Entzauberung oder Beihilfe zur Anerkennung
Man traut seinen Augen kaum, aber es ist so: 20 Jahre nach der friedlichen Revolution gilt mit der Linken die Partei, die unter dem Namen SED für eine 40-jährige Gewaltherrschaft verantwortlich zeichnete, SPD und Grünen als Regierungspartner. Zunächst zwar lediglich auf Landesebene, aber was heißt das schon. Beeinflussen doch die Länder über den Bundesrat auch den Bund.
So ist es nicht überraschend, wenn nach dem größten SPD-Bundestagswahldebakel die Stimmen innerhalb der Sozialdemokratie immer lauter werden, die auch eine Koalition zur Bildung einer Bundesregierung mit den Erben der Diktatur nicht mehr ausschließen wollen. Beachtliche Teile der SPD, darunter auch führende Politiker, träumen von der linken Mehrheit. Gefährlich ist dieser Traum jedoch nicht nur für die SPD, sondern für unser gesamtes demokratisches Gemeinwesen.
Ein kurzer Blick zurück: 1994 entschied sich der damalige SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, für die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung durch die PDS. Durch die Einbindung der SED-Nachfolger wollte er zu deren "Entzauberung" beitragen.
Damit war das Stichwort für spätere Regierungskoalitionen in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gefallen, wo es danach erste Bündnisse zwischen SPD und der umbenannten SED gab. Die Entzauberungsstrategie ging jedoch nur zum Teil auf. Zwar verloren die Ultralinken in den Augen ihrer Wählerklientel durch Einbindung in die notwendige Sparpolitik in Berlin an Attraktivität und die Hälfte ihrer Wähler.
Doch führte diese Strategie zugleich zu einer Politik der Anerkennung, mit der Folge, dass die Linke zunehmend als normale demokratische Partei angesehen wird. Unter dem Strich konnten die Linken ihr Wählerpotenzial trotz kleinerer Rückschläge stetig ausbauen. In den neuen Flächenländern führte der Verlust durch Wählerwanderung von der SPD zur Linken zum Verlust des Status einer Volkspartei.
Inzwischen wetteifert die Linke mit der Union dort um Platz eins in der Wählergunst. Die mit der Entzauberungsstrategie transportierte Politik der Anerkennung wurde nicht zuletzt durch den Übertritt des einstigen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine begünstigt, der ab dem Jahr 2005 durch seine Popularität erheblich dazu beitrug, die Linken im Westen Deutschlands zu etablieren. Zuvor hatten sie dort keine Chance.
Eine demokratische Partei ist die Linke jedoch nicht. Führende Vertreter der Linken sehen in der DDR keinen Unrechtsstaat und leugnen den Schießbefehl. Tatsächlich steht die Partei geistig in der Tradition des Kommunismus.
Der Vordenker und Vollstrecker der sowjetischen Diktatur, Lenin, gilt ihr als Demokrat. Sie versteht sich als Opposition gegen das herrschende System. So stellte der Parteivorsitzende Lothar Bisky anlässlich eines Parteitages im Juni 2007 ausdrücklich die Systemfrage. Ziel der Linken ist die Überwindung des Kapitalismus, die Beseitigung des liberalen Verfassungsstaates inklusive.
Ihren Erfolg bezieht die Linke aus ihrer Fähigkeit, sozialen und politischen Protest zu bündeln und gegen die herrschenden Verhältnisse zu mobilisieren. Ihren Wählern verspricht sie ein soziales Paradies, die endgültige Erlösung von den Ungerechtigkeiten des Kapitalismus.
Bei der Verteilung sozialer Wohltaten in Konkurrenz mit den Linken eintreten zu wollen, kann für die SPD auf Dauer nur in massiver Schrumpfung enden. Finanzierbar sind die Versprechungen ohnehin nicht. Das weiß auch die Linke. Schließlich trug sie als SPD-Koalitionspartner in Berlin auch schmerzhafte Sparbeschlüsse mit.
Die geschichtliche Erfahrung zeigt: Offene Systeme wie das unsere sind nicht perfekt, aber korrekturfähig. Versuche, eine Politik der Erlösung umzusetzen, führen nicht in ein soziales Paradies, sondern direkt in die Hölle der Unfreiheit.
