Ernst Volland: "Die Kunst des Fake"

Immer einen Fake voraus

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Zu sehen ist das Cover des Buches "Die Kunst des Fake" von Ernst Volland.
Der Autor und Künstler Ernst Volland hat sich ganz der Aufklärung verschrieben. © Deutschlandradio / Westend Verlag
Von Bettina Baltschev · 22.05.2021
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Seit Donald Trump sind Fake News ein Dauerthema. Was dabei untergegangen ist: Ein kunstvoll eingesetzter Fake kann auch zum Nachdenken anregen, weil Selbstverständliches infrage gestellt wird. In einem neuen Buch tritt Ernst Volland den Beweis dafür an.
Schon das Cover dieses Buches ist ein echter Hingucker. Da prangt ein knallroter Teufel mit einer gelben Mistgabel in der Hand. Wenn man es nicht besser wüsste, hielte man es für eine fröhliche Kinderzeichnung. Doch gemalt hat diesen Teufel der Künstler Ernst Volland und ihn 2008 zusammen mit einem Brief an Kirchen und Glaubensgemeinschaften geschickt:
"Meine Tochter Lara hat ohne Auftrag den Teufel gezeichnet und fragt mich, ob er wirklich so aussieht. Ich bin alleinerziehende Mutter und mit dieser Frage etwas überfordert. Ich würde mich freuen, wenn Sie Lara einen Rat geben können."
Ein Dutzend Antworten gehen ein, darunter der Brief eines Kardinals aus Österreich, der ganz offensichtlich keinen Spaß versteht, wenn es um den Teufel geht:
"Liebe Frau Müller! Hat ihre Tochter Lara Ihnen gesagt, wie sie selber dazu kam, den Teufel zu malen? Beten Sie mit ihr? Ich bete für sie beide! Der Teufel sieht sicher nicht so aus. Aber es gibt ihn. Wenn wir an Jesus glauben, brauchen wir den Teufel nicht zu fürchten! Liebe Grüße."

Viele verblüffende Geschichten und ein echter Coup

Es ist nur eine von vielen verblüffenden Geschichten, die Volland in seinem Buch "Die Kunst des Fake" dokumentiert. Andere handeln von Werbepostern und Briefmarken, die er so geschickt verfremdet hat, dass Gerichte darüber entscheiden müssen, wie weit die Kunstfreiheit geht.
Auch erzählt Volland davon, wie er einmal versucht, einen Fettstuhl von Joseph Beuys zu kopieren oder wie er eines Tages eine fiktive Partei gründet, mit sich selbst als Spitzenkandidaten. Doch sein größter Coup ist wohl die Erfindung des Künstlers Blaise Vincent Anfang der 1980er-Jahre in Westberlin. Mit ihm und dessen fiktiver Stilrichtung "Frische Malerei" gelingt es Volland, die von sich eingenommene Kunstszene auf geniale Weise vorzuführen:
"Ich denke darüber nach, einen Maler zu finden, der nicht existiert, dessen Existenz jedoch augenscheinlich ist. Mir ist noch nicht klar, wie und in welcher Form der Gedanke konkret werden kann. Sicher ist, ich werde die Bilder selbst malen. Tatort könnte die Galerie am Chamisso-Platz sein, ein unverdächtiger Ausstellungsort."
So geschickt geht Volland vor, dass ein Werk seines erdachten Künstlers sogar in der Nationalgalerie landet. Blaise Vincent macht international Karriere, jedenfalls auf dem Papier: "Ich entwerfe ein Plakat einer Ausstellung in Tokio, die dort nie stattgefunden hat. Die Übersetzung des japanischen Textes heißt in etwa: frische Malerei, Galerie Null, Idiotenstraße."

Gegenwartskunst als reiner Markenartikel

Doch Volland belässt es nicht bei der Beschreibung eigener Fake-Aktionen, er taucht auch in die Geschichte ein, schreibt zum Beispiel über sowjetische Retuschierkunst und widmet sich ausführlich dem, wie er es nennt, "Attitüden-Künstler" Julian Schnabel, den er offensichtlich für den größten Fake der Kunstgeschichte hält. Die Gegenwartskunst ist Volland zufolge zum reinen Markenartikel verkommen:
"Das Regulativ war früher die Kunst, heute ist das Regulativ der Markt. Der Markt hat mit den Jahren geregelt, dass zeitgenössische Künstler teurer sind als historisch bedeutsame Künstler wie Rembrandt, Velázquez oder Goya. Deren Kapazitäten sind begrenzt, es finden sich kaum noch Werke auf dem freien Markt. Also brauchte der Markt neuen Stoff und den liefert ihm die zeitgenössische Kunst."
Dennoch will Volland den Glauben an die subversive und anarchistische Kraft der Kunst, die die Mächtigen herausfordert und gesellschaftliche Schieflagen aufzeigt, nicht aufgeben. Zwar liest sich sein Buch "Die Kunst des Fake" zu großen Teilen wie die Reise in eine andere, vordigitale Zeit, in der ein Kunst-Fake tatsächlich noch Aufsehen erregt hat. Doch es ist eine aufschlussreiche und unterhaltsame Reise mit einem Mann, der sich ganz der Aufklärung verschrieben hat. Die hat bis heute nicht an Relevanz verloren.

Ernst Volland: "Die Kunst des Fake"
Westend Verlag, Berlin 2021
248 Seiten, 32 Euro

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