in Deutschland.


Ich frage mich, ob das Surfen auf einer künstlichen Welle nicht dem Freiheitsgefühl der coolen Surfer entgegensteht? Wird der Sport so nicht beliebig, für jeden machbar?
Eine Antwort gibt mir Valeska Schneider. Die blonde Frau ist Deutschlands beste Rapid-Surferin: "Einerseits ist es, wenn du eine niedrige Frustrationsschwelle hast, in der Halle etwas entspannter. Ich mag den Mix, in der Natur kämpfst du gegen die Natur. du musst dich der Natur anpassen, und auf der Welle geht es mehr um dich und um deine Performance."
Gut. Dann will ich auch mal etwas "performen". Ich setze mich erneut an den Beckenrand. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Diesmal weiß ich, welche Kraft das unter mir rauschende Wasser hat. Und ich drücke die Füße fester aufs Brett.
"Und jetzt, ein bisschen mehr Gewicht auf das Brett bringen", sagt mein Trainer. "Du kannst dich jetzt schon richtig draufstellen. Richtig draufstellen, richtig draufstellen. Jetzt musst du, ganz ruhig, einmal durchatmen. Genau. Durchatmen. Langsame Bewegungen."

Aller Anfang ist schwer

Noch klammere ich mich panisch an Jens Arm fest. "Oh, ist das wacklig, tierisch wackelig", denke ich. "Aber mit der Zeit wird es ja immer ein bisschen besser. Guck mal, jetzt sieht es doch schon ganz gut aus", beruhigt mich der Trainer. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, lasse ich die Hand los. Ich kann es kaum glauben: Ich stehe auf dem Brett. Und fühle mich frei. Stolz. Cool. Zehn Sekunden! "Ja, guck mal einer an. Na, super!", lobt mich Jens.


In gemessener Zeit waren es fünf Sekunden, die ich mich auf dem Brett halte. Dann falle ich ins Wasser und werde von einer kräftigen Welle turbulent durchgeschüttelt. Wasserspuckend beschließe ich, mich kurz zu sortieren und erst mal einen Mitsurfer dieser Anfängersession zu interviewen.
Die Moderatorin Sandra Voß, im Neoprenanzug und mit nassen Haaren, in der Indoor-Surfhalle Wellenwerk.
Die Moderatorin Sandra Voß nach ihrem Selbstversuch.© Sandra Voss / Deutschlandradio
David ist schon im Meer gesurft. In der Halle ist er heute zum ersten Mal. Das Schwierigste sei, das Gleichgewicht zu halten, meint er: "Das Wasser hat schon eine unheimliche Kraft." Die Herausforderung sei, dahin zu fahren, wo man möchte.
Mir ist klar: Eines meiner Vorurteile bin ich los. Rapid-Surfen ist mehr als reiner Fun. Es braucht viel Übung und ein gutes Körpergefühl.

Die Welle in der Halle braucht Strom

Mein weiterer Kritikpunkt ist der Klimaaspekt. Zu dem genauen Stromverbrauch will sich Mitgründer Julius Niehus nicht äußern: "Was wir dazu sagen können, ist, dass wir hier 100 Prozent Ökostrom benutzen, aus einem Wasserkraftwerk an der Donau kommt der. Und wir haben eine bislang einmalige Wärmerückgewinnung hier installiert, um unser gesamtes Brauchwasser wie die Duschen oder auch den Geschirrspüler zu beheizen, und diese Wärme können wir auch noch abgeben an andere Abnehmer hier auf dem Gelände."
Tatsächlich ist es sehr warm in der Halle. Die konstante Temperatur von 28 Grad wirkt zuerst tropisch schwül. Doch wenn man, so wie ich, gerade triefnass und außer Atem aus dem Wasser steigt, ist es fast schon kühl. Ich frage den Surflehrer Jens, wieso ich von so wenig Surfen so erschöpft bin.
"An sich steht man die ganze Zeit in einer Kniebeuge", sagt er. "Es ist relativ laut um dich herum. Du versuchst, auf dem Brett zu bleiben. Es ist ein Sport für den ganzen Körper." Das merke ich tatsächlich beim Umziehen. Während ich aus dem Neopren steige, spüre ich einen stechenden Schmerz in der Schulter.
Mein Fazit meiner ersten Surfstunde ist: Es macht tierischen Spaß. Das Gefühl zu haben, auf diesem Brett zu stehen und irgendwie dieses Brett bewegen zu können, ist total großartig. Und ich komme auf jeden Fall wieder.
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