Engelbert Humperdinck: "Die Königskinder"

Liebe gefunden - Leben verloren

Rot flimmernde Silhouetten einer Frau und eines Mannes stehen sich zu einem Kuss bereit gegenüber.
In der Liebe finden sich Gänsemagd und Königssohn, doch die Welt gewährt ihnen keinen Platz. © imago / Ruslan117 / Panthermedia
Moderation: Volker Michael · 25.09.2021
"Hänsel und Gretel" machte Humperdinck berühmt. Weitere Märchenadaptionen folgten, darunter sein Melodram "Die Königskinder". Nichts für Kinder, denn das Ende ist unglücklich, begleitet von herrlichen Klängen, die an den Mentor Wagner erinnern.
2021 ist Humperdinck-Jahr, denn der Komponist starb am 26. September vor 100 Jahren, also 1921, in Neustrelitz. Geboren wurde er in Siegburg. Und genau dort fand am 4. September eine konzertante Aufführung seines Melodrams "Die Königskinder" statt als Bestandteil des Beethovenfests Bonn 2021.

Immer wieder Märchenstoffe

Durch seine Oper "Hänsel und Gretel" wurde Humperdinck weltberühmt. Die Tantiemen ermöglichten ihm einen guten Lebensstil, samt Villa-Erwerb und Aufgabe des leidlichen Unterrichtens. Unerwartet schien der Erfolg, denn das Genre Märchenoper war eher randständig Ende des 19. Jahrhunderts. Von Humperdinck existieren weitere Märchenadaptionen, wie "Schneewittchen", "Die sieben Geißlein" und "Dornröschen". Und eben auch der Stoff um "Die Königskinder" animierten den Komponisten zum Schreiben, ein Leben lang.
Zeichnung des älteren Engelbert Humperdincks mit buschigem Bart und eindringlichen Blick.
Engelbert Humperdinck wurde 1881 Assistent Wagners in Bayreuth.© imago / Allstar / Mary Evans AFArchive
"Die Königskinder" existieren in zwei Fassungen. Die Erste ein Melodram, das 1897 am Münchener Hoftheater zur Uraufführung kam. Doch der Erfolg wollte nicht in andere Städte überspringen. So bearbeitete Humperdinck das Werk und schuf eine abendfüllende Oper, die 1910 an der New Yorker MET uraufgeführt wurde. Die Oper ist hier und da zu hören, das Melodram nie. Und so ist dieser Abend mit der konzertanten Aufführung ein besonderer.
"Wenn man die ersten paar Takte hört und die ersten gesprochenen Sätze, dann hat man schon den Eingang gefunden in dieses Werk, und das nimmt einen mit bis zum Ende dieser Erzählung", so der Dirigent Michael Hofstetter über das Melodram "Die Königskinder". Ein Märchen für Erwachsene ohne Happy End – mit sehr viel märchenhaft schön-trauriger Musik.

Märchenhafte Vorlagen

Elsa Bernstein ist die Autorin der Textvorlage. Sie trat an den Komponisten heran, um von ihm Musik für eine Aufführung als Schauspiel zu erhalten. Sie war Dramatikerin und gehörte genauso wie Humperdinck im entfernten Sinne zum Kreis um Richard Wagner. Sie wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und konnte anders als ihre Schwester überleben, weil sie einen Status als Prominente zugebilligt bekommen hatte.
Bei ihrem Märchenspiel "Die Königskinder" stützte sie sich auf mehrere Vorlagen, unter anderem auf Grimms Märchen und auf ein Gedicht von Heinrich Heine mit dem Titel "Tragödie". Das Drama trägt starke Züge des Symbolismus. Das heißt, die Märchenfiguren der Gänsemagd, des Königssohns, des Spielmanns, der Hexe und der vielen Nebenfiguren stehen symbolisch für zeit- und ortlose Charaktere.

Die Kälte des Lebens

Die Königskinder sind die Gänsemagd und der Königssohn, der sich zur Tarnung als Schweinehirt in der Stadt verdingt. Ihre Liebe führt sie trotz aller Hexenschwüre zusammen. Eine Prophezeiung sagt voraus, dass sie die neuen Herrscher der Stadt sein können, doch die Bürger sehen in ihnen nur armes Pack, das sie aus der Stadt vertreiben.
So haben sich die Königskinder zwar gefunden, doch nach den kurzen glücklichen Momenten irren sie gemeinsam hungernd und zukunftslos durch den Wald. Der Königssohn tauscht schließlich seine Krone für ein Brot ein. Doch sie wissen nicht: es ist vergiftet. Beide sterben im kalten Wald.
Sie werden von einem Spielmann, der eine Kinderschar wie der Rattenfänger um sich hat, gefunden. Sie erkennen das Königspaar. Der Spielmann beklagt den Tod der beiden jungen Menschen, die in keiner Weise auf den eigenen Vorteil aus waren, sondern schlicht ihren Herzen gefolgt waren. Die Kinder verabschieden die Unglücklichen mit fast zu schönem Chorgesang. Spätestens in der letzten Szene wird klar: das Märchenhafte ist nur eine Hülle für das große, menschliche Drama.
Beethovenfest Bonn
Aufzeichnung vom 4. September 2021 im Rhein-Sieg Forum, Siegburg
Engelbert Humperdinck
"Königskinder", Märchenmelodram in drei Akten
Libretto: Elsa Bernstein
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