Eröffnung am 18. Juni in Los Angeles

Thomas Manns Villa wird zur Begegnungsstätte

Blick vom Garten auf die Villa vonThomas Mann in Los Angeles. Das frühere Wohnhaus des in Lübeck geborenen Schriftstellers im Stadtteil Pacific Palisades ist heute zugewachsen.
Vor den Umbauten: die Villa von Thomas Mann im Jahr 2017 © picture alliance / dpa / Gregor Tholl
Von Kerstin Zilm · 12.06.2018
Zehn Jahre bewohnten die Manns eine Villa in Los Angeles. Vor gut zwei Jahren kaufte die Bundesregierung das Anwesen. Nun soll es eine Begegnungsstätte und ein Zentrum für transatlantische Kulturdiplomatie werden. Eröffnet wird am 18. Juni.
Das Haus mit der Adresse 1550 San Remo Drive, Pacific Palisades, Kalifornien, ist umgeben von Eukalyptus-Bäumen, Palmen und Oleander-Büschen. Die Namen der Straßen, die sich den Hügel hinauf winden, erinnern an Italien: Capri, Riviera, Amalfi.
Die Ruhe des Villenviertels wird unterbrochen vom Lärm einer Baustelle. In langen Schichten wird am Thomas-Mann-Haus gearbeitet. Die Eröffnung, zu der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anreisen wird, steht kurz bevor
"Das ist der Eingangsbereich, das ist die Haustür, wo sie auch gelegen hat ursprünglich, das war mal ein Zitronenhain."
Nikolai Blaumer, Programmdirektor des Thomas-Mann-Hauses, führt an den Handwerkern vorbei ins Haus. Das Gebäude wurde nach dem Kauf im November 2016 komplett entkernt. Das Einfamilienhaus wird in eine Begegnungsstätte verwandelt, in der sich Gäste in separaten Apartments mit Gemeinschaftsküche und Arbeitsräumen aufhalten können.
"Insgesamt hat man versucht, einen Kompromiss zu finden aus Respekt vor dem Original und andererseits den praktischen Anforderungen."

Ein Ort mit enormer Wirkung

Das Original hat Julius Ralph Davidson, ein aus Berlin stammender Architekt, nach Anforderungen der Manns gebaut. "Das Haus zu den sieben Palmen" nannte es der Schriftsteller. Er liebte den Blick auf Berge und die Bucht von Santa Monica. 1942 zog die Familie ein und lebte hier zehn Jahre, bis sie vor der Anti-Kommunisten-Hetze der McCarthy Ära schweren Herzens in die Schweiz flüchtete.
"Hier haben wir das Esszimmer, das wird auch Besprechungsraum sein. Da ist erkennbar, dass es charmant wird, aber Sie sehen, da ist noch Manches zu tun."
Vom Hämmern, Bohren und Sägen der Handwerker unterbrochen zeigt Programmdirektor Blaumer zwischen freigelegten Holzwänden, über staubige Treppen steigend, wo sich im Exil lebende Künstler und Wissenschaftler mit US-Kollegen getroffen haben und wo der Schreibtisch des weltberühmten Schriftstellers stand, an dem auch dessen Roman "Dr. Faustus" entstand.
"In der Tat ist der Ort hier einer, von dem eine enorme Wirkung ausgegangen ist. Wahrscheinlich die wichtigste Stimme im deutschen Exil. Und von diesem überschaubaren Haus hat er Millionen erreicht."
Essays, Reden und Vorträge schrieb Thomas Mann am San Remo Drive und auch seine Ansprachen an das deutsche Volk, vom deutschen Programm der BBC ins vom Nazi-Regime beherrschte Deutschland ausgestrahlt:
"Deutsche Hörer! Dem, der heute wieder zu euch spricht, war es vergönnt …"
Zunächst las ein Sprecher in London die in den USA verfassten Texte. Später sprach der Schriftsteller seine Mahnungen an die Landsleute in Los Angeles selber ein. Die wurden auf Schallplatte nach New York transportiert und von dort via Telefon nach London übertragen.

Neue Inspiration für die deutsch-amerikanischen Beziehungen

"Das Unaussprechliche, das in Russland, das mit den Polen und Juden geschehen ist und geschieht, wisst Ihr, wollt es aber lieber nicht wissen, aus berechtigtem Grauen vor dem ebenfalls Unaussprechlichen: dem ins Riesenhafte heranwachsenden Hass, der eines Tages, wenn Eure Volks- und Maschinenkraft erlahmt, über Euren Köpfen zusammen schlagen muss."
An die Geschichte der intellektuellen Auseinandersetzung soll das Haus jetzt wieder anknüpfen. Frank-Walter Steinmeier unterstützte als Bundesaußenminister den Kauf und sprach von einem "Weißen Haus des Exils", in dem um "Wege zu einer offenen Gesellschaft gerungen und ein gemeinsames transatlantisches Wertefundament" erarbeitet wurde. Das soll Inspiration für die zukünftig hier residierenden Künstler und Wissenschaftler sein, erklärt Programmdirektor Nikolai Blaumer, gerade jetzt, wo die Kluft zwischen Europa und den USA politisch immer größer wird.
"Diese Balance zu schaffen zwischen einerseits sehr grundlegenden Fragen kultureller, politischer, gesellschaftlicher Art und andererseits dessen, was im Moment relevant ist für die transatlantischen Beziehungen ist das, was wir hier versuchen."
Vor der kulturpolitischen Arbeit werden allerdings noch jede Menge letzte Handwerksarbeiten vollbracht. Wenn der Bundespräsident spricht, wird sich in manchen Räumen noch der letzte Baustaub legen.
Der erste Fellow, der vom frisch renovierten Thomas Mann Haus aus den transatlantischen Dialog anregen wird, ist der Schauspieler Burghart Klaußner. Wichtig, so Programmdirektor Blaumer, wird es sein, Gespräche auch mit Menschen zu führen, die unterschiedlicher Meinung sind und einander widersprechen.
Erstmal ist aber etwas ganz anderes noch viel wichtiger:
"Im Moment ist es natürlich schon akut, dass dieses Haus fertig wird, um als Residenzort zur Verfügung zu stehen."
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