Epidemiologin über die E-Zigarette

"Eine gesunde Art zu rauchen, gibt es einfach nicht"

Mann beim Rauchen einer elektronischen Zigarette und beim Ausatmen von Dampf
Zug an der E-Zigarette: Forscherin Ute Mons ist beunruhigt, dass das "Dampfen" als gesunde Alternative dargestellt wird. © picture alliance / imageBROKER
Ute Mons im Gespräch mit Dieter Kassel · 06.09.2018
E-Zigaretten sind nicht gesund – höchstens vielleicht weniger schädlich als herkömmliche. Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum warnt zudem, man wisse bisher nur wenig über die Langzeitfolgen etwa der Aromastoffe auf Herzkreislaufsystem und Atemwege.
Dieter Kassel: So klang Zigarettenwerbung in den 80er-Jahren:
O-Ton: "So eine schöne Party – aber sieh nur, alle Zigaretten nur zur Hälfte aufgeraucht. – Die hat wohl dein Mann gekauft. Hier, nimm die! – Klasse, also Brigitte, deine Zigaretten. – Tja, auch Rauchen will gelernt sein."
Und so klingt Zigarettenwerbung heute:
O-Ton: "Rauche, wann immer du willst! Deine neue Zigarette, in acht exklusiven Geschmacksrichtungen. Fertig mit einem Klick!"
Der Unterschied zwischen diesen beiden Werbespots, der besteht nicht nur in der akustischen Anmutung, das erklären schon die ungefähr 35 Jahre, die dazwischen liegen. Der Unterschied liegt auch darin, dass im ersten Werbespot für herkömmliche Zigaretten aus Papier geworben wurde, und in dem, den wir gerade zum Schluss gehört haben, wurde für Dampfen, für die E-Zigarette geworben. Und wie man, glaube ich, deutlich gehört hat, es wurde so getan, als sei das viel besser, viel cooler und indirekt wird damit ja auch unterstellt, es sei viel gesünder.
Gerade ob das wirklich so ist, das wollen wir jetzt mit Ute Mons klären. Sie arbeitet beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, ist dort die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention, und im Moment ist sie auf dem Tabakkongress der Gesellschaft für Tabak- und Nikotinforschung in München, wo sie eine der vier Keynotes halten wird. Frau Mons, schönen guten Morgen!
Ute Mons: Guten Morgen!
Kassel: Ich finde, man merkt ja deutlich bei dieser Anmutung und auch schlicht dem Klang dieses aktuellen Werbespots, die Zielgruppe sind ziemlich junge Menschen. Beunruhigt Sie das, wenn man jetzt wieder versucht, irgendwie so zu tun, als gäbe es doch eine Form des Rauchens, die richtig cool ist?

"In Deutschland nur wenig Werbebeschränkungen"

