Ernste Themen mit Humor

Von Christian Geuenich · 11.06.2008
Christof Wackernagel gehörte der RAF an, wurde verhaftet und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile lebt er in Mali und versucht dort, den Einheimischen deutsches Schwarzbrot schmackhaft zu machen. In dem Film "Der Weiße mit dem Schwarzbrot" erzählt Wackernagels Neffe, Jonas Grosch, die Geschichte eines Weltverbesserers.
"Ich bin ein Gernelacher, ja. Also das schon. Humor ist für mich wichtig, auch in den Filmen, die ich mache, weil ich bin der Meinung, man muss mehr lachen, obwohl man ernste Geschichten erzählt. Und bei 'Der Weiße mit dem Schwarzbrot' habe ich auch bewusst gesagt, ich muss das alles mit Humor erzählen, weil ich es soll ja Spaß machen, und lache demnach auch gerne."

Das erste, was an dem 1,90 Meter großen Nachwuchsregisseur mit kurzen, braunen Haaren und Brille auffällt, ist tatsächlich sein Lachen. Es ist das Lachen seines Onkels Christof Wackernagel, den er in seinem Dokumentarfilm "Der Weiße mit dem Schwarzbrot" porträtiert. Jetzt sitzt Jonas Grosch in Jeans und schwarzem T-Shirt auf der großen Kiesterrasse eines Kölner Cafes, trinkt einen Milchkaffee und erzählt begeistert von seinen Erlebnissen in Bamako, der Hauptstadt von Mali.

Dort lebt sein Onkel, der Schauspieler Christof Wackernagel, seit vier Jahren, arbeitet an Büchern, malt, gibt abends mit dem befreundeten Afrikaner Madou Coulibaly Straßenkonzerte und versucht mit Maliern, eine Vollkornbäckerei zu betreiben.

"Deswegen fand ich seinen Ansatz interessant, dass er gesagt, er macht das erst mal nur, weil er will gerne Vollkornbrot essen. Und dass er dann zu dem Gedanken kam, Vollkornbrot ist ja auch nicht schlecht für die, war der zweite Ansatz, und dann hat er ja festgestellt, wie man auch im Film sieht, so einfach geht das nicht."

Denn Wackernagel muss feststellen, dass die Malier an seinem nahrhaften Schwarzbrot nur wenig Interesse haben, schließlich explodiert auch noch der Ofen der Bäckerei. Trotzdem versucht Wackernagel - in Landestracht, mit Turban auf dem Kopf - weiter voller Euphorie, seine Ideale in dem westafrikanischen Land umzusetzen.

Filmausschnitt: "Mali, das zweitgrößte baumwollproduzierende Land Afrikas, warum ist Mali dann ein armes Land, wenn es die halbe Welt mit Baumwolle beliefert? Weil die Baumwolle, zu nix .. .weil die Preise für die Baumwolle gedrückt werden."

Der aufbrausende Weltverbesserer echauffiert sich lautstark über die dicken Autos der Botschafts- und Regierungsangehörigen und schimpft über den Kapitalismus und die Globalisierung.

"Es gibt schon immer mal Momente, wo ich denke hoioioi, jetzt geht’s aber rund hier, aber ich dann auch immer gedacht habe, ja so ist er halt, aber ich hab ihn auch jetzt nicht provoziert groß, sondern das ist er ja auch selber, der sich da in Rage redet."

Jonas Grosch lässt seinen Onkel, sich selbst inszenieren, auch wenn dieser über seine Zeit bei der RAF spricht. Der Schauspieler Christof Wackernagel bekam 1977 ein hochkarätiges Angebot aus Hollywood, entschied sich aber für die RAF und tauchte unter. Warum – das bleibt offen. Nach nur zwei Monaten wurde er in Amsterdam festgenommen. Obwohl er, das RAF-Mitglied Gert Schneider und drei Polizisten bei der Schießerei verletzt wurden und Schneider sogar noch eine Handgranate zündete, erzählt Wackernagel diese Geschichte lächelnd wie eine Anekdote.

"Für mich zeigt das, wie absurd das auch für ihn mittlerweile ist. Also wenn er plötzlich lachen muss, wenn er das erzählt mit Handgranate und diesen Geschichten, dann ist das kein Spott den Leuten gegenüber, oder was damals passiert ist und auch nicht diesen Polizisten gegenüber, sondern es ist meines Erachtens - und ich kenne ihn ja auch gut mittlerweile – einfach wie absurd diese Szene aus der heutigen Sicht für ihn ist."

Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung saß Wackernagel anschließend zehn Jahre im Gefängnis, schwor der RAF ab. Jonas Grosch zeigt einen Menschen, der die Welt verändern möchte – zuerst mit Gewalt, dann ohne - immer wieder scheitert und trotzdem weitermacht.

"Was ich auch mit dem Film ein bisschen zeige, dass jemand, der so eine Wahnsinnsenergie hat, heute noch mit 56 Jahren in Bamako nach zehn Jahren Knast, der muss damals auch eine wahnsinnige Energie und Wut gegenüber Ungerechtigkeiten gehabt haben, dass er da auch Sachen macht, die auf jeden Fall nicht gut sind und nicht richtig sind."

Dabei ist Jonas Grosch eigentlich Regisseur und Drehbuchautor für Spielfilm. Im Rahmen seines Studiums an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg musste er allerdings auch ein Seminar für Dokumentarfilm-Dramaturgie belegen, aus dem dieser Film hervorgegangen ist. Aber egal ob Dokumentar- oder Spielfilm: Jonas Grosch möchte ernste Themen mit Humor erzählen.

"Spontan fällt mir dazu am ehesten immer Woody Allen ein, weil der für mich immer was verbindet, was Ernsthaftes zu erzählen, aber auf ne ganz leichte Art und Weise und mit viel Humor und Witz, und da funktioniert das wunderbar, und das gucke ich wahnsinnig gerne an, und das ist so was, was einen motiviert, Filme zu machen."

Jonas Grosch wächst ist in Kassel auf, kommt durch seine Mutter, die Schauspielerin Sabine Wackernagel, schon früh mit der Theaterwelt in Berührung, schaut Proben und Inszenierungen an und ist begeistert von Geschichten, die auf der Bühne oder im Kino erzählt werden.

"Ich habe früh gesagt, ich will Filmregisseur werden, und dann habe ich aber gemerkt, mit 15, 16 kann ich das erst mal noch nicht machen, und so bin ich zum Drehbuchschreiben gekommen, weil da brauchst du einen Computer dazu und dann gibt es so noch Handbücher zum Drehbuchschreiben und dann kann man zumindest mal anfangen."

Schon mit 17 wird sein erstes Drehbuch verfilmt, ein Kurzfilm, bei dem seine Schwester, die Schauspielerin Katharina Wackernagel, Regie führt. Die beiden verstehen sich immer noch gut, wohnen seit fünf Jahren zusammen in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Familienbande sind eng, bei seinem Abschlussfilm, einem Spielfilm über die "Generation Praktikum" soll seine Schwester eine Hauptrolle spielen.

"Es ist schon eine sehr gute Freundschaft, eben durch dieses Zusammenwohnen, man trinkt dann immer Kaffee und quatscht über den vorherigen Tag, also es ist schon ne sehr gute Freundschaft, würde ich sagen, wo man manchmal eher mit der Schwester redet, als den Kumpel anzurufen."