Endlich im Plattenbau

Von Michael Frantzen · 16.01.2013
Ja, so ändern sich die Zeiten: Zu Wende-Zeiten war das Ostseeviertel in Greifswald ein x-beliebiges DDR-Neubauviertel. Seit der Sanierung haben manche Viertelbewohner das Gefühl, sie würden in einer Gartenstadt leben. Und das spricht sich herum.
"Ostseeviertel?! Wie schön das klingt. Ostseeviertel! Nicht?!"

"Dass man ein gesamtes Stadtgebiet praktisch komplett saniert und umgebaut hat: Das ist relativ einmalig."

"Das war ne Mammut-Aufgabe. Acht Jahre hat's gedauert."

Das mit dem Stadtumbau. Im Greifswalder Ostseeviertel. Die Straßen hier sind breit und schnurgerade, die Namen vielversprechend: Vom "Helsinki-Ring" geht es über die "Talliner" zur "Rigaer Straße". 70 Millionen Euro wurden investiert, um die Plattenbausiedlung auf halben Wege zwischen Innenstadt und Bodden auf Vordermann zu bringen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

"Wunschlos glücklich. Ja!"

Hannelore Jöhling strahlt. Die Rentnerin wohnt in der "Talliner 7a" - zusammen mit ihrer "Süßen" und "Coco". Ein Wellensittich-Pärchen, sie gelb, er grün, die, wenn sie nicht im Käfig vor sich hin dösen, ihre Runden ziehen in Frauchens "Traumwohnung". War Liebe auf dem ersten Blick.

"Wie ich denn hier in diese Wohnung rein kam, hab ich gesagt: Das is meine Wohnung! Und zwei Studentinnen waren da noch bei, da haben die gesagt: Na, dann können wir ja gehen. Und ich sach: Ja, tut mir leid. (lacht) Die behalt ich."

Irgendwann wurde die Wohnung zu klein
364 Euro warm zahlt die gelernte Köchin für ihr Apartment im ersten Stock: Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer. Zu ihrer Wohnung im Ostseeviertel kam Hannelore Jöhling wie die Jungfrau zum Kinde. Sie kommt nämlich eigentlich aus der Innenstadt: Jahrzehntelang lebte die Frau mit den lustigen Augen in einem Altbau mit Kohleofen. Irgendwann waren die vier Kinder aus dem Haus, der Ehemann verstorben, die Wohnung viel zu groß. Eine ganze Weile ging das so, bis Annette, ihre Schwiegertochter, die Sache in die Hand nahm - und mit ihr ins Ostseeviertel fuhr.

"Am Anfang, wo ich hierher kam: Da bin ich da inne Küche rein gegangen und hab gesagt zu meine Schwiegertochter: Du, Annette, da krich ich aber mein Schlafzimmer nich unter! Da sachtse: Mensch, Mudda, sachtse. Datt Schlafzimmer is da hinten. Ditt is de Küche! - Höööh"
Direkt am Küchenfenster hat sich Hannelore Jöhling ihr Büro eingerichtet. Ein kleiner Tisch samt Stuhl, von wo aus sich nicht nur das Treiben unten inspizieren lässt, sondern auch ihre Sammlung diverser Flaschen auf dem Küchenschrank.

"Aber ich bin kein Säufer: Denken se das nich! Das sind immer Sachen, die ich immer so geschenkt krich. Die Flasche steht schon seit '94 da oben, nä?! Henkel von der WVG. Bei Umzug geschenkt gekricht."

Ansonsten hat die Rentnerin wenig geschenkt bekommen - im Leben. Reichtümer hatten weder sie noch ihr Mann. Aber Hauptsache die vier Kinder waren versorgt. 25 Jahre arbeitete sie zu DDR-Zeiten in einer Betriebskantine; bis zur Wende.

