Erdmöbel auf Weihnachtstournee

"Wir werden wie tot unter die Tanne rutschen"

Markus Berges (links) und Ekkehard Maas bei einem Konzert ihrer Band Erdmöbel im Lido in Berlin.
Markus Berges (links) und Ekkehard Maas bei einem Konzert ihrer Band Erdmöbel im Lido in Berlin. © Eventpress Hoensch
Ekki Maas und Wolfgang Proppe im Gespräch mit Martin Böttcher · 20.12.2018
Erdmöbel bringt seit Jahren einen Weihnachtssong heraus – diesmal heißt er "Sie nannten ihn Putte". Die Musiker Ekki Maas und Wolfgang Poppe erzählen, wer von ihnen Weihnachten hasst und wieso Flucht trotzdem zwecklos ist.
Martin Böttcher: Erdmöbel, eine Band, die seit einem Vierteljahrhundert für Popmusik mit deutschen Texten sorgt, die, so pathetisch das klingen mag, das Herz wärmt. Ist wirklich so: einfühlsam, intelligent, melancholisch und eigentlich immer auf der richtigen Seite der Grenze, die gefühlvoll von kitschig trennt. Ideale Musik für Weihnachten, könnte man sagen, was Erdmöbel selbst auch bemerkten: Seit Jahren kommt um diese Zeit ein neuer Weihnachtssong der Band heraus. Dieses Jahr "Sie nannten ihn Putte". Heute Abend spielen Erdmöbel in Berlin, vorher schauten zwei der vier bei uns im Studio vorbei: Ekki Maas und Wolfgang Proppe.
Meine erste Frage: Eigentlich wolltet ihr ja bei uns auch singen, aber Markus Berges, euer Sänger, kann nicht – die Stimme macht nicht mehr mit. Ist die Erdmöbel-Weihnachtstour gefährdet?
Ekki Maas: Nein, nein, der hat das letzte Konzert krächzend hinter sich gebracht und ist besonders gut angekommen, und wir fanden es sehr lustig. Ich weiß nicht, wie er es selber fand, aber er wurde hinterher von dreieinhalb Logopädinnen bemuttert. Das hat ihm gut gefallen. Ich glaube, er wird das noch ein bisschen länger durchziehen mit dem Gekrächze.
Wolfgang Proppe: Und er sitzt jetzt im ICE, fährt nach Berlin und pflegt seine Stimme. Das wird ja wohl klappen heute Abend.
Böttcher: Sodass heute Abend da alles gut über die Bühne gehen kann. Wie ist das eigentlich bei Erdmöbel, wenn der Sänger nicht da ist, wenn Markus nicht singt, dann kann das eigentlich nicht stattfinden, weil keiner von euch da einspringt. Der hat so eine prägnante Stimme, das geht nicht.
Maas: Das geht nicht. Nein, also irgendwelche Verwandten von uns haben auch schon gefragt, kann denn nicht einer von euch singen und so. Das geht natürlich überhaupt nicht. Auf keinen Fall, weil er verkörpert das total, weil er schreibt ja auch die Texte und die Musik. Das ist er.
Böttcher: Ist einer von euch denn ersetzbar von den restlichen dreien?
Proppe: Eigentlich auch nicht.
Maas: Nein, das ist ein bisschen wie bei den Beatles, würde ich sagen. Wenn einer weg ist, dann gibt es Erdmöbel nicht mehr.

