Erling Kagge: "Große Kunst für kleines Geld"

Reisebericht aus der Kunstwelt

05:28 Minuten
Bild zeigt das Cover von Erling Kagges "Große Kunst für kleines Geld", im Hintergrund eine Illustration.
Vom Einsteiger zum erfolgreichen Sammler: Erling Kagge gibt Tipps. © Suhrkamp/Insel / Deutschlandradio
Von Eva Hepper · 27.09.2019
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„Das Leben ist ein langer Fußmarsch“, sagt Erling Kagge. Seit Jahren marschiert der Sammler durch die Welt der Kunst – mit scharfem Blick und gutem Riecher für Talente. Nun gibt er Einblick in die Geheimnisse seines Erfolgs.
Der Titel des Buches führt in die Irre. Zwar geht es in Erling Kagges Ratgeber um große Kunst. Immerhin hat der norwegische Autor, Verleger und Expeditionsreisende über knapp drei Jahrzehnte hinweg eine exquisite Sammlung zeitgenössischer Positionen aufgebaut.
Viele Künstler, die Rang und Namen haben, sind darin vertreten: von Richard Prince über Wolfgang Tillmans, Raymond Pettibon und Franz West bis hin zu Klara Lidén, John Bock und Ólafur Elíasson. Aber, wie allein diese Aufzählung zeigt, um kleines Geld geht es nicht.

Durch Kaufen lernen

"Große Kunst für kleines Geld" liest sich vielmehr wie der Reisebericht eines Gutbetuchten mit besonderer Leidenschaft. Das passt zu dem 1963 in Oslo geborenen Abenteurer, der in den 1990er-Jahren zum Nord- und Südpol pilgerte und den Mount Everest bestieg und der mit seinen Büchern über Stille und das Gehen bekannt geworden ist.
Ähnlich, wie er darin über seine Expeditionen schrieb, berichtet der 56-Jährige nun über seine Erlebnisse auf den mitunter waghalsig anmutenden Pfaden der Kunstwelt.
Sein Ratgeber ist in 25 Kapitel unterteilt, in denen er jeweils einen speziellen Tipp mittels Anekdoten illustriert. Dazu zählen etwa die Aufforderungen informiert, neugierig und ständig auf Achse zu sein, sowie die Empfehlung, auf Experten ebenso zu hören wie auf das eigene Bauchgefühl.
Alle Sinne zu schulen sei wichtig, denn um gute Werke zu entdecken, brauche es den richtigen Riecher, gute Augen und gute Ohren. Und man solle sich ruhig trauen zu kaufen, was nicht auf Anhieb gefällt: "Lerne, indem Du kaufst." Ein origineller Tipp!

Nützliche Insidertipps

Anschaulich und abenteuerlich wird es immer dann, wenn der Autor von seinen Shopping-Streifzügen berichtet. So kaufte Kagge sein erstes Werk von Richard Prince für 50.000 Dollar – kleines Geld! –, um es vier Jahre später für fünf Millionen wieder abzugeben. Von solchen Geschichten lebt der Kunstbetrieb, und der Norweger beschreibt ihn kenntnisreich und lustvoll in allen Facetten.

So schreibt er über Messen wie die Art Basel, über Schwergewichts-Galeristen wie Larry Gagosian oder David Zwirner, über gehypte Künstler und Künstlerinnen, über Auktionshäuser, knallharte Verhandlungen und seine eigenen Trophäen; mittlerweile sind es an die 500 Werke. Einige davon sind hier abgebildet, so wie sie im Haus des Sammlers platziert sind.

Selbst wer sich in der Kunstwelt auskennt, dürfte von diesen Insidertipps profitieren, zeigen sie doch, nach welchen Gesetzen der Markt funktioniert, wie man die richtigen Kontakte knüpft und wer wo den Ton angibt.

Kein Buch für alle

Dennoch hinterlässt dieses Buch gemischte Gefühle. Das liegt an Erling Kagges mitunter kumpelhaftem Macho-Ton – als "kostbarste Ware" an einem Gagosian-Abend beschreibt er die vielen schönen Frauen –, und an seiner unkritischen Haltung zu durchaus kritisch zu sehenden Verkaufspraktiken und Preistreibereien. Den passionierten Sammler mit limitierten Geldmitteln hat der Autor nicht im Blick.
Diesem bleibt die elitäre, hermetische Welt der Gegenwartskunst weiterhin verschlossen.

Erling Kagge: "Große Kunst für kleines Geld"
Übersetzt aus dem Englischen von Moritz Müller-Schwefe
Insel Verlag, Berlin 2019
200 Seiten, 20 Euro

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