"Wir haben ja immer gesagt: Eine Küche können die nich zumachen. Die Leute wollen watt zu esse haben. Wir haben so Hausmannskost gemacht. Was man so isst: Kohlrouladen, Soße, Schmorgurken. Eintöpfe. Hach: Alles, was es so gab zu DDR-Zeiten. Aber die Küche war fast datt erste, watt zugemacht wurde. Das war nen bisschen schlecht. So! Dann gehen wa weiter?! (macht Tür zum Balkon auf) Soll ich Licht machen? Ich kann hier auffem Balkon auch bügeln."

Schwärmt die Frau aus dem Ostseeviertel.

"Alles is da. In dem Haus is alles drinne, was man braucht: Ärzte! Alles! Und da auf der anderen Seite ist dann Aldi. Ich hab hier zwei Minuten und da bin ick im Laden drinne. Und das is das Schöne dabei: Weil ich es ja nu auch mit de Bandscheibe zu tun habe: Da kann ich nich so weit laufen, nä?! Also, meine Schwiegertochter könnt ich immer noch umarmen, datt se datt gemacht hat."

"Wir waren bei den Vorzügen: Zunächst einmal ist es die relativ zentrale Lage."

Stimmt Klaus-Peter Adomeit in den Chor der Schwärmer ein. Er ist der Geschäftsführer der kommunalen Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft Greifswald, kurz WVG.
"Innerhalb von fünf Minuten ist man mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der Innenstadt. In fünf Minuten im Naherholungsgebiet Wieck draußen. Ich sag mal: Ist ne Eins-A-Wohnlage. Wir haben Schulen, Kindergärten. Wir haben mittlerweile auch die Montessori-Schule."

Im Ostseeviertel musste dringend was passieren!
Hat sich rasant entwickelt in den letzten zehn Jahren: das Ostseeviertel. Natürlich zum Positiven. Klaus-Peter Adomeit reckt in seinem nicht gerade klein bemessenen Büro das Kinn - und zeigt auf das Foto gegenüber von seinem Schreibtisch: Ein Bus der Greifswalder Verkehrsbetriebe ist darauf zu sehen, mit dem blass-grünen Logo der WVG. Die Linie 3 verbindet die Innenstadt mit dem Ostseeviertel. Soviel Werbung muss sein. Der Mann mit dem Faible für lila und rosa Hemden kann die Kenndaten seines "Vorzeigeviertels" wie auf Kommando abspulen: Anzahl der Wohnungen zur Wende: 2200. Bevölkerungszahl damals: 5000. Stand zehn Jahre später: Nur noch die Hälfte.

"Sehr viel Leerstände: 18 Prozent. Es wollte keiner da mehr wohnen. Von der Farbgestaltung: Tief grau. Die Infrastruktur war sehr mangelhaft."

Spätestens zur Jahrtausendwende schwante dem Geschäftsführer der WVG, die in ganz Greifswald gut 10.000 Wohnungen verwaltet: Im Ostseeviertel muss dringend etwas passieren.

"Was machen wir mit diesem Stadtviertel? Wird abgerissen? Oder versuchen wir gemeinschaftlich ne Umgestaltung?"

Zusammen mit der Stadt und dem zweiten Wohnungsträger im Ostseeviertel, der Wohnungsbau Genossenschaft Greifswald, kurz WGG, setzte sich die WVG an einen Tisch. Relativ schnell, erinnert sich der West-Import, der Anfang der 90er aus Hamburg an die Ostsee kam, seien sich alle einig gewesen: kein Komplett-Abriss. Stattdessen behutsamer Um- und Rückbau. Die Frage war nur:

"Nehmen es die Mieter an? Schaffen wir das in der Zeit? Werden die Grundrisse so aussehen, wie wir uns das auch gedacht haben?"

Gudrun Jäger, Vorstandsvorsitzende der WGG, dürfte das bekannt vorkommen.
"Am meisten Ängste sind immer dann gewesen, wenn es hieß: Du musst jetzt ausziehen!"

