Elke Erb: "Sonnenklar. Gedichte"

Das Gewöhnliche als Geheimnisvolles

Sonnenuntergang mit Wolken und Sonnenflecken
Der Sonne sind wir gerade so nah wie sonst nie im Jahr. © imago/stock&people/Christian Ohde
Von Michael Opitz  · 01.04.2015
Die Schriftstellerin Elke Erb hat dieses Jahr den Anke Bennholdt-Thomsen Preis für Lyrik erhalten. Ihr neuer Gedichtband "Sonnenklar" vereint Texte aus mehr als vier Jahrzenten - die frühesten sind 1968, die jüngsten 2014 entstanden: Augenblickskorrespondenzen.
Mit "Sonnenklar" legt die 1938 in der Eifel geborene, und inzwischen in Berlin und Wuischke lebende Elke Erb ihren neuesten Gedichtband vor, der einen Einblick in das lyrische Schaffen der Autorin bietet, die in diesem Jahr mit dem Anke Bennholdt-Thomsen Preis für Lyrik der Deutschen Schillerstiftung ausgezeichnet wird. Seit sie 1975 mit dem Gedichtband "Gutachten" debütierte, kann Elke Erb auf ein umfangreiches lyrisches Werk verweisen. Ihr 1987 veröffentlichter Band "Vexierbild" erschien im Ostberliner Aufbau Verlag, "Unschuld, du Licht meiner Augen" im Göttinger Steidl Verlag und der Band "Gänsesommer" im Züricher Verlag von Urs Engeler.
Feinste Sprachfäden
Ihr neuer Gedichtband "Sonnenklar" vereint Texte aus mehr als vier Jahrzehnten - die frühesten sind 1968, die jüngsten 2014 entstanden. Dazwischen liegt die politische Zäsur von 1989, die das poetische Sprechen von Elke Erb nicht wesentlich tangiert zu haben scheint. Was Elke Erb in ihren Gedichten benennt, erfährt eine poetische Verzauberung. Zum lyrischen Zwiegespräch animieren sie ein Floh im Ohr, die Brandung der Ostsee, ein Esel im Himalaya, eine Dorfstraße irgendwo. So schwimmt etwa in dem Gedicht "Ein Gespräch in der U 8" ein Hai auf das U-Bahn fahrende lyrische Subjekt zu, das aber keine Angst, sondern Freude verspürt. Geschautes wird übertragen in feinste Sprachfäden, die sich zu Wortlandschaften verdichten. Mit wachen Sinnen wollen die so entstandenen Gedichte durchstreift werden.
Die Schriftstellerin Elke Erb
Die Schriftstellerin Elke Erb© picture alliance / dpa / Rolf Haid
Auffällig sind in dem neuen Band Gedichte, in denen das lyrische Ich in einem Zug sitzt und die in Windeseile am Abteilfenster vorbeifliegende Landschaft beobachtet. Augenblickskorrespondenzen könnte man diese Texte nennen. Ein großes, nicht abnehmendes Staunen durchzieht den lyrischen Reisebericht "Der Harz", wobei die abwechslungsreiche Landschaft zum Verweilen einlädt. Als verheißungsvolles Auf und Ab findet sich das Wechselspiel von Tälern und Hügeln in diesem Gedicht wieder, in dem es heißt: "wird man so sacht vorbeigefahren / schaut man mit Anteilnahme." Die Kunstfertigkeit dieser lyrischen Gebilde besteht darin, das im Verschwinden Begriffene, und die sich dabei nur für einen kurzen Moment einstellenden Gedanken festzuhalten. Was so zueinander in Beziehung tritt, wird von Elke Erb in eine lyrische, manchmal surreal anmutende und dann wieder in eine sich auch sehr am Realen orientierende Sprache übersetzt.
Unverwechselbare poetische Räume
Die Kunst dieser Lyrikerin besteht darin, dass es ihr gelingt, Wörter zum Tanzen zu bringen. Die direkte Konfrontation mit einem Wort genügt ihr nicht. Vielmehr umschleicht sie die Wörter, sie betrachtet sie von verschiedenen Seiten und versucht sie zum Sprechen zu bringen: "Neuerdings stutze ich immer wieder vor gewöhnlichen Wörtern", heißt es in dem Gedicht "Rückfahrt von Lana, Tirol". Elke Erbs Gedichte entwerfen eigene, ganz unverwechselbare poetische Räume, in den das vermeintlich Gewöhnliche als etwas Geheimnisvolles entdeckt wird.
Elke Erb: "Sonnenklar. Gedichte"
roughbooks Verlag, Solothurn 2015
96 Seiten, 10,00 Euro
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