Endstation Praktikum

Von Stefan Keim · 06.12.2007
Die Tragödien der Generation Praktikum bringt ein Projekt des Theaters Bonn und dem Fringe Ensemble auf die Bühne. Aus der Beschäftigung mit diesem Thema könnte leicht ein trauriger Theaterabend entstehen. Das Gegenteil geschieht in Bonn.
Sechs Schauspieler, sechs Lichtkegel. Aus einem Stimmengewirr schälen sich Geschichten heraus. Geschichten, die sich die Theatermacher erzählen ließen, echte Erlebnisse. Eins haben die angehenden Videokünstler, Radiojournalisten, Filmregisseure und Therapeuten gemeinsam: Sie machen Praktika, mit geringer oder gar keiner Bezahlung.

Nicht alle Uniabsolventen haben so große Probleme beim Übergang in den Beruf. Das ergab eine Studie im Auftrag des Bundesbildungsministeriums. Darin steht sogar, die Ängste unter Studenten und Jungakademikern seien übertrieben.

Auf der Bühne geht es vor allem um künstlerische und geisteswissenschaftliche Berufe. Da scheint der Schwerpunkt des Problems zu liegen. Diese Leute strampeln sich ab, suchen nach einem Zugang in eine einigermaßen gesicherte Existenz, entwickeln Ideen, arbeiten Tag und Nacht. Lob bekommen sie dafür, aber auch keinen Job.

Die meisten machen einfach weiter, weil ihnen nichts anderes einfällt. Und so häuft sich Praktikum auf Praktikum. Aus der Beschäftigung mit diesem Thema könnte leicht ein trauriger Theaterabend entstehen. Das Gegenteil geschieht in Bonn. Der Regisseur Frank Heuel konzentriert und verdichtet die Texte, lässt manche im Chor sprechen, unterlegt andere mit Musik.

Auf einem Bretterboden stehen weiße Klötze, die Hocker, Tische, Büromöbel darstellen. Der Anfang ist statisch, textkonzentriert. Dann tragen die Schauspieler einen Sessel, ein Sofa und eine Stehlampe hinein und arrangieren die Bühnenelemente zu immer neuen Bildern. Sie illustrieren nicht, was sie sagen. Sondern sie unterfüttern die Erlebnisberichte mit absurden Szenen.

Einer tanzt einsam mit der Stehlampe, ein anderer singt plötzlich ein Lied über seinen Traum, am Meer zu wohnen, und wenn es bloß in Holland ist. Die Wünsche der Generation P klingen oft kleinbürgerlich. Sie wollen sich anpassen, sehnen sich danach, ins System aufgenommen zu werden.

Die Aufführung zeigt, wie die fehlende berufliche Perspektive auf das Privatleben wirkt. Frauen überlegen gar nicht, ob sie Kinder wollen. Sondern ob sie überhaupt daran denken dürfen, so lange sie keinen Job haben.

Manchmal werden die Fragen der Interviewer als Text eingeblendet. Da steht zum Beispiel: "Gibt es etwas, was dich richtig aufregt?" Einer antwortet, dass so viele Leute "gewunken" sagt, wo es grammatisch richtig "gewinkt" heißen müsste. Mehr fällt ihm nicht ein.

Das sind die Tragödien der Generation P. Die Leute leiden an der Banalität des Alltags, daran, dass sie im relativen Luxus leben und keine eigenen, aufregenden Geschichten haben. Sie fühlen sich vom Leben ausgeschlossen. Die hervor ragenden Schauspieler sprechen mit einer Mischung aus authentischen Tonfällen und leisem, ironischem Witz.

Sie stellen ihre Sätze aus, aber niemals diejenigen, die sie gesagt haben, bloß. "Generation P" ist ein überraschend witziger Theaterabend über ein ernstes Thema. Und der Beweis, dass die Zusammenarbeit eines Stadttheaters mit einer freien Gruppe wie hier dem Fringe Ensemble zu außergewöhnlichen Ergebnissen führen kann.