Waren turbulente Zeiten damals; als die verbliebenen Bewohner aus ihren alten Wohnungen raus mussten, weil die entweder renoviert oder abgerissen wurden.

"Wie schaff ich das alles? Was macht ihr jetzt? Und: Mein Kind geht hier in die Schule. Wie kriegen wir das jetzt alles geordnet? Und da haben wir zwei Kollegen da zur Verfügung...na, zur Verfügung?...die zwei Kollegen haben sich mit dem Thema sehr auseinander gesetzt und haben Hausbesuche gemacht. Und haben für jeden ein Netz gesponnen. Das hat dann auch sehr viel Vertrauen gebracht. Wenn die Menschen merken, die Genossenschaft macht mit, dann sind die auch bereit nicht nur zu sagen: Was krieg ich? Sondern dass sie sagen: Ja, ich unterstütze das."

Gudrun Jäger ist von Hause aus Psychologin. Wie Menschen ticken, muss man ihr nicht zwei Mal sagen. "Lehrerbildner" war sie vor 89, wie das im DDR-Jargon hieß. Mit der Wende verschwand nicht nur der sperrige Begriff, sondern auch ihr Job: Zu Regime-nah, lautete das Urteil der Schulverwaltung des neu gegründeten Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Einen Tag nach Weihnachten, am 27. Dezember 1990, flatterte ihr die Kündigung ins Haus. Kann sie sich immer noch drüber aufregen, die Frau, die seit 1978 Genossenschaftsmitglied ist; genau wie über den schlechten Ruf der Platte.

Gegen den schlechten Ruf der Platte angehen
"Es sind keine architektonischen Highlights gewesen. Aber es sind Wohnungen entstanden, sehr viele Wohnungen, auch unter dem politischen Ziel, allen eine zu geben. Und fast als Grundrecht auch zu begreifen. Da hat man natürlich auch unter den ökonomischen Möglichkeiten der DDR gerade auf die industrielle Bauweise gesetzt."

"Zu DDR-Zeiten hatten die Plattenbauten nen guten Ruf: Also Luft, Licht und Sonne, das eigene Bad, Warmwasser."

Ergänzt Thilo Kaiser, Leiter des Greifswalder Stadtbauamtes.

"Das sind ja nicht Dinge gewesen, die schlecht waren. Sondern das war natürlich Fortschritt zu der damaligen Zeit. Aber ist dann irgendwo in seiner Entwicklung hängen geblieben. Und dadurch sind die Gebiete gerade nach der Wende teilweise in schwierige Situationen gekommen. "

Allen voran das Ostseeviertel. Kam einiges zusammen: Das nahe gelegene Atomkraftwerk Lubmin wurde wegen gravierender Sicherheitsmängel vom Netz genommen - mit der Folge, das Tausende ihre Jobs verloren, darunter etliche Bewohner des Ostseeviertels. Zeitweise lag die Arbeitslosigkeit bei über 20 Prozent. Manche litten still vor sich hin, andere nahmen Reißaus und gingen in den Westen, wieder anderen, vorzugsweise jungen Männern, fiel nichts besseres ein, als sich über ihr Deutschsein zu definieren - und ihren Frust an Ausländern und anders Aussehenden auszulassen.

Gefahr von Rechts
Ende der 90er, erinnert sich Thilo Kaiser, stand das Ostseeviertel auf der Kippe. Eine rechte Szene, gepaart mit sozialen Problemen und Leerstand: Auf lange Sicht konnte das nicht gut gehen. Doch anders als in vergleichbaren ostdeutschen Städten wie Frankfurt an der Oder oder Hoyerswerda gaben der Leiter des Stadtbauamtes und andere in Greifswald dem Plattenbauviertel eine zweite Chance.

"Viele denken: Platte is nen starres System, da kann man nich viel mit machen. Ganz im Gegenteil: Mit denen kann man sehr viel machen."

