Eliot Weinberger: "Die Sterne"

Himmlischer Käse, der zu Licht gequirlt wird

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Buchcover "Die Sterne" von Eliot Weinberger
„Die Sterne“ versammelt ganz verschiedene kulturelle Vorstellungen, die in irgendeiner Weise mit den leuchtenden Himmelskörpern zusammenhängen. © Deutschlandradio / Berenberg Verlag
Von Nico Bleutge · 30.08.2021
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Ganz verschiedene kulturelle Vorstellungen, die mit den Sternen zusammenhängen, sind in dem illustrierten Band versammelt. Stimmen aus antiken Mythen kommen genauso vor wie aus Weltreligionen und der Philosophie. Eine Einladung zum Sehen und Staunen.
Wer so abseitige Wesen wie die Seeziege kennenlernen will, den Dänischen Elefanten oder die Weiße-Knochen-Schlange, der muss nur nachts nach draußen gehen und den Kopf in den Nacken legen. Am Sternenhimmel sind alle diese Tiere zu entdecken. Es genügt, ein klein wenig offen für Deutungen zu sein. Dann kann sich sogar die Milchstraße in ein schlammiges Wasser verwandeln, aufgewühlt von einer Schildkröte, die über den Himmel schwimmt.

Universalgeist der US-Literatur

Eliot Weinberger ist einer der letzten großen Universalgeister der US-amerikanischen Literatur. Er schreibt assoziative Essaybände, in denen er Meditationen über die Genesis mit chinesischen Texten aus dem 11. Jahrhundert zusammenbringt.
Er geht in gedichtartigen Stücken zum Beispiel den Vogelmythen Neuseelands nach. Und er beherrscht die Kunst des politischen Kommentars, wie er zuletzt in seinem Band "Neulich in Amerika" gezeigt hat.
Was seine Arbeiten allen Unterschieden zum Trotz verbindet, ist die Lust an der Konstellation: Weinberger folgt nicht den Linien der gewöhnlichen Logik, sondern komponiert seine Bücher nach Motiven, nach Ähnlichkeiten in der Bedeutung oder Mustern aus Wiederholungen und Variationen.
"Die Sterne", wie das gerade veröffentlichte Bändchen überschrieben ist, versammelt ganz verschiedene kulturelle Vorstellungen, die in irgendeiner Weise mit den leuchtenden Himmelskörpern zusammenhängen.
König Artus ist dort zu entdecken und auch der Löwe, der in Gestalt eines Meteors aus dem Mond fiel. Stimmen aus antiken Mythen oder aus den Weltreligionen kommen genauso zu Wort wie Philosophen oder Vertreter moderner, naturwissenschaftlicher Theorien.

Weinbergers rhythmische Sprache

Dabei gelingt es Weinberger stets, seine Sätze anschaulich und beweglich zu halten, vergleichbar jenen Rädern, von denen einmal die Rede ist:
"Sie sind Verdichtungen von Luft, wobei Flammen durch die Räume
zwischen den Speichen fauchen."
Man könnte "Die Sterne" am ehesten ein Langgedicht nennen, das sich aus verschiedenen Splittern zusammensetzt. Listenartig reiht Weinberger seine Funde und Erfindungen aneinander. Eben noch sitzen die Sterne in kleinen Sesseln, schon sind sie als Liebesboten über den Himmel verstreut, bestehend "aus Atomen, / die durchs Nichts fallen".
Gegensätzliche Ideen gehören für Weinberger zum Reden und Schreiben über die Sterne ganz selbstverständlich dazu, ebenso schnelle Wechsel in Rhythmus und Satzlänge. Übersetzer Peter Torberg hat all die Töne und rhythmischen Nuancen schön im Deutschen eingefangen.

Einladung zum Sehen und Staunen

Bei einem so "gewaltigen Garten" kann es kaum ausbleiben, dass neben sehr originellen Vergleichen zu den Sternen ("Sie sind eine Art himmlischer Käse, / der zu Licht gequirlt wird") auch die eine oder andere Platitude zu finden ist ("Sie sind wunderbar").
Franziska Neubert hat das Buch mit anregenden Illustrationen versehen, die viele der Paradoxien aufnehmen und mit der Idee der Abstraktion spielen. Mal wirken die Bilder wie Scherenschnitte, mal wie Lochkarten. "Da, schau" lautet eine wiederkehrende Formulierung. Und eine Einladung zum Sehen und Staunen ist dieses Bändchen allemal.

Eliot Weinberger: "Die Sterne"
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Mit Illustrationen von Franziska Neubert
Nachwort von Michael Krüger
Berenberg Verlag, Berlin 2021
80 Seiten, 18 Euro

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