Eröffnung des Kunstfest Weimar

Ein Fest, das Fragen stellt

Kunstfest in Weimar
Konfetti regnet am 19.08.2016 während der Eröffnung des Kunstfestes Weimar. © picture alliance/dpa/Foto: Candy Welz
Von Henry Bernhard · 19.08.2016
Ein bedrohtes Kulturgut - das ist das Kunstfest Weimar. Und weil es derzeit darum geht, wie es weitergehen könnte, sucht das Fest nach Antworten. Die Frage "Wozu Kunst?" zieht sich durch das gesamte Festprogramm, erklärt Kunstfestleiter Christian Holtzhauer.
"Wozu Kunst?" fragt das Kunstfest Weimar provokant und beantwortet die Frage zur Eröffnung erst einmal mit Sachen, die Spaß machen: Musik mit dem Pulsar Trio aus Potsdam. Sitar, Piano, Schlagzeug und eine unheimliche Lust am Spiel. Jazz, Fusion, Ethno-Pop vor dem Deutschen Nationaltheater ist das ernsthaft genug für das Kunstfest Weimar? Christian Holtzhauer, Künstlerische Leiter des Kunstfests, findet: "Ja, Kunst und auch ein Anliegen, auch ein politisches, ein gesellschaftliches Anliegen und Spaß oder Unterhaltung schließen sich nicht aus." Das habe schon Bertolt Brecht vermerkt, als er den Zweck des Theaters beschrieben hat: "Dass Menschen sich gegenseitig was vormachen zum Zwecke der Unterhaltung."
Nun ist Brecht in Weimar nicht der klassische Zitate-Geber, aber Holtzhauers Ziel ist es ja gerade, neue Impulse nach Weimar zu bringen, in die Stadt, die sich gern auf ihrer Vergangenheit ausruht. Gern auch Moderneres als Brecht: "Wir versuchen, die geballte Geschichte, die wir hier vorfinden, mit geballter Gegenwart zu konfrontieren und sind uns sicher, dass das ordentlich Funken schlagen wird."

Gleichzeitig ernsthaft, aber auch verspielt

In der Weimarhalle ging es am Eröffnungsabend dann gleichzeitig ernsthaft, aber auch verspielt zu: Ein Programm mit dem Titel "Un/ Ruhe", dass die Junge Deutsche Philharmonie unter Sylvain Cambreling bei den Darmstädter Ferienkursen für neue Musik gemeinsam mit dem Tanzensemble Sasha Waltz & Guests einstudiert hatte. Höhepunkt nach Richard Wagners "Tristan"-Vorspiel war das Violinkonzert "Still" von Rebecca Saunders, aktuell erweitert um einen Satz, in dem die Geigerin Carolin Widmann auch zur Tänzerin wird, in dem die Musik einen Körper bekommt. "Wir versuchen herauszufinden, wie sich klassische Musik und zeitgenössischer Tanz im Konzertformat verbinden lassen", sagt Holtzhauser.
"Was passiert mit der Musik, wenn die Musikerkörper auf einmal sich zu bewegen beginnen und wie kann es gelingen, die Musik tatsächlich in den Raum zu bringen?" seien nur einige der Fragen.
Er spricht von einem Experiment und erinnert daran, dass es der Auftrag und der Anspruch des Kunstfestes sei, Neues auszuprobieren, Raum für Experimente zu bieten.
Die Frage "Wozu Kunst?" lässt Holtzhauer auch an das Werk des Schriftstellers Peter Weiss stellen, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 100. Male jährt. Die Fragen aber, die Weiss aufwarf, sind für ihn nach wie vor aktuell: "Welche Rolle kann Kunst im politischen Widerstand spielen? Welche Rolle muss sie heute spielen? Wogegen gilt es heute Widerstand zu leisten? Und wir eröffnen mit einer Inszenierung des bosnisch-kroatischen Regisseurs Oliver Frljic, ausgehend von der Lektüre der Ästhetik des Widerstands."


Frljic stelle genau diese Analogie her: "Was hat damals in den 30ern und 40ern, also in dem Zeitraum, den Peter Weiss beschreibt, dazu geführt, dass die Arbeiterklasse sich quasi ihren eigenen Schlächtern an den Hals gehängt hat, und was führt heute dazu, warum große Teile der Bevölkerung in verschiedenen europäischen Ländern ausgerechnet diejenigen wählen, die ihre Interessen am allerwenigsten vertreten?"
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Christian Holtzhauer, Leiter des Kunstfestes Weimar© picture alliance / dpa / Martin Schutt
Peter Weiss‘ Werk wird in Weimar in die verschiedensten Räume getragen werden, vom Steinbruch bis in ein Bankdirektoren-Zimmer. Viel Tanz wird es geben, auch öffentlich, mitten in der Stadt, wie das Kunstfest wie schon in den zwei Jahren zuvor unter Christian Holtzhauer überhaupt mehr in die Öffentlichkeit geht, die Kontroverse sucht UND die Verankerung in der Stadt, und nicht die elitäre Hochkultur, die nur ein spezialisiertes Festivalpublikum anzieht.

Unklarheit über die Zeit nach dem 100. Jubiläum

Eine afghanische Theatergruppe, die am Kunstfest teilnehmen sollte, wird nicht rechtzeitig in Weimar sein können, da sie bislang nicht nach Deutschland einreisen durfte. Mit institutionell abgesicherten Visaanträgen jedoch besteht in den nächsten Monaten Hoffnung für andere Theaterprojekte mit den Afghanen, betont Holtzhauer. "Wir werden nichtsdestotrotz daran arbeiten, dass der Kulturaustausch auch mit Menschen, die eben leider den falschen Pass haben oder aus dem falschen Land kommen, künftig einfacher möglich ist."
Wieviel Hoffnung für das Kunstfest besteht, ist noch offen. Die Stadt Weimar will nach der bereits zugesagten Finanzierung bis 2018 aussteigen. Dann wäre Weimar just im Jahr der 100. Jubiläen von Bauhaus und Weimarer Reichsverfassung ohne Kunstfest, das seit 1999, als Weimar Kulturstadt Europas war, frischen Wind in die geschichts- und mythenbeladenen Gemäuer gebracht hat. Zwar pries die Kulturdezernentin das Kunstfest in ihrer Eröffnungsrede, im Herbst aber stehen die 250.000 Euro, die die Stadt beiträgt, beim Stadtrat auf der Tagesordnung. Bis dahin werden intensive Gespräche
geführt. Es ist aber kein Geheimnis, dass sich so einige Stadträte mit Goethe, Schiller und Liszt gut bedient fühlen und auf die Moderne gern verzichten können.
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