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Unterbezahlung
Integration zum Dumpingpreis

Von Susanne Art | 18.06.2015
    "Also, wir haben jetzt die Fragen erarbeitet mit den Wörtern, die sie gelernt haben und jetzt möchte ich, dass Sie einfach zehn Minuten über dieses Thema Einkaufen sprechen."
    Integrationskurs an der Volkshochschule in Berlin-Mitte. Den Unterricht an diesem Donnerstagmorgen beginnt Dozentin Monika Ebersbach lieber mit einem einfachen Dialog. Zum Warmwerden, sagt die 54-jährige. Später kommen auch noch Grammatik und Rechtschreibung dran.
    "Kaufen Sie manchmal auf dem Flohmarkt ein? ... Ich habe nicht gekauft von Flohmarkt, nein, aber ich weiß am Sonntag, jeden Sonntag."
    Die vierzehn Schülerinnen und Schüler, alle etwa zwischen 20 und 30 Jahre alt, stammen aus Europa, Ägypten, Nigeria, Indien oder Syrien. Kamal ist vor drei Jahren mit ihrem Ehemann aus Aleppo geflohen. Seit zwei Monaten besucht die Mutter von zwei Töchtern den Integrationskurs. Monika Ebersbach bringt ihr aber nicht nur Deutsch bei, sondern klärt sie auch über die Rechtsordnung, Geschichte und Kultur in ihrer neuen Heimat auf. Eine sinnvolle Aufgabe, findet Monika Ebersbach. So sehen es wohl auch die Bundespolitiker, die laut Bundesinnenministerium die Mittel für die Integrationskurse auf insgesamt mehr als 300 Millionen Euro erhöhen wollen. Allerdings komme dieses Geld nicht bei den Dozenten an, sagt Monika Ebersbach.
    "Man fühlt sich einfach überhaupt nicht wertgeschätzt. Die Wertschätzung erhalte ich von meinen Kursteilnehmern. Von mir selbst, weil ich weiß, dass das wichtig ist, von meinen Kollegen. Aber von der Politik, null."
    Sie ist darum gestern mit Kolleginnen und Kollegen auf die Straße gegangen, um zu protestieren.
    "Der, die, das, Deutsch ist schwer, die Regierung zahlt prekär ..."
    Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schreibt den kommunalen wie auch privaten Trägern einen Mindestsatz von 20 Euro pro Unterrichtsstunde vor. In Berlin bekommen die Volkshochschuldozenten zusätzlich noch zehn Euro vom Senat bezuschusst. Trotzdem reiche das Geld nicht aus, denn von dem Lohn gingen Renten-, Krankenversicherung und Steuern ab, sagt Sabine Heurs, Sprecherin der Berliner VHS-Dozentenvertretung.
    "Die Bezahlung bezieht sich ja auch nur auf die Stunden, die wir wirklich geben. Das heißt Vor-, Nachbereitung, Konferenzen werden nicht bezahlt. Also wir haben errechnet was im Monat rauskommt, wird einem ganz gruselig. Das sind bei einer Vollzeitarbeit 1.200 Euro netto. Wir fordern deutlich mehr, wir fordern eine Bezahlung analog zu den Realschullehrerinnen und Berufsschullehrerinnen, und das wären 60 Euro die Stunde. "
    Eine unmittelbare Einflussnahme auf die Entlohnung sei seitens des Staates nicht möglich, argumentiert das Bundesinnenministerium. Denn die Dozenten stehen bei den Sprachkursträgern unter Vertrag. Die wiederum können oft nicht mehr zahlen, weil sie knapp kalkulieren müssen. Kommt zum Beispiel ein Integrationsteilnehmer nicht zum Kurs, weil er krank ist oder zum Jobcenter muss, dann bekommt der Träger für diesen Ausfalltag auch kein Geld vom Bund. Für die Lehrkräfte, die alle eine akademische Ausbildung absolviert haben, bedeutet das nach 35 Berufsjahren in Vollzeit: 500 bis 700 Euro Rente. Das sei doch würdelos, findet dieser 35-jährige Dozent, der seinen Namen lieber nicht öffentlich sagen möchten. Er hat Germanistik, Geschichte und Journalistik studiert und unterrichtet seit drei Jahren bei einem privaten Träger. In der Hand hält er ein Plakat auf dem steht: Studium, Erfahrung, Engagement für 500 Euro Rente. Schönen Dank.
    "Können Sie mir sagen, warum ich mit 83 noch arbeiten muss? ... Kann er mir nicht sagen... wir wissen, dass es so enden wird, wenn wir 83 sind."
    "Wir haben eigentlich gar nicht das Geld in die Rentenversicherung einzuzahlen. Wenn wir das jetzt machen würden, bliebe für Miete, für Krankenversicherung, für das tägliche Leben so wenig, dass wir dann eigentlich Hartz IV beantragen könnten und gar nicht mehr arbeiten gehen müssten. "