Das ist gelungen. Das Grau ist weg, stattdessen viel Farbe. Wirkt jetzt fast wie eine Gartenstadt. "Da bist du Platte" - titelte passenderweise 2009 die FAZ - angesichts der Metamorphose des Viertels. Zwei Jahre zuvor war bereits der Deutsche Bauherrenpreis nach Greifswald gegangen - für das "C4-Quartier" im Ostseeviertel.

"Allerdings ist es jetzt so, dass es nicht mehr diese Durchmischung gibt, die es vor der Wende gab. Es ist aber tatsächlich eher ein Klientel, was älteren Jahrgangs is. Das hat aber auch mit dem demografischen Wandel was zu tun. Es hat auch damit was zu tun, dass junge Familien ja häufig doch versuchen, eher in den Altstadtbereich zu ziehen. Das heißt, die demografische Mischung, die es vorher gab, die haben wir nicht mehr."

56 Jahre alt ist heute der Durchschnittsbewohner. Das sieht man dem Viertel auch an diesem trüben Wintertag an: auf den Gehwegen fast nur ältere Kaliber. Reifere Damen in bunten Mänteln samt Ehemännern auf dem Weg zum Supermarkt. Vor dem Altersheim, das sie erst vor kurzem aufgestockt haben, stehen zwei Rollatoren. Für Manja Zander ein vertrauter Anblick.

"Als ich mich immer beworben hab für dieses Wohngebiet, war das auch immer: Jaaa?! Das wären Ältere. Wollen sie da wirklich hinziehen mit nem Kind? Es war schon immer so, als wenn mir suggeriert wurde: Sie sollen hier nich hin. Bloß keine störenden Kinder. Is eigentlich auch son bisschen schade, dass die WGG da auch drauf Wert gelegt hat, dass doch Ältere dann so hier herziehen."

Klagt die pharmazeutisch-technische Assistentin, die werktags ins benachbarte Wolgast pendelt, um dort in einer Apotheke zu arbeiten - nur um hinzuzufügen, das mit dem hohen Altersschnitt sei aber auch der einzige Wermutstropfen in ihrer "Plattenbausiedlung 2.0".

"Die Grundrisse der Wohnungen wurden sehr stark verändert, sodass die Wohnungen insgesamt größer wurden. Man hat in den anderen Neubauvierteln immer son ganz starren Grundriss, da hat ne Dreiraum-Wohnung höchstens bis 60 Quadratmeter. Und wir haben jetzt hier ne Dreiraum-Wohnung mit 85 Quadratmetern. So dass die Zimmer dann wirklich größer sind. Und: Es wurde alles modernisiert, was dann in anderen Plattenbauten auch noch nich is. Das war ausschlaggebend: Ne große Wohnung zum günstigen Genossenschaftspreis."

Schwerer Neustart
640 Euro warm zahlt die 38-Jährige an Miete. In der Altstadt hätte Manja Zander gleich ein paar Hundert Euro drauf legen müssen. Da hat sie anfangs auch gesucht, aber 800 Euro und aufwärts - das war ihr zu teuer. Und in ihrem alten Kiez, in Schönwalde, wollte sie auf keinen Fall bleiben - trotz der günstigen Miete. Die zierliche Frau geht in die Küche und macht die Balkontür auf: "Da drüben" - meint sie - und zeigt auf die hell erleuchteten Hochhäuser hinter dem Stadtpark: "Da fängt Schönwalde an". Will sie lieber nichts mehr mit zu tun haben.

