Ekelbilder aus der Medizin

"Man hat auch eine Faszination für diese Bildwelten"

Ausschnitt aus dem Rembrandt-Gemälde Die Anatomiestunde des Dr. Tulp.
Offene Wunden und Operationen faszinieren seit Jahrhunderten viele Menschen - wie man etwa bei Rembrandts Gemälde Die Anatomiestunde des Dr. Tulp sieht. © imago / Leemage
Annekathrin Kohout im Gespräch mit Katja Bigalke · 22.09.2018
Schöne Menschen, edