Energiewende

Auslagerung der alten Strom-Welt

Ein Schild "Hochspannung Lebensgefahr" mit dem Schriftzug von Eon Netz am Kohlekraftwerk Mehrum in Hohenhameln im Landkreis Peine (Niedersachsen).
Ein Schild "Hochspannung Lebensgefahr" mit dem Schriftzug von Eon Netz am Kohlekraftwerk Mehrum in Hohenhameln im Landkreis Peine (Niedersachsen). © dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte
Von Michael Braun · 01.12.2014
Stromerzeugung wird vielfältiger, komplexer, kleinteiliger – und erst recht die Stromverteilung. Wenn E.ON nun das klassische Stromgeschäft abstoßen will, dann sind andere Energiekonzerne schon weiter.
Andere sind schon vorangegangen: Die baden-württembergische EnBW etwa. Die hatte schon vor anderthalb Jahren kalkuliert: Mit dem klassischen Stromgeschäft sinken die Erträge bis 2020 um 80 Prozent. Also müsse was Neues her: Erneuerbare Energien, Stromnetze intelligent verknüpfen, den Vertrieb zwischen immer mehr Anbietern sowie großen und kleinen Nachfragern zu organisieren.
"Smart grid" nennt RWE das Geschäft und gibt vor, sich dort schon hineingestürzt zu haben und nicht nur die Braunkohlenkraftwerke unter Feuer zu halten.
Es ist in der Tat viel passiert seit dem Aufkommen der erneuerbaren Energien. Wenige zentrale Kraftwerke bauen und von dort aus den Strom verteilen − das gilt als Auslaufmodell. Stromerzeugung wird vielfältiger, komplexer, kleinteiliger. Und das gilt erst recht für die Verteilung.
Jede Viertelstunde kann es anders aussehen, weil mal viel, mal wenig Sonne da ist, mal viel, mal wenig Wind bläst, mal genügend, mal unzureichende Speicherkapazitäten bestehen. Das zu managen ist das Problem, ist die Kunst, ist das Geschäft. Denn Großverbraucher wie Stahlwerke brauchen auch bei Windstille Strom. Und auch daheim soll jedes Mal die Lampe angehen, wenn man sie anknipst.
Mag sein, dass die neue Welt am besten in einer neuen Gesellschaft bedient werden kann. So begründet jedenfalls, dass die alte Welt der Kohle- und Kernkraftwerke in ein neues Unternehmen ausgelagert werden soll.
Der Staat als Bad Bank
Auslagern – das kennen wir aus der Finanzbranche. Nach der Finanzkrise wurden Altlasten ausgelagert, oft in eine Bad Bank. Und wenn es nicht anders ging, war der Staat die Bad Bank.
Baut sich nun Vergleichbares für die atomaren Altlasten auf? Gut, E.ON hat dafür knapp 15 Milliarden Euro zurückgestellt. Wie flüssig das Geld ist, weiß man nicht. Dass die Rückstellungen mächtig hochgeschraubt werden müssen, weil das Zinsniveau so niedrig ist, ist wahrscheinlich.
Im Mai geisterte schon ein Plan durch die Republik, die atomaren Altlasten vom Abbau der Kernkraftwerke bis zur jahrhundertelangen Lagerung des strahlenden Materials auf eine Bundesstiftung zu übertragen. Das könnte sich nun in neuer Form – Auslagerung an die Börse – wiederholen. Aber die Börse wird sich bedanken, wenn sie spitz kriegt, Geld für atomaren Abfall bereitstellen zu sollen.
Vielleicht lässt sich das Geschäft ja so organisieren, dass Geldgeber mit der Abfallentsorgung Geld verdienen können. Auf jeden Fall dürfen sich Unternehmen nicht aus der Verantwortung für Geschäfte verabschieden, mit denen sie jahrelang Geld verdient haben.
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