Hans-Joachim Föller, 1958 in Schlüchtern geboren, wuchs in Hessen auf, studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Dem Zeitungsvolontariat in Hessen folgte 1992 der Umzug nach Thüringen sowie dort eine mehrjährige Tätigkeit als Redakteur in verschiedenen Regionalzeitungen. Seit 1998 arbeitet Föller als freier Journalist unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", die "FAZ", den "Rheinischen Merkur", "Das Parlament", den "Tagesspiegel" und die "tageszeitung", wobei die Darstellung der Folgen der SED-Diktatur einen Schwerpunkt bildet.
Ein kurzer Blick zurück: 1994 entschied sich der damalige SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, für die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung durch die PDS. Durch die Einbindung der SED-Nachfolger wollte er zu deren "Entzauberung" beitragen.
Damit war das Stichwort für spätere Regierungskoalitionen in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gefallen, wo es danach erste Bündnisse zwischen SPD und der umbenannten SED gab. Die Entzauberungsstrategie ging jedoch nur zum Teil auf. Zwar verloren die Ultralinken in den Augen ihrer Wählerklientel durch Einbindung in die notwendige Sparpolitik in Berlin an Attraktivität und die Hälfte ihrer Wähler.
Doch führte diese Strategie zugleich zu einer Politik der Anerkennung, mit der Folge, dass die Linke zunehmend als normale demokratische Partei angesehen wird. Unter dem Strich konnten die Linken ihr Wählerpotenzial trotz kleinerer Rückschläge stetig ausbauen. In den neuen Flächenländern führte der Verlust durch Wählerwanderung von der SPD zur Linken zum Verlust des Status einer Volkspartei.
Inzwischen wetteifert die Linke mit der Union dort um Platz eins in der Wählergunst. Die mit der Entzauberungsstrategie transportierte Politik der Anerkennung wurde nicht zuletzt durch den Übertritt des einstigen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine begünstigt, der ab dem Jahr 2005 durch seine Popularität erheblich dazu beitrug, die Linken im Westen Deutschlands zu etablieren. Zuvor hatten sie dort keine Chance.
Eine demokratische Partei ist die Linke jedoch nicht. Führende Vertreter der Linken sehen in der DDR keinen Unrechtsstaat und leugnen den Schießbefehl. Tatsächlich steht die Partei geistig in der Tradition des Kommunismus.
Der Vordenker und Vollstrecker der sowjetischen Diktatur, Lenin, gilt ihr als Demokrat. Sie versteht sich als Opposition gegen das herrschende System. So stellte der Parteivorsitzende Lothar Bisky anlässlich eines Parteitages im Juni 2007 ausdrücklich die Systemfrage. Ziel der Linken ist die Überwindung des Kapitalismus, die Beseitigung des liberalen Verfassungsstaates inklusive.
Ihren Erfolg bezieht die Linke aus ihrer Fähigkeit, sozialen und politischen Protest zu bündeln und gegen die herrschenden Verhältnisse zu mobilisieren. Ihren Wählern verspricht sie ein soziales Paradies, die endgültige Erlösung von den Ungerechtigkeiten des Kapitalismus.
Bei der Verteilung sozialer Wohltaten in Konkurrenz mit den Linken eintreten zu wollen, kann für die SPD auf Dauer nur in massiver Schrumpfung enden. Finanzierbar sind die Versprechungen ohnehin nicht. Das weiß auch die Linke. Schließlich trug sie als SPD-Koalitionspartner in Berlin auch schmerzhafte Sparbeschlüsse mit.
Die geschichtliche Erfahrung zeigt: Offene Systeme wie das unsere sind nicht perfekt, aber korrekturfähig. Versuche, eine Politik der Erlösung umzusetzen, führen nicht in ein soziales Paradies, sondern direkt in die Hölle der Unfreiheit.
Hans-Joachim Föller, 1958 in Schlüchtern geboren, wuchs in Hessen auf, studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Dem Zeitungsvolontariat in Hessen folgte 1992 der Umzug nach Thüringen sowie dort eine mehrjährige Tätigkeit als Redakteur in verschiedenen Regionalzeitungen. Seit 1998 arbeitet Föller als freier Journalist unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", die "FAZ", den "Rheinischen Merkur", "Das Parlament", den "Tagesspiegel" und die "tageszeitung", wobei die Darstellung der Folgen der SED-Diktatur einen Schwerpunkt bildet.

Hans-Joachim Föller© privat