Eltern-Kind-Beziehung

Wie Kinder und Eltern besser mit Angst umgehen können

07:45 Minuten
Fantasie-Monster als Freund umarmt einen Jungen auf dem Sprungbrett.
Ein guter Umgang mit Angst kann eine Familie stärken, findet die Autorin Ulrike Légé. (Symbolbild) © imago / Ikon Images / Bea Crespo
Ulrike Légé im Gespräch mit Axel Rahmlow · 28.06.2021
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"Huch, die Angst ist da", heißt das Buch von Ulrike Légé und Fabian Grolimund. Die Autoren wollen einen guten Umgang mit Angst in Familien nahebringen. Ein Teil richtet sich auch an die Eltern - damit die über ihre Ängste reflektieren.
"Kinderängste sind unglaublich schwierig auszuhalten für Eltern", sagt Ulrike Legé. Sie hat mit Fabian Grolimund das Buch "Huch, die Angst ist da. Wie sich Kinder und Eltern mit ihrem Angstmonster aussöhnen können" geschrieben. Sie adressieren aber nicht nur die Angst der Kinder, sondern auch die der Eltern.

Den Umgang mit der Angst pflegen

Das Buch handelt vor allem vom Umgang mit der Angst: "Das ist unser großes Thema in dem Buch", sagt Légé. "Wenn man nämlich den Ehrgeiz hat, seine Angst besiegen zu wollen oder gar auszuschalten – wir haben ein Bild, wo jemand versucht, die Angst wegzuzappen wie mit der Fernbedienung – dann scheitern wir", sagt die Biologin und Kommunikationswissenschaftlerin. Angst fühle sich zwar nicht schön an: "Aber sie will uns etwas Wichtiges sagen – sie hat ja im Kern eine Schutzfunktion."
Das Ziel sei also ein anderes als das komplette Verschwinden der Angst: "Wenn wir uns mit unserer Angst mal ganz ruhig hinsetzen können und sagen können: ‚Hallo, du Angst, sag mal, was versuchst du mir da eigentlich geradezu sagen?‘, dann lernen wir unsere Angst besser kennen. Wir lernen uns besser kennen."

"Die Angst gehört bei uns in der Familie dazu"

Das Thema Angst sei für Eltern nicht nur schwierig, weil es schwer sei, ein Kind leiden zu sehen, sondern auch, weil Erwachsene als Kinder auch Ängste gehabt hätten – "und in den seltensten Fällen Eltern, die damit immer optimal umgegangen sind." Auch deshalb würden Eltern Sätze wie "Du musst doch keine Angst haben" genau dann hervorholen, wenn sie gestresst seien und nicht weiterwüssten.
"Eigentlich ist die Angst auch für die Eltern-Kind-Beziehung eine riesige Chance, sich näherzukommen, gemeinsam zu wachsen, sich auszutauschen und im einfachsten Sinne zu sagen: 'Die Angst gehört bei uns in der Familie dazu. Wir müssen die nicht supertoll finden, aber wir wissen, die ist da, die kommt ab und zu mal zu Besuch. Über die darf man reden." Idealiter sei klar, dass man sich weder dumm fühlen noch schämen müsse. Jeder, egal ob Groß oder Klein, könne sagen: "Ich bräuchte ein bisschen Hilfe."
Légé rät zu Geduld statt zu vermeintlichen Standardrezepten à la "Wenn Ihr Kind Angst hat, dann spulen Sie das Programm ABC ab". Die Autorin sagt: "Das geht meistens brutal nach hinten los, weil eben das einzelne Kind sich in so einem Programm gar nicht wiederfindet, sich nicht ernst genommen fühlt."
In der Zeichnung aus "Huch, die Angst ist da! Wie Kinder sie erkennen und mit ihr umgehen können" läuft ein rothaariges Kind während eines Gewitters allein durch die Felder. Die dunkle Wolke über ihr hat Augen, aus ihr kommen Blitze hervor.
In "Huch, die Angst ist da" geht es auch um die Angst vorm Gewitter.© Ulrike Légé und Fabian Grolimund
Klar könne man in manchen Situationen sagen: "Du, ich weiß, es gewittert. Wir müssen jetzt trotzdem zum Kindergarten gehen. Wir springen jetzt kurz ins Auto, das schaffen wir." Aber in anderen Momenten habe man durchaus auch die Zeit zu sagen: "Lasst uns doch noch einmal sprechen: Was genau macht denn Angst? Was geht ihr denn da so durch den Kopf, was passieren könnte? Und dann ist man in einem viel tieferen und viel spannenderen Gespräch drin."
Die Zeit, die man dafür investiere, hole man spätestens beim nächsten Gewitter wieder rein, sagt die Autorin. "Und sie lohnt sich sowieso für die sichere Bindung zum Kind." Das spüre nämlich: "Mama möchte nicht nur, dass ich funktioniere. Sie will wirklich wissen, wie es mir jetzt geht", erklärt Légé. "Und das ist am Ende die Haltung, die bei unseren Kindern dann den großen Unterschied macht."

Die Angst der Eltern

Besonders an dem Buch ist, dass es unterteilt ist in einen Kinderteil und einen Elternteil. Eigentlich hätten sie ein Kinderbuch mit Mitmach-Passagen schreiben wollen: "Und dann merkten wir beide als Eltern plötzlich, da steigen wir auf Themen ein, die etwas mit uns machen, Fragen wachrufen. Was haben wir denn so über Ängste gehört von unseren eigenen Eltern? Und warum entschlüpfen uns dann plötzlich so Sätze wie: 'Jetzt stell Dich doch nicht an!', oder 'Davor muss man doch keine Angst haben!'."
"So ist der Elternteil in seiner Wichtigkeit größer und größer geworden", berichtet Légé. Die Kernbotschaft sei: "Nur wenn ich als Elternteil mich mit meiner Angst zumindest halbwegs ausgesöhnt habe und sagen kann: ‚Ja, das ist okay: Gewisse Dinge machen mir Angst. Ich kann damit meistens gut umgehen, ich habe gute Strategien. Wenn nötig, hole ich mir da auch mal Unterstützung und Begleitung‘ – nur dann kann ich mein Kind auch gut durch die Angst begleiten."
(mfu)

Ulrike Légé und Fabian Grolimund: "Huch, die Angst ist da. Wie sich Kinder und Eltern mit ihrem Angstmonster aussöhnen können"
Hogrefe Verlag, Bern 2021
160 Seiten, 19,95 Euro

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