Energie abzugeben

Von Susanne Schrammar · 18.11.2009
In wasserbetriebenen Pumpspeicherkraftwerken kann von Windrädern erzeugter Strom gespeichert werden - auch dann, wenn gerade Flaute ist. Im Flachland Niedersachsen wollen Wissenschaftler nun eine solche Anlage bauen - und zwar unter der Erde.
So könnte sich die Energiespeicherung der Zukunft anhören: Mehrere hundert Meter tief unter der Erde, in stillgelegten Bergbauschächten, könnte mit Hilfe von riesigen Wassertanks, Rohren und Turbinen Strom aus Wind gespeichert werden. Es ist noch Zukunftsmusik, die beim Energie-Forschungszentrum Niedersachsen in Goslar gespielt wird. Doch Experten vom EFZN sind gerade dabei auszuloten, ob sogenannte Pumpspeicherkraftwerke auch unter Tage gebaut werden können.

Allgemein funktionieren diese Stromspeichermedien in etwa so: Produzieren Windräder gerade mehr Strom, als gebraucht wird, nutzen die Kraftwerke den überzähligen Strom, um Wasser aus einem tief liegenden Becken in ein oft mehrere hundert Meter höher liegendes Wasserbecken zu pumpen. Herrscht gerade Flaute, aber Windenenergie würde dringend gebraucht, lässt man das Wasser aus dem erhöhten Becken wieder über Turbinen in die Tiefe rauschen. Aus der so entstandenen Wasserkraft lässt sich dann neuer, wertvoller Spitzenlaststrom gewinnen. Hans-Peter Beck, Leiter des EFZN:

"Also, üblicherweise benutzt man Berge und Täler, um Oberbecken und Unterbecken zu realisieren. Wenn man aber jetzt keine Berge und Täler hat, so wie in Norddeutschland, dann muss einem was anderes einfallen. Und das ist hier die Grundidee, dass man sagt, wenn wir keine Berge und Täler haben, dann gehen wir unter Tage, da haben wir Stollen und Schächte. Dann entspricht dem Tal die tiefste Sohle und dem Berg die höchste Sohle, aber alles findet unter Tage statt."

Unabhängig von den geografischen Bedingungen hätten Pumpspeicherkraftwerke unter Tage auch einen ökologischen Vorteil. Der Bau oberirdischer Anlagen stellt schließlich immer auch einen enormen Eingriff in die Natur dar, sagt Marko Schmidt vom EFZN, der das Forschungsvorhaben koordiniert. Ziel der auf zwei Jahre angelegten Studie ist es, die Vorbedingungen für ein Pilotprojekt abzuklopfen und ein geeignetes Bergwerk zu finden. Weil viel Wasser und Feuchtigkeit mit im Spiel ist, kommt Salzgestein dabei nicht in Frage, besser geeignet wären nach Ansicht der Experten zum Beispiel stillgelegte Erzschächte, so Schmidt:

"Der Harz ist da ein sehr interessantes Gebiet, im Siegerland haben wir Erze abgebaut, wir haben auch im Erzgebirge Erze abgebaut und entsprechend suchen wir in ganz Deutschland. Was das Interessante dabei ist: Es geht nicht nur am Computer, sondern wir müssen wirklich zu den Bergämtern fahren, ganz alte Unterlagen, teilweise aus dem 17., 16. Jahrhundert sichten und anhand dieser Unterlagen überlegen, ob wir es wagen können, noch mal in den Schacht zu gehen und dort eben eine Pumpspeicheranlage zu planen."

Als eine Art Referenzmodell für das Vorhaben dient derzeit der Samson-Schacht in St. Andreasberg im Harz. In dem ehemaligen Silbererzbergwerk wird Wasserkraft nämlich schon seit fast einem Jahrhundert zur Energieerzeugung unter Tage genutzt. Zwar ist klar, dass in der denkmalgeschützten Grube keine moderne Pumpspeicheranlage eingebaut werden kann, doch die Wissenschaftler vom EFZN können sich hier eine Menge abgucken, denn die beiden historischen Wasserkraftwerke in 150 Metern Tiefe sind heute noch funktionsfähig und decken den größten Teil der in der Bergstadt benötigten elektrischen Leistung, erzählt Ulrich Diestel, Technischer Geschäftsführer von Harz Energie:

"Wir leiten Wasser aus dem Oberharzer Wasserregal dort unten hinein und erzeugen dort unten Strom mit zwei Maschinen. Wir betreiben diese Kraftwerksanlage schon seit vielen Jahren, von daher haben wir viel Erfahrung damit, untertägig Strom zu erzeugen. Jetzt braucht man nur noch, sage ich jetzt mal ganz einfach, den zugehörigen Speicher, also das Becken, dann hat man schon das Pumpspeicherkraftwerk so, wie wir uns das vorstellen."

Doch bevor ein solches Stromspeichermedium in einem anderen Bergwerk gebaut werden kann, sind noch eine ganze Menge anderer Fragen zu klären, mit denen sich Wissenschaftler am Energie-Forschungszentrum Niedersachsen in gleich mehreren Disziplinen beschäftigen: Bergbau, Wirtschaftswissenschaften, Maschinenwesen, Elektrotechnik, Berg- und Energierecht.

"Also, es fängt an beim Bergbau – die Dichtheit ist ganz wichtig. Es geht um den Maschinenbau, da geht es einmal darum, die Maschinen hineinzubekommen, aber teilweise haben wir auch spezielle Anforderungen an das Wasser, das wir unter Tage vorfinden, die Elektrotechnik – wir müssen ja kalkulieren, wie wir die Energie ins Netz einbinden können, und dann tut sich in Deutschland ein Rechtsvakuum auf, wo wir jetzt erst mal untersuchen müssen, wie können wir darangehen, damit wir am Schluss eine rechtssichere Genehmigung für solche Pumpspeicherwerke bekommen können."

Die Kosten für das Forschungsvorhaben in Höhe von 450.000 Euro trägt derzeit vor allem das Bundesumweltministerium, doch auch die Harz Energie sowie der Ausrüster für Wasserkraftwerke Voith Siemens sind beteiligt. Bis das erste Pumpspeicherkraftwerk in einem stillgelegten Bergwerk zum Einsatz kommt, können gut und gerne nochmals 15 Jahre ins Land gehen.