Böttcher: Weihnachten lässt ja eigentlich niemanden kalt. Die einen lieben, die anderen hassen es. Erdmöbel scheinen Weihnachten zu lieben, zum einen eben regelmäßig diese Weihnachtssongs von euch, zum anderen geht ihr immer auf die Tour. Was ist für euch das Besondere an dieser Zeit?
Maas: Nein, das ist ja überhaupt nicht wahr. Also ich hasse Weihnachten wirklich mit jeder Faser meines Herzens, ist auch immer noch so, aber ich habe festgestellt, dadurch, dass wir diese Tournee vorher machen und wir uns eben dieser Message verschrieben haben, nehmt das bitte alle nicht so ernst, geht mir das ein bisschen besser dabei, aber trotzdem habe ich auch dieses Jahr wieder Angst vor Weihnachten, weil das so furchtbar ist.
Böttcher: Sagt Ekki Maas. Wie ist es bei Ihnen, Wolfgang Proppe?
Proppe: Genauso. Also wir wollten Weihnachten was Leichtes dazugeben, was Augenzwinkerndes, und seitdem macht es Spaß. Die Leute kommen auf unsere Weihnachtskonzerte und sagen, so, jetzt kann es Weihnachten werden.
Maas: Unser erstes Lied hieß "Weihnachten ist mir doch egal". Das sagt eigentlich alles.
Böttcher: Das sagt eigentlich alles, genau. Ich zitiere das noch mal aus Ihrer bandeigenen Werbung: "Die Konzerte der bisherigen Weihnachtstourneen von Erdmöbel wurden in den letzten Jahren zu Leuchttürmen in der düsteren Adventszeit."
Maas: Sehr schön!
Böttcher: "Jetzt kann Weihnachten kommen, war der meistgehörte erleichterte Seufzer der Konzertbesucher." Dieser letzte Satz – Sie haben ihn auch gerade schon mal gesagt, aber der ist vermutlich leicht übertrieben, aber Reklame darf das ja. Aber Erdmöbel scheinen dem Publikum etwas zu geben, das diese zwiespältige Zeit erträglich macht, aber wie kriegen Sie das hin?
Maas: Ja, indem wir uns selber auf die Bühne stellen und selber nicht so ernst nehmen, damit, dass wir natürlich, wie jeder, das Bedürfnis haben, Weihnachten auch irgendwie zu begehen mit Singen und sich freuen und was weiß ich irgendwie. Diese ganzen kindlichen Sachen machen wir tatsächlich da auf der Bühne, und das ist, glaube ich, für die Leute toll, dass sie da jedes Jahr hinkommen können und das wieder mit uns zusammen machen können, dass sie eben Weihnachten von dem Sockel holen und sagen, ja, das ist doch eigentlich nur ein ganz einfaches schönes Gefühl, was wir haben wollen, wo wir uns so nach sehnen.
Böttcher: Ein schönes Gefühl, aber ein schönes Gefühl, das ist ja eigentlich die Grundidee auch von Weihnachten, oder?
Maas: Ja, das ist eigentlich die Grundidee, und das geht ja immer so schief, weil alle wer weiß was erwarten. Das soll ja noch viel schöner sein als es sowieso vielleicht eventuell sein kann, wenn alles in Ordnung ist, aber es ist ja nie alles in Ordnung.
Böttcher: Aber stellt sich trotzdem auf den Konzerten mal so ein Moment der Besinnlichkeit irgendwann ein?
Maas: Ja, durchaus. Wir haben ja eigentlich eher so einen ernsthaften Anstrich. Also wir haben durchaus komplizierte Inhalte in unseren Songs, und das heißt also, dieser Frohsinn, der da aufkommt, der kann natürlich nur kommen, weil eben auch die Schattenseiten auch vorkommen, auch in den Liedern tatsächlich. Eigentlich handeln alle Lieder davon, dass Weihnachten irgendwie schiefgeht.
Erdmöbel
Erdmöbel© Matthias Sandmann