Mons: Ja, natürlich beunruhigt uns das. Es ist ja leider so, dass es in Deutschland nur wenig Werbebeschränkungen gibt, sowohl für Zigaretten als auch für E-Zigaretten. Und da besteht dann natürlich die Gefahr, dass hier E-Zigaretten, die tatsächlich durchaus weniger schädlich sind als das herkömmliche Rauchen, eben als die gesunde Alternative dargestellt werden, als die gesunde Art zu Rauchen, und da muss man eben ganz klar sagen, eine gesunde Art zu rauchen, gibt es einfach nicht.
Das heißt, E-Zigaretten, da muss es dann eben auch entsprechende Werbebeschränkungen geben, damit eben auch Jugendliche mit diesen Produkten nicht anfangen. Aus unserer Sicht sind sie eben nur geeignet für Raucher, die mit dem Rauchen aufhören wollen.
Kassel: Jetzt haben aber trotzdem selbst Sie gerade gesagt, gesünder im direkten Vergleich als Papierzigaretten sind sie schon. Wo bestehen denn die Unterschiede, was die Gesundheitsschädlichkeit angeht?
Mons: Man muss dazu sagen, bei herkömmlichen Zigaretten ist es eben so, dass Unmengen an Schadstoffen entstehen eben bei der Verbrennung, das heißt, das sind wirklich Tausende Substanzen, die da entstehen, wenn der Tabak, die Zusatzstoffe, das Papier, wenn all das verbrannt wird. Und das sind eben auch Hunderte von Substanzen, die toxisch sind, also giftig, und auch viele Substanzen, um die hundert, die krebserzeugend sind.
Und bei elektronischen Zigaretten ist es eben so, dass erstens kein Tabak enthalten ist, und zweitens eben nur in Anführungszeichen eine Trägersubstanz, eine Flüssigkeit erhitzt wird. Das heißt, wenn diese Geräte richtig und sachgemäß betrieben werden, dann findet keine Verbrennung statt. Das heißt, bei diesen Produkten hat man wesentlich weniger Schadstoffe als eben bei herkömmlichen Zigaretten. Dadurch sind sie tatsächlich auch weniger schädlich, wobei wir noch sehr wenig wissen tatsächlich über die gesundheitlichen Langzeitfolgen.
Also, es sind trotzdem eben auch Substanzen enthalten, die gesundheitsschädigend sein können, das heißt, auf lange Sicht sind dann schon auch gesundheitliche Folgen zu erwarten. Das Krebsrisiko ist wahrscheinlich relativ gering, weil nur sehr wenige krebserzeugende Substanzen enthalten sind. Aber wir wissen noch nicht genau, was E-Zigaretten auf lange Sicht mit dem Herzkreislaufsystem und vor allem auch mit den Atemwegen machen.
Kassel: Nun haben Sie ja selbst schon erklärt, in einer normalen Papierzigarette steckt noch viel mehr drin als Nikotin und Teer, was man immer kennt und weiß. Aber wenn wir über elektronische Zigaretten reden, die gibt es ja in unglaublich vielen Geschmacksrichtungen, von Kaktusfeige über Apfelstrudel bis Eisbonbon. Da sind natürlich keine natürlichen Aromastoffe drin, das sind Chemikalien, die diese Geschmäcker erzeugen. Weiß man was darüber, was für Wirkungen die haben könnten?

"Substanzen, die als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen sind"

Mons: Das ist tatsächlich das große Problem auch bei E-Zigaretten und die große Unsicherheit, dass eben Unmengen von Aromastoffen auf dem Markt sind. Das sind alles Substanzen, die als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen sind. Das heißt, zum Essen sind sie als sicher eingestuft. Aber wir wissen eben nicht, was mit denen passiert, wenn man sie erhitzt und dann inhaliert. Und das ist natürlich auch ein großes Problem, bei so vielen Substanzen auf dem Markt ist es sehr schwierig, die alle zu untersuchen.
Das heißt, wir werden erst mit der Zeit dann auch feststellen, welche Aromastoffe möglicherweise weniger schädlich sind als andere. Und da muss dann auch der Gesetzgeber reagieren und die dann auch entsprechend verbieten. In der Vergangenheit ist das auch schon passiert. Es gibt einzelne Substanzen, die mittlerweile schon verboten sind als Aromastoffe.
Kassel: Nun habe ich aber manchmal das Gefühl, dass gerade diese verschiedenen Geschmäcker auch ein Grund sind, warum die E-Zigarette attraktiv ist für Menschen, die die normale Zigarette nicht attraktiv finden, weil es halt stinkt. Ich glaube, selbst Raucher kennen das ja immer schon, nach ein paar Tagen Pause schmeckt die erste nicht mehr. Mit diesen ganzen Geschmäckern schmeckt das natürlich besser, das heißt, besteht nicht die Gefahr, dass jemand, der anfängt, E-Zigaretten zu rauchen, dadurch erst irgendwann bei der richtigen Zigarette landet?
Mons: Ja, das ist natürlich eine Gefahr, da müssen wir auch ganz genau hinschauen, gerade eben auch bei Jugendlichen. Also auch Erwachsene finden die Aromen interessant, Jugendliche natürlich auch besonders. Deswegen hat der Gesetzgeber hier auch den richtigen Schritt getan und E-Zigaretten mit ins Jugendschutzgesetz aufzunehmen. Man kann hier auch überlegen, bestimmte Aromastoffe zu verbieten.
Zum Beispiel gibt es auch bereits ein Verbot von Aromastoffen, die irgendwie darauf hindeuten könnten, dass das gesund wäre oder zum Beispiel aufputschend oder Ähnliches. Hier muss man ganz genau hinschauen, was die Folgen sind, und dann muss der Gesetzgeber dann eben auch entsprechend reagieren.
Kassel: Gibt es eigentlich irgendwelche Erkenntnisse über das Phänomen Passivrauchen im Zusammenhang mit E-Zigaretten?

