Ernst Bloch und das "Noch-nicht'"

Von Michael Opitz · 08.07.2010
Philosophieprofessor Ernst Bloch machte die Hoffnung zu seinem Leitthema. Für den DDR-Marxismus der späten 50er war das allerdings zu viel Unruhe, Bloch wurde zwangsemeritiert. Noch im Alter von 76 Jahren wagte er den Neuanfang in der Bundesrepublik. "Das Prinzip Hoffnung" - so der Titel seines Hauptwerkes - steht so exemplarisch auch für das Leben des Philosophen.
Bereits als junger Philosoph interessiert er sich für das "Utopische" und das "Noch-nicht". Das "Mögliche", das, was noch nicht ist, wird zum Zentrum seines Denkens. Seine Aufmerksamkeit richtet sich auf die Vielzahl von Möglichkeiten, die in historischen Augenblicken aufgehoben sind, von denen sich aber nur eine durchsetzt. Die Frage, was aus den anderen, unrealisiert gebliebenen Möglichkeiten wird, lässt Bloch nicht los.

"Ich versuchte schon in meinem ersten Buch, das 'Geist der Utopie' heißt, diese Kategorie des Utopischen nicht aufzubessern, sondern zu substantiieren."

Bloch, der sich gegen den heraufkommenden Nationalsozialismus wendet, orientiert sich politisch links. Als der Faschismus 1933 dennoch Realität wird, ist er als Jude gezwungen, Deutschland zu verlassen. Er emigriert zunächst in die Schweiz. Vier Jahre später geht er in die USA und beginnt dort mit der Arbeit an seinem Hauptwerk "Das Prinzip Hoffnung". Doch für das Buch, das ursprünglich "Träume vom besseren Leben" heißen sollte, findet sich in den USA kein Verleger. Obwohl sich nach dem Krieg die Möglichkeit bietet, es in Deutschland zu veröffentlichen, zögert Bloch zunächst, ob er in das Land zurückkehren soll, aus dem er vertrieben wurde. Schließlich nimmt er 1948, im Alter von 64 Jahren, den Ruf der Leipziger Universität an, die ihm den Lehrstuhl für Philosophie angeboten hatte.

Für eine kurze Zeit ist seine Karriere "atemberaubend". Doch Mitte der 50er-Jahre fällt Bloch in der DDR in Ungnade. Zwar kann sein dreibändiges Hauptwerk "Das Prinzip Hoffnung" noch in dem Land erscheinen, in das er Erwartungen gesetzt hatte, doch die parteipolitischen Gralshüter der sozialistischen Lehre unterstellen seiner undogmatischen Marxismusauffassung Revisionismus. Blochs Hoffnungs-Idee scheitert in der DDR an der politischen Realität.

Bloch: "Hoffnung ist nicht Zuversicht. Wenn sie nicht enttäuschbar wäre, dann wäre sie keine Hoffnung; das gehört zu ihr. Denn dann würde sie ausgepinselt sein und würde sich herunterhandeln lassen und würde dann kapitulieren, sagen: Das ist das, was ich erhofft habe. Also, Hoffnung ist kritisch, Hoffnung ist enttäuschbar, Hoffnung aber nagelt doch immerhin eine Flagge an den Mast."