Böttcher: Ich habe so ein Lied von Ihnen im Kopf, "Weihnachten in Tamariu". Was ich immer deshalb so damit verbinde, meine Eltern haben da mal ein Apartment gehabt, und wir sind da 20 Jahre hingefahren, und ich wusste nicht, dass irgendjemand anderes diesen Ort kennt. Ich muss noch mal kurz nachfragen, woher kennen Sie Tamariu?
Proppe: Also Markus war da, oder?
Maas: Das war ein Versuch von Markus, Weihnachten zu fliehen, und er ist mit seiner Frau nach Tamariu geflogen, hat dort 14 Tage Weihnachten und Silvester gefeiert, und es ist voll in die Hose gegangen. Es war nicht schön.
Böttcher: Da ist ja nichts los.
Proppe: Tote Hose.
Maas: Da sind ja keine Touristen mehr da, und das ist wirklich traurig. Dann hat man eben dieses regnerische Mittelmeerwetter, was im Winter da so … Also fürchterlich, das muss wirklich sehr grau und grauenvoll gewesen sein.
Böttcher: Ja. Ein Restaurant hat er, glaube ich … So ein ehemaliges Fischerdorf an der Costa Brava. Da möchte man nicht begraben sein. Jedenfalls nicht im Winter.
Proppe: Schon gar nicht Weihnachten.
Böttcher: Wenn Sie dann die Weihnachtstour hinter sich haben, wie begehen Sie dann Weihnachten? Mit der Familie?
Maas: Ja, also jeder von uns hat irgend so ein klassisches Ding da am Laufen. Also keiner flüchtet. Es geht ja auch ganz offensichtlich nicht so richtig gut zu flüchten. Man muss ja wirklich da, wo man hinfährt, wirklich toll sein und völlig davon ablenken, dass man ja eigentlich einen Ersatz macht. Das heißt also, wir machen das alle und versuchen das hinzukriegen. Wir haben ja auch zum größten Teil Kinder, und mit denen muss natürlich ein ordentliches Weihnachten gefeiert werden. Das ist ganz klar. Meine Tochter freut sich total auf Weihnachten, und wegen der Geschenke auch und so, und ich muss das akzeptieren, auch wenn ich selber da dann doch immer ein bisschen wie Falschgeld dabeisitze.
Proppe: Ja, und was uns als Band angeht, wir haben ja jetzt noch drei Konzerte, heute Berlin, morgen Hamburg, übermorgen München. Wir werden wie tot unter die Tanne rutschen. Da gibt es nix mehr!
Maas: Das ist ganz gut. Das ist ein guter Effekt!
Die Herren von Erdmöbel und ihre Instrumente werden von Pfeilen in der Art von Bedienungsanleitungen "erklärt"
© Erdmöbel / Matthias Sandmann

Böttcher: Ich habe mir ja bei der Vorbereitung für dieses Interview überlegt, dass ein Bandleben ja auch manchmal ist wie so Weihnachten. Man kommt immer wieder zusammen, weil man muss und versucht dann da vielleicht auch so eine Stimmung innerhalb der Band zu erzeugen, und manchmal rasselt man wahrscheinlich auch aneinander, oder ist das bei Erdmöbel anders?
Maas: Wir sind Westfalen, und vor allen Dingen sind wir Freunde. Das heißt, dass ganz anders als bei den Rolling Stones, die sich ja eigentlich gar nicht so gerne mögen, wenn der eine eine Autobiografie schreibt, dann kommt der andere nicht vor – also so wäre das bei uns nicht. Also wir sind Freunde, wir sind richtig miteinander befreundet. Also wir gönnen uns gegenseitig auch mal, dass wir gut drauf sind, und das ist eigentlich nicht beschwerlich, das ist schön.
Böttcher: Apropos Rolling Stones, das heißt, Sie machen noch mal 25 Jahre weiter zusammen?
Proppe: Auf jeden Fall!
Maas: Die Rolling Stones haben ja deutlich früher angefangen. Also wir waren ja schon alt, als wir anfingen, und jetzt, oh Mann.
Böttcher: Erdmöbel, heute Abend also in Berlin im FRANNZ, morgen im Knust in Hamburg, und am Samstag im Miller in München. Schön, dass ihr vorbeigekommen seid, und auch wenn es leider keinen Livesong gibt, aber wir haben euch ja noch vom Band!
Proppe: Ganz herzlichen Dank!
Maas: Wolfgang, kannst du nicht noch ein bisschen Klavier spielen? Komm, spiel noch mal eben Klavier!
Proppe: Wenn du das mal eben ...
Maas: Ja, ja. Wir reden dann derweil noch ein bisschen. Wolfgang hat sich jetzt ans Klavier gesetzt. Wenn er eins kann, dann ist das weihnachtliche Stimmung erzeugen mit abfallenden Tonleitern.
Böttcher: Ist nicht abgesprochen. Spontan.
Maas: Wird einem warm ums Herz.

Böttcher: Ein bisschen. Ehrlich gesagt, ein bisschen nur! Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Kölner Band Erdmöbel bei einem Konzert in Jena im Jahr 2014 - im Bild: Sänger Markus Berges.
Die Kölner Band Erdmöbel bei einem Konzert in Jena im Jahr 2014 - im Bild: Sänger Markus Berges.© imago/VIADATA
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