"Es hat dennoch nichts in Innenräumen zu suchen"

Mons: Da gibt es bislang nur sehr wenige Studien. Hier ist es auch so, dass man davon ausgehen kann, dass die Belastung geringer ist oder die Gesundheitsgefährdung geringer ist. Bei herkömmlichen Zigaretten haben wir ja auch das Phänomen, dass sozusagen das Passivrauchen aus zwei Quellen kommt. Zum einen das, was der Raucher inhaliert und dann wieder ausatmet, zum anderen aber eben auch der Rauch, der entsteht, wenn die Zigarette einfach nur so im Aschenbecher oder in der Hand ist und vor sich hin glimmt. Und das haben wir bei E-Zigaretten nicht. Die geben ja wirklich nur Dampf ab, wenn der Raucher oder der Dampfer daran zieht und das wieder ausatmet.
Das heißt, insgesamt haben wir da weniger Belastung von Schadstoffen, das heißt, es ist wahrscheinlich weniger schädlich, aber unserer Ansicht nach hat es dennoch nichts in Innenräumen zu suchen, weil eben auch potenziell gesundheitsgefährdende Substanzen damit in die Raumluft kommen. Und gerade auch für Menschen, die mit bestimmten Vorerkrankungen vorbelastet sind, kann das dann auch gesundheitlich nachteilige Folgen haben.
Kassel: Frau Mons, jetzt haben wir beide ziemlich viele Raucher mächtig auf die Folter gespannt. Nachdem sie ganz am Anfang am Rande erwähnt haben, es kann eine Alternative sein für Raucher. Heißt das, man kann mithilfe der E-Zigarette auf Dauer, wenn man vorher Papierzigaretten geraucht hat, einfacher komplett von dieser Sucht loskommen?

"Können für Raucher eine weniger schädliche Alternative sein"

Mons: Das größte Problem beim Rauchstopp ist, und das können sicherlich viele Raucher bestätigen, die es schon mal versucht haben, es gibt eigentlich nicht das eine Patentrezept. Wir wissen aus Studien, manche Maßnahmen wirken besser als andere, also zum Beispiel psychotherapeutische Unterstützung ist sehr wirksam. Wir wissen, dass Rauchstoppkurse sehr helfen, wir wissen, dass Nikotinersatzprodukte ein bisschen helfen können. Aber das sind eben alles keine Patentrezepte.
Und letztlich muss jeder Raucher für sich selbst ausprobieren, was denn für ihn oder sie am besten funktioniert. Aber wir wissen eben auch schon aus Studien, dass für einige Raucher E-Zigaretten sehr gut dabei helfen können, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie können eben für Raucher eine weniger schädliche Alternative sein, und viele schaffen es auch, damit aufzuhören.
Kassel: Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, über Gefahren und auch die in beschränktem Umfang und beschränktem Zusammenhang durchaus vorhandenen Vorteile der E-Zigarette. Frau Mons, herzlichen Dank für das Gespräch!
Mons: Sehr gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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