Elegant und gelöst

Von Uwe Friedrich · 19.10.2009
Gelungene Premiere: Das Publikum nahm "Siegfried" staunend und mit starkem Beifall auf. Überraschende Einfälle gab es bereits im ersten Akt.
Im Waschkeller haust der verhaltensauffällige Sprössling Siegfried mit seinem tablettenabhängigen Erziehungsberechtigten Mime. Hier wurde schon lange nicht mehr aufgeräumt, die Bruchstücke des Schwerts Nothung finden sich unter dem Bett, geschmiedet wird auf einer ramponierten Waschmaschine.

Im ersten Aufzug zeigt Regisseur Claus Guth den Nachwuchshelden als schwer erziehbaren Jugendlichen in der Spätpubertät. Das ist inzwischen auch schon wieder leicht abgeschmackte Regietheaterkonvention und provoziert nur noch wenige Buhs. Aber wie Christian Franz diese Rolle singt, das macht ihm zurzeit wohl kaum einer nach: Elegant und gelöst, wunderbar farbenreich und textverständlich.

Im zweiten Aufzug kriegt die Inszenierung einen entschiedenen Drall in Richtung Gorkis "Nachtasyl", und das tut dem bislang ziemlich mauen Hamburger "Ring" entschieden gut. Fafners Neidhöhle liegt hinter dem zerborstenen Terrariumsfenster, davor wacht der Penner Alberich.

In dieser Welt neiden die Ausgestoßenen einander das wenige, das der andere hat oder auch nur haben könnte und werden schließlich vom ahnungslosen Siegfried eher zufällig umgebracht. Danach sitzt er einsam, vollkommen unheldisch und überraschend anrührend zwischen den Leichen von Mime und Fafner. Schließlich entmachtet Siegfried noch Wotan in seiner Bibliothek und befreit Brünnhilde aus der Kellerruine der einstigen Walhall-Villa. Nun müssen die beiden allen Mut zusammennehmen, damit aus ihrer Liebe vielleicht doch noch etwas werden kann.

Simone Young dirigiert straff, kompakt und sängerfreundlich, das Orchester zeigt erst gegen Ende leichte Ermüdungserscheinungen. Ha Young Lee singt einen sensationellen Waldvogel, Peter Gaillard einen charaktervollen Mime. Einzig Falk Struckmann muss mit struppiger Höhe den Wanderer eher mutig angehen, während Catherine Foster als volltönende Brünnhilde entschieden Lust auf mehr macht.