"Die rechte Szene dann doch ab und zu mal aufmuckt. Und marschiert. Wir haben ziemlich dicht an dem größten Ausländerviertel dran gewohnt. Und das war dann schon unheimlich, wenn man wusste, wenn's dunkel wird, ab um sieben, achte, sich die Polizei da aufgestellt hat, um das irgendwie abzuschirmen. War's so vom Wohnen einfach nicht mehr schön. Das Dumme is, dass die Leute, die sich jetzt diese Wohnungen hier auch nicht leisten können, also wirklich die ganzen Arbeitslosen, alle drüben in das Wohngebiet gezogen haben. So dass natürlich diese Welten aufeinander prallen. Gerade ausländische Studenten wohnen da viele. Sehr viele Eingebürgerte. Und eben die ganzen, sag ich jetzt mal als blöden Ausdruck, Hartz-IV-Familien."

Luftlinie ist es nur knapp einen Kilometer vom Ostseeviertel bis nach Schönwalde - und doch liegen Welten dazwischen. Manja Zander zuckt die Schultern. Ist nun mal so. Lieber freut sie sich darüber, dass es ihr Tim, ein Schlacks von 12 Jahren, nur 200 Meter hat bis zu seiner Montessori-Schule. In der reform-orientierter Privat-Schule mangelt es an nichts. Gerade einmal 15 Schüler sind in Tims Klasse, jeder hat einen eigenen Schreibtisch. Und als Standard-Lehrmittel: Einen iPad, den Minicomputer von Apple.

"Womit wir auch viel arbeiten. Dann hatten wir heute auch gleich als erstes individuelle Lernzeit. Da hab ich die Hausaufgaben gemacht. In Französisch musste ich so einen Dialog machen. Konnte ich dann aufem iPad machen. Der Vorteil is halt, dass man zum Beispiel nicht mehr tausende Bücher braucht, sondern dass man das alles in diesem kleinen iPad drin hat. Und wir brauchen auch kein Taschenrechner mehr, das is auch in dem iPad mit drin."

Schöne, heile Welt. Tim Mutters hat lange genug darauf warten müssen: Bevor sie ins Ostseeviertel ziehen konnten, musste sich Manja Zander drei Jahre lang in Geduld üben.

"Das war wirklich mit Wartelisten. Und betteln, dass man rein kommt ins Wohngebiet. Ich war dann immer regelmäßig da. Hier in dem Hauptquartier. Und immer nachgefragt: Wie isses? Hat man ne Chance reinzukommen?"

Horrende Mietpreise in der Altstadt
Wartelisten für Plattenbauten - in Deutschland dürfte das eher die Ausnahme sein. Doch Greifswald tickt anders - nicht zuletzt, weil sich die Zahl der Studenten, die es an die altehrwürdige Universität zieht, seit 1993 verdreifacht hat. Knapp 13.000 sind es aktuell, hinzu kommen die ganzen Uni-Angestellten, die Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter. Während andere Städte speziell im Osten damit zu kämpfen haben, dass ihnen die Bevölkerung stiften geht und die, die da bleiben, immer älter werden, wächst die Hansestadt. Gut fürs Image.

Und den Säckel der Stadtväter; nicht ganz so gut für den Wohnungsmarkt - wenn man nicht gerade Immobilienmakler oder -besitzer ist: Laut dem Immobilienbericht des Bundesbauministeriums war Greifswald letztes Jahr die Stadt in Deutschland, in der die Mieten am steilsten stiegen: 10,4 Prozent betrug die Quote. Im historischen Zentrum mit seinen Barockbauten und Gründerzeitvillen erreichen die Immobilien- und Mietpreise Hamburger Verhältnisse. Natürlich kennt auch Thilo Kaiser die Zahlen. Doch anders als Bundesbauminister Ramsauer, der schon unkt, Wohnen dürfe nicht zum Luxus werden, plädiert der Leiter des Greifswalder Stadtbauamtes dafür, gelassen zu bleiben.

"Man darf nich vergessen: Welche Struktur hat hier der Wohnungsmarkt? Das, was sozusagen der Mietpreistreiber is, sind die kleinen Wohnungen. Die Ein- und Zweiraum-Wohnungen. Das hat mit den Studenten zu tun, das hat natürlich damit zu tun, dass immer mehr Single-Haushalte existieren, die kleinere Wohnungen nachsuchen. Und die sind tatsächlich sehr, sehr teuer. Bei Studenten-Wohnungen geht das hier wirklich hoch bis an 20 Euro für den Quadratmeter. Während die großen Wohnungen gerade auch in den Plattenbaugebieten eigentlich unter dem Durchschnitt liegen. Was die Mietpreise betrifft. Das is nen Handicap, das hat, glaube ich, jede Universitätsstadt."

Innenstadt von Greifswald
Innenstadt von Greifswald© AP
"Man nennt das im Neudeutschen Re-Urbanisierung"
Hinzu kommt ein weiteres Phänomen: In den letzten Jahren sind immer mehr Menschen aus dem Umland nach Greifswald gezogen. Hat Klaus-Peter Adomeit von der WVG festgestellt.

"Man nennt das im Neudeutschen Re-Urbanisierung. Das bedeutet: Die wollen wieder in die Stadt zurück. Und ich glaub auch, dass die Infrastruktur auf dem flachen Land sukzessive abgebaut wird. Das sind Beweggründe, dass Familien nach Greifswald kommen. Oder auch Single. Der Berufstätige, der in Greifswald arbeitet und nicht mehr mit seinem Fahrzeug reinfahren muss."

Wie leergefegt der Wohnungsmarkt in Greifswald ist, zeigt sich auch daran, dass selbst in eher unattraktiven Gegenden wie Schönwalde so gut wie keine Wohnung leer steht. Das gleiche Bild auch bei der kleinen Schwester des großen Ostseeviertels: Dem Gebiet auf der anderen Seite der Wolgaster Straße: Dem "Ostseeviertel Ryckseite". "Die grauen Häuser von einst sind heute nur noch vereinzelt zu erkennen", wollen die Macher der WVG-Website beobachtet haben; dementsprechend "sehr beliebt" sei das Viertel "bei Mietern und Anwohnern." Mit der Realität hat das nicht unbedingt etwas zu tun. Grau sind die allermeisten Sechs-Geschossener immer noch; grau und trostlos.

"Das is im Moment son bisschen unser Sorgenkind."

Meint denn auch Thilo Kaiser, der Mann vom Stadtbauamt.

"Es is zum Glück nich so groß, das Gebiet. Aber es is natürlich so, dass es, was Sanierung anbetrifft, noch sehr weit hinten ansteht. Es sind zwar die notwendigen Dinge in den Gebäuden gemacht worden, wie mal vielleicht Fenster ausgetauscht. Oder Elektro. Aber es ist jetzt tatsächlich keine Grundsanierung stattgefunden. Und es is im Moment so, dass aufgrund der Zahlen an Wohnungsleerständen in Greifswald - wir haben im Schnitt 3,5 Prozent - es natürlich klar is, dass diese Wohnungen gebraucht werden auch. Gerade im Moment noch für Sozial Schwache. Das muss man einfach sagen."

"Mit drüben die Seite. Ostseeviertel...was is das da?...Ryckseite. Da hab ich nachher bloß immer gedacht: Gott sei Dank biste da nich hingekommen. Es soll da ja viele Arbeitslose geben. Solche, die randalieren. Saufen und tun und machen."

Gruselt sich Hannelore Jöhling, das Frauchen von "Coco" und der "Süßen", jenseits der inoffiziellen Demarkationslinie, der Wolgaster Straße; auf der "guten" Seite des Ostseeviertels.

"Wissen se: Das is so: Wenn ich irgendwo außerhalb war, inne Stadt war, ich hab ja inne Stadt einen Arzt da: Dann komm ich hier inne Wohnung rein und steh ich aufen Flur: Hach, denk ich, is das schön, dass du hier so ne Wohnung hast."

"So! Sind wa fertig?"

Sind wa.