Eppler: Russische Anerkennung Südossetiens und Abchasiens ist verständlich

Erhard Eppler im Gespräch mit Leonie March · 28.08.2008
Der SPD-Politiker Erhard Eppler hat sich für eine Fortsetzung des Dialogs mit Russland ausgesprochen. Eppler zeigte Verständnis für die russische Politik einer Anerkennung Südossetiens und Abchasiens als unabhängige Staaten. Moskau habe hier Fakten geschaffen genauso wie der Westen bei der Anerkennung des Kosovo, sagte der SPD-Vordenker.
Leonie March: Noch vor ein paar Wochen betonte Außenminister Steinmeier, Russlands neuer Präsident Medwedew suche, so wörtlich, aufrichtig eine engere Kooperation mit dem Westen. Danach sieht es jetzt wahrlich nicht mehr aus. Mit der Anerkennung Südossetiens und Abchasiens hat Moskau die internationalen Warnungen ignoriert. Eine Zusammenarbeit mit der NATO hält der Kreml für verzichtbar. Die politische Führung lässt die Muskeln spielen, denn sie weiß, dass der Westen viele Probleme ohne Russland nicht lösen kann. Über die Ursachen der Entwicklung und die Konsequenzen spreche ich jetzt mit dem SPD-Politiker Erhard Eppler, u.a. war er außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag und Wortführer der Friedensbewegung in den 80er-Jahren. Guten Morgen, Herr Eppler!

Erhard Eppler: Morgen, Frau March!

March: Welche Motive stecken Ihrer Meinung nach hinter dem Konfrontationskurs Russlands?

Eppler: Ich glaube, viel rätselhafter ist für mich, welche Motive eigentlich den Herrn Saakaschwili bewogen haben, mit 8000 Soldaten eine Stadt in Südossetien zu überfallen und dabei gleich 20 russische Soldaten zu töten. Wer so etwas macht, muss sich auf Reaktionen, härteste Reaktionen gefasst machen. Und ich bin ganz sicher, wenn den Amerikanern etwas Ähnliches passiert wäre, hatten sie genauso hart reagiert.

March: Sie finden die Reaktion Russlands angemessen?

Eppler: Ich finde sie überzogen. Ich finde die überzogen, vor allem finde ich die Bombardierungen in Georgien überzogen. Ich finde auch den Vorstoß tief ins georgische Gebiet überzogen. Aber ich kann nur sagen, wenn die Vereinigten Staaten so behandelt worden wären, wenn das etwa in Mittelamerika passiert wäre, wo Amerikaner stationiert sind, und wenn da plötzlich 20 Amerikaner tot gewesen wären, weil da irgendein Verrückter Krieg gespielt hat, dann wäre das kein Haar anders verlaufen.

March: Medwedew verweist ja immer wieder auf die Anerkennung des Kosovo durch die USA und die EU. Welche Verantwortung trägt denn der Westen für die gegenwärtige Situation?

Eppler: Sehen Sie, hier gibt es Schwierigkeiten im Völkerrecht. Das Völkerrecht, wie wir es jetzt haben, ist ein reines Staatenrecht. Da geht es darum, welches Recht hat ein souveräner Staat. Und deshalb benützt jetzt der Westen in Sachen Abchasien und Südossetien genau dieselben Argumente, die die Russen in Sachen Kosovo gebraucht haben. Die Russen haben damals gesagt, der Kosovo ist völkerrechtlich ein Teil Serbiens, also darf er sich nicht unabhängig erklären und man darf das nicht billigen. Und genau dasselbe sagt jetzt der Westen bei diesen Teilen, bisher Teilen von Georgien. Er sagt, das ist ein Teil Georgiens, also darf er sich nicht unabhängig erklären. In Wirklichkeit geht es natürlich darum, was damals die Kosovaren gesagt haben, nie wieder werden wir unter serbischer Herrschaft leben. Und genau dasselbe sagen jetzt die Abchasier und die Südosseten, nie wieder werden wir unter georgischer Herrschaft leben. Und genau wie seinerzeit der Westen schließlich gar nicht anders konnte, er hat sehr lange gebraucht dazu, als zu sagen, nun gut, dann macht euren eigenen Laden auf. Genauso ist das jetzt in Georgien. Nur dass die Russen in dieser Überreaktion, von der ich gesprochen habe, dies jetzt sofort machen. Früher oder später hätten sie es wahrscheinlich sowieso machen müssen.

March: Die EU ringt jetzt um eine einheitliche Position. Deutschland und Frankreich betonen, eine Lösung könne es nur im Dialog mit Russland geben. Die osteuropäischen Staaten fordern eine härtere Gangart gegenüber Moskau. Welche Reaktion halten Sie für richtig?

Eppler: Ich glaube, dass die Reaktion von Steinmeier richtig ist. Sehen Sie, man muss immer wissen, hier ist ein ziemlich verrückter Mensch, ist mit 8000 Soldaten einer Großmacht auf der Nase herumgetrampelt.

March: Sie meinen Saakaschwili?

Eppler: Ich meine Saakaschwili. Und dass diese Großmacht dann draufschlägt, das ist das Normale in unserer Welt und ist nichts, was nun typisch russisch wäre. Und was man versuchen muss, ist die Russen wieder zu beruhigen und mit ihnen klarzumachen, was geht und was nicht geht. Jetzt wird ja schon über die Krim geredet und was weiß ich alles. Das wird den Russen einfach unterstellt, dass sie nun eine Art von neuem Imperialismus planen. Dafür gibt es bisher keine Beweise.

March: Bisher hat sich Russland aber ja unnachgiebig gezeigt und mit der Anerkennung von Südossetien und Abchasien auch Fakten geschaffen. Wie sieht denn vor diesem Hintergrund …

Eppler: Es hat die selben Fakten geschaffen, die der Westen im Kosovo geschaffen hat, und zwar stellen Sie sich bitte mal vor, wenn eine russische Regierung diese 70.000 Südosseten wieder unter georgische Herrschaft entlassen oder überlassen würde, da würde Russland sein völliges Gesicht verlieren, sein Gesicht total verlieren. Sie müssen sich vorstellen, dieses Zchinwali ist nur noch ein Trümmerhaufen. Das haben die georgischen Truppen im eigenen Land nach ihrer Vorstellung einfach zusammengeschossen. Und da sollen die dann schon wieder von den Russen denen übergeben werden, das würde auch keine deutsche Regierung machen.

March: Aber wie sind denn vor diesem Hintergrund die Erfolgaussichten für einen Dialog?

Eppler: Ich glaube, der Dialog müsste sich vor allem darauf richten, dass Georgien unabhängig bleibt, dass die russischen Truppen etwa von der Hafenstadt Poti sofort abgezogen werden. Es muss klar sein, Georgien ist ein unabhängiger Staat. Aber dieses Georgien hat schon seit langer Zeit seine Herrschaft über Südossetien und über Abchasien gar nicht ausüben können. Die sind de facto schon lange selbstständig.

March: Der SPD-Politiker Erhard Eppler war das im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Vielen Dank dafür!

Eppler: Bitte!