Energie aus dem Erdinneren

Von Thomas Gith · 22.05.2011
In der Debatte um erneuerbare Energie geht es vor allem um Solar- und Windkraft. Kein Wunder, sind die beiden Techniken doch gut entwickelt – und sie lassen sich daher bereits problemlos nutzten. Viel weniger beachtet wird die Geothermie – also die Erdwärme.
Dabei ist ihr theoretisches Energiepotenzial fast unerschöpflich: Denn Erdwärme gibt es überall und immer. Und: Geothermie ist anders als Solar- und Windkraft grundlastfähig – das heißt: Sie steht auch dann zur Verfügung, wenn die Energie tatsächlich benötigt wird. Einen Haken hat die Sache aber natürlich: In Deutschland ist die Geothermie bisher kaum entwickelt.

Ortstermin in Groß Schönebeck – einem kleinen Ort nördlich von Berlin. Auf einem kargen Platz in Mitten eines dichten Kiefernwaldes steht sie: Die Geothermieversuchsanlage des Deutschen Geoforschungszentrums. Zwei Bohrlöcher reichen hier mehr als 4000 Meter in die Tiefe – daneben steht eine kleine Halle, in der das geförderte Thermalwasser künftig für die Stromerzeugung genutzt werden soll. Bohringenieur Wulf Brandt.

"In Groß Schönebeck haben wir natürlich wegen der Umgebung keine Möglichkeit, das für irgendwelche Heizungen zu verwenden. Wir wollen also hier demonstrieren, den Strom zu erzeugen. Wir haben ja 150 Grad warmes Wasser im Reservoir in 4200 Meter Tiefe. Wir werden das etwa mit 140 Grad hier oben an die Oberfläche bringen und werden dann über einen Wärmeaustausch mit einer ORC-Anlage Strom produzieren."

Wulf Brandt zeigt auf die Halle: Bei der ORC-Anlage handelt es sich um einen großen Wärmetauscher. Eine Maschine also, bei der die Wassertemperatur auf ein Medium übertragen wird, das bereits bei geringer Temperatur siedet. Der so erzeugte Dampf treibt dann eine Turbine an, die Strom erzeugt. 2012 soll es soweit sein – doch zunächst einmal wartet eine andere Herausforderung auf die Wissenschaftler: Die Inbetriebnahme des Thermalwasserkreislaufs.

"Die Wässer in der Erde, die unterhalb des Grundwassers liegen, sind üblicherweise salzhaltig. Wir haben in diesem Fall Groß Schönebeck 235 Gramm pro Liter Salzinhalt. Ein solches Wasser kann man natürlich nicht irgendwo entsorgen. Demzufolge sind wir verpflichtet, dieses Salz sofort wieder reinzugeben, das ist auch aus Gründen des Energiehaushaltes des Speichers notwendig, so dass wir also eine Förderbohrung und eine Reinjektionsbohrung haben."

Auf dem Platz soll so ein dauerhafter Wasserkreislauf entstehen: Das geförderte heiße Wasser wird oberirdisch durch Leitungen gepumpt, in den Wärmetauscher geleitet und anschließend abgekühlt zurück ins Erdreich befördert – im heißen Gestein in 4200 Meter Tiefe heizt sich das Wasser wieder auf, wird erneut nach oben gepumpt. Es ist ein Kreislauf, der die Erdwärme ideal nutzen soll. Zeigt sich, dass die Geothermie in Groß Schönebeck wirtschaftlich und technisch rentabel ist, dann ist das geologisch repräsentativ für ein großes Gebiet in Deutschland, sagt Geowissenschaftler Ernst Huenges.

"Groß Schöneck liegt in einem Sedimentbecken, wir haben eine Reihe von Sedimentbecken in Europa und weltweit, als Beispiel ist natürlich das hier gelagerte norddeutsche Becken, das reicht von den Niederlanden bis nach Polen. Oder das Panonische Becken, das ist Ungarn, Rumänien, Slowenien, das sind alles große Strukturen mit immer wieder ähnlichen, geologischen Untergrundaufbauten. Und wir haben in diesen Sedimentbecken immer wieder wasserführende Schichten."

Allein im norddeutschen Becken steckt also ein enormes Energiepotenzial in Form von heißem Wasser. In Deutschland wird das bisher allerdings kaum genutzt: Der Anteil des geothermisch erzeugten Stroms am gesamten deutschen Energieverbrauch tendierte im vergangenen Jahr gegen Null – und selbst Wärmegewinnung durch Geothermie lag bei deutlich unter 0,5 Prozent.

"Wenn wir aber das technische Potenzial anschauen, also das, was jetzt machbar ist oder mit einer vernünftigen Investition in Technologieentwicklung in den nächsten Jahren machbar ist, ist ein Anteil von 5 Prozent sowohl bei Strom aber auch bei Wärme ein Szenario, womit wir rechnen können."

Ein Großteil der für das norddeutsche Becken exemplarischen, wissenschaftlichen Arbeit ist in Groß Schönebeck bereits geleistet worden: Damit das Wasser im Untergrund zwischen den beiden Bohrlöchern fließen kann, musste das sehr engporige Gestein zunächst einmal aufgebrochen werden. Die Wissenschaftler haben deshalb den Druck im Erdreich kurzfristig erhöht, erklärt Wulf Brandt – durch zusätzliche Wasserinjektionen.

"Wir haben hier in Groß Schönebeck 13.000 Kubikmeter Wasser in relativ kurzer Zeit verpresst, also über vier, fünf Tage. Und haben dabei verschiedene dieser Risssysteme geschaffen, die wir auch durch seismische Beobachtungen untertägig lokalisieren konnten. Und wir haben also etwa eine Ausbreitung von 150 bis 200 Meter dieser Risslänge."

Durch diese Risse fließt jetzt das Thermalwasser und heizt sich auf. Lässt sich der so erzeugte Wasserkreislauf dauerhaft aufrechterhalten und funktioniert die Stromerzeugung, dann gibt es noch einige kleiner Untersuchungen in Groß Schönebeck: Unter anderem wird getestet, welche Maschinenteile durch das Salzwasser am wenigsten geschädigt werden. Sollte die Anlage 2012 erfolgreich in Betrieb genommen werden, dann könnten auch an anderen deutschen Standorten solche Geothermiewerke entstehen. Das Potenzial ist zumindest geologisch riesig – und die technische Entwicklung schon jetzt viel versprechend.


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