Entengrütze

Geheimrezept für Smoothie-Fans

Enten in Entengrütze schwimmen auf einem See
Entengrütze nimmt alle Arten von Giften auf: Arsen, Cadmium, Uran, Radium, dazu Pestizide, Arzneimittel, Dioxine und Algengifte, so Udo Pollmer. © picture alliance / dpa / Paul Zinken
Von Udo Pollmer · 03.02.2017
Wissenschaftler der Universität Jena haben das Potenzial von Wasserlinsen für die menschliche Ernährung untersucht. Die Entengrütze genannten "Linsen" enthalten nämlich Eiweiß und beugen Mineralstoffmangel vor. Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer hält das für gefährlichen Unsinn.
Die Forschung hat sich bei der Suche nach der Nahrung der Zukunft auf die Wasserlinsen fokussiert. Vielleicht taugt sie sogar als Alternative zu Fleisch, denn diese seien voller Eiweiß und edlen Fettsäuren. Wasserlinsen sind keine Linsen, sondern eine Gruppe von Schwimmpflanzen, die im Volksmund treffend als Entengrütze bezeichnet werden. Die meisten sind nur wenige Millimeter groß und treiben auf dem Wasser. In den warmen Sommermonaten vermehren sie sich so rasch, dass sie Teiche, Seen und Altarme in kurzer Zeit komplett mit grünem Schmodder überziehen.
Unter Teichwirten gilt die Pflanze als übles Unkraut, durch den grünen Teppich dringt kein Licht, das Wasser wird nicht mehr erwärmt, die Pflanzen wachsen nicht mehr, sie produzieren somit auch keinen Sauerstoff. Entengrütze wird zwar von Karpfen, Tilapien und Weißfischen gefressen, sofern sie gegen das schnelle Wachstum ankommen. Wertvollere Fische wie Forellen gehen jedoch ein. Wird die Entengrütze zu Futterpellets verarbeitet, dann lassen sich damit pflanzenfressende Fische ernähren, ohne dass die Aquakultur überwuchert wird.

Einsparung von Ackerflächen zum Anbau von Soja

Nun wollen Ernährungswissenschaftler aus Jena damit Flächen zum Anbau von Mais oder Soja einsparen, weil Entengrütze kein Ackerland benötige. Doch Gewässer werden genauso zur Produktion von Nahrung genutzt wie Äcker. Die Fische, die dort gedeihen, tragen zur Versorgung mit hochwertiger Nahrung bei. Nun soll Entengrütze, so die Forscher, dank ihres hohen Gehaltes an Eiweiß dem Fisch Konkurrenz machen. Angeblich sind Wasserlinsen in ihrem Proteingehalt vergleichbar mit Lupinen, Raps oder Erbsen.
Irrtum: Wasserlinsen bestehen vor allem aus Wasser, zu deutlich über 90 Prozent. Wird nach der Ernte nicht sofort gründlich gereinigt und schonend getrocknet, was reichlich Energie erfordert, verdirbt das Zeug schnell. Der Gehalt an Nährstoffen ist gering. Er liegt insgesamt bei etwa fünf Prozent, bei frischen Erbsen liegt er fünf Mal so hoch. Der angeblich hohe Eiweißgehalt der Wasserlinse bezieht sich auf die Trockenmasse. Frische Grütze enthält nur ein bis zwei Prozent. Dazu kommt ein klein wenig Stärke. Die angeblich so wertvollen Fettsäuren sind nur in Spuren vorhanden.
Unter günstigen Bedingungen – also mit Beheizung und Abwasser – kann die Schwimmpflanze ihre Biomasse innerhalb von 36 Stunden verdoppeln. Aus diesem Grund experimentierten die Holländer mit getrockneter Grütze als Schweinefutter, um damit einen Teil des Sojaschrots zu ersetzen. Schließlich gedeiht Entengrütze besonders gut auf nährstoffreichen Abwässern aus Siedlungen oder Schweineställen, ja sie wächst sogar auf Klärschlamm und auf den Gärresten von Biogasanlagen.

Entengrütze nimmt alle Arten von Giften auf

Inzwischen ist es still geworden um das ambitionierte Projekt. Denn Entengrütze nimmt aus dem Abwasser wie ein Schwamm alle Arten von Giften auf: Arsen, Cadmium, Uran, Radium, dazu Pestizide, Arzneimittel, Dioxine und Algengifte. Sie bindet Krankheitserreger auf und bildet selbst reichlich Oxalsäurekristalle, um sich vor Wasserschnecken zu schützen. Die sind für Mensch und Tier schädlich. Wenn die Pflanze einen Nutzen hat, dann den, Schmutzwasser von Gift zu befreien. Für die Fütterung von holländischen Schweinen fällt sie damit weitgehend aus.
Unsere deutschen Forscher geben nicht so schnell auf. Sie wollen die Entengrütze nicht mehr den Schweinen, sondern den Bürgern schmackhaft machen. Und wie "verkauft" man die Fähigkeit Gifte wie Cadmium und Arsen anzureichern? Die Wasserlinse nimmt mit Leichtigkeit Spurenelemente auf, wodurch sie hilft, einen "ernährungsbedingten Mangel" auszugleichen. Da muss man doch zubeißen!
Experten raten, man könne daraus köstliche grüne Smoothies bereiten. Die Idee kommt nicht überraschend. Es mangelt ja nicht an Ratschlägen um Pflanzenabfälle, die eigentlich für die Biotonne bestimmt sind wie Möhrenkraut, Rettichblätter und Avocadokerne zusammen mit frischem Laubwerk von Bäumen in den Mixer zu geben. Da passt ein Löffelchen Entengrütze perfekt dazu. Mahlzeit!
Literatur:
Laudien S: "Entengrütze": Kleine Pflanzen, große Chancen. Pressemeldung, Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 11. Jan. 2017
Laudien S, Ottleben I: Wasserlinsen – Neue Zutat für die Smoothies von morgen? Laborpraxis 11. Jan. 2017
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