Entwicklungsprojekt WIDU

Migranten unterstützen Start-ups in Ghana

07:37 Minuten
Tischler bei der Arbeit in Accra, Ghana
Über die Plattform widu.africa sollen kleine Unternehmen in Ghana direkt unterstützt werden. (Symbolfoto) © imago images / GFC Collection
Von Nora Bauer · 22.12.2020
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Über die Internetplattform WIDU können Unternehmen in Ghana Startkapital beantragen: Gespendet wird das Geld meist von Menschen mit afrikanischen Wurzeln in Deutschland. Auch die Bundesregierung unterstützt das Projekt.
"Ich heiße Joana Serwaa Ampofo. Ich bin Doktorandin und Forscherin in dem Graduierten Kolleg 'Interaktion grammatischer Bausteine' der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Universität Leipzig. Ich kam letztes Jahr im März nach Deutschland, um hier zu forschen und meine Doktorarbeit zu schreiben."
Joana Ampofo stammt aus Accra, Ghana. Sie lebt mit ihrem knapp einjährigen Sohn heute in Leipzig mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Neben ihrer Forschungsarbeit unterstützt sie von hier aus ein nachhaltiges Start-up in ihrer Heimat.
"Zum ersten Mal erfuhr ich von Henriettas Unternehmen in einer beiläufigen Unterhaltung mit einer Freundin. Sie erwähnte Henriettas Projekt, ihre Verpackungsfirma. Ich dachte: Wow, eine junge Unternehmerin. Okay, dann werden wir ihr helfen."

Papierverpackungen anstelle von Plastik

Vor vier Jahren hat Henrietta Adjetey in Accra BrandE gegründet. In der kleinen Verpackungsfirma werden aus Altpapier neue Papiertüten und Kartons in allen Größen hergestellt. Das hilft, den Plastikverbrauch in Ghana zu reduzieren. Vier Arbeitsplätze für junge Leute sind mit der Gründung entstanden. Firmengründerin Henrietta Adjetey, 28 Jahre alt, hat Grafik- und Webdesign studiert und anschließend noch einen Bachelor in Journalismus gemacht.
"Ich habe in einer Reportage gelesen, dass wir 2050 mehr Plastik in den Ozeanen haben als Fische, wenn wir fortfahren, Plastik wie gewohnt weiter zu verwenden. Mich hat das alarmiert. Also dachte ich, wenn ich Papierverpackungen als Möglichkeit, als gute Alternative zu Plastik, anbieten könnte, dass ich dann dabei helfen könnte, auf meine kleine Weise, dass weniger Plastik im Ozean landet. Das ist meine Motivation."
Das Gründungskapital für Henriettas Unternehmen BrandE stammt zu 75 Prozent aus Deutschland, organisiert über die Internetplattform WIDU.

Geld in Unternehmen investieren

"Die App geht von einem neuartigen Person-zu-Person-Ansatz aus, und das Ziel ist, Jobs im informellen Sektor in Afrika zu fördern. Die Plattform verdoppelt dann, nach erfolgreicher Beantragung durch die Unternehmer und die Diaspora zusammen den Einsatz, der von der Diaspora geleistet wird und von dem Kleinstunternehmer vor Ort geleistet wird, mit dem Faktor zwei."
Auf einer Pressekonferenz erklärt Wolfram Zunzer – er ist Projektleiter und einer der Architekten von widu.africa – die Internetplattform, die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit 2019 eingerichtet wurde. Sie wendet sich an die afrikanische Diaspora in Deutschland.
Menschen mit afrikanischen Wurzeln, die in Deutschland leben, schicken jährlich etwa 1,5 Mrd. Euro in ihre Herkunftsländer. Dieses Geld wird vor Ort allerdings meistens für den Konsum ausgegeben. Hier setzt WIDU an. Die Initiative will die afrikanische Exilgemeinde in Deutschland und Unternehmerinnen und Unternehmer zusammenbringen, damit das Geld in Unternehmen vor Ort investiert wird.
"Ich habe Henrietta mit 500 Euro unterstützt. Das Geld kommt aus einer privaten Quelle. Ich habe die Leute in meinem Netzwerk angesprochen und dieses Geld gesammelt. Es ist ein Geschenk, keine Zinsen, keine Rückzahlung. Es ist eine Unterstützung für sie. Es ist nicht nur mein Geld, es ist unser Geld, von jedem, der helfen will. Ich habe Leute gesucht, die wir unterstützen können, und zusammen mit meinen Freunden und meinem Netzwerk machen wir das. Ich bin nicht reich, aber ich helfe so viel ich kann."

Businessplan und genaue Überprüfungen

Als erstes musste Henrietta für den Förderantrag auf der WIDU-Plattform einen Businessplan erstellen und hochladen.
"Es gibt dann eine Sanktionslisten-Überprüfung nach UN- und EU-Standards. Wir wollen natürlich ausschließen, dass Geld missbraucht wird. Stichwort Terrorismus-Finanzierung", erklärt Wolfram Zunzer das Prozedere. Erst dann fließt Geld: aus den Töpfen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit verdoppelt die GIZ den Betrag, den Geber und Unternehmer gemeinsam aufgebracht haben. Die Unternehmerinnen und Unternehmer vor Ort erhalten nach der Bewilligung ihres Antrags ein Coaching.
"Da geht es um Grundlagen von Buchhaltung, wie ein Kleinunternehmen gut funktionieren kann, was sind Ausgaben, was sind Einnahmen, was sind realistische Gehälter, die da gezahlt werden können, also praktisch auf dieser buchhalterischen Seite eine Unterstützung, und dann auch ganz konkret, wie kann man Abläufe organisieren, wie bekommt man Material, wie sind Zugänge zum Markt."
Das Coaching vor Ort wird in Ghana zum Beispiel durch das National Board for Small Scale Industries, dem Verband der Kleinunternehmer – eine NGO – durchgeführt.
"Das Coaching war unglaublich hilfreich. Ich konnte die Buchhaltung viel besser nach dem Kurs – und ich bin wirklich dankbar für das Feedback und die Empfehlungen", meint Henrietta Adjetey.

Entwicklungszusammenarbeit direkt mit den Bürgern

"Also es geht ja auch um, ja, im weitesten Sinne, um die Industrialisierung Afrikas, dass Produkte entstehen, die Produktivität steigt, und so weiter, und da muss man im informellen Sektor anfangen", so Günter Nooke, der Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin, auf der WIDU-Pressekonferenz. WIDU ist ein erfolgreiches Projekt, mehr als 3000 Anträge wurden gestellt, viele davon bewilligt und ausgezahlt.
Maximal können afrikanische Unternehmer mit 2500 Euro gefördert werden. Noch sind nur Ghana und Kamerun an WIDU beteiligt. Ab Januar 2021 werden Projekte aus Kenia, Äthiopien und Togo dazu kommen.
"Wir machen Entwicklungszusammenarbeit mit Regierungen und für eine gebildete Elitenschicht, die dann auch von den Projekten durchaus profitiert. Aber wir machen eigentlich nichts für die Mehrheit der Afrikanerinnen und Afrikaner. Dass wir eben alle erreichen – was wir eben mit diesen großen Maßnahmen über die Regierungen und die Durchführungsorganisationen, die Botschaften und so weiter eben nicht schaffen –, das ist eigentlich das, was mir am wichtigsten ist an diesem Projekt: Zugang zu bekommen zur Mehrheit der Menschen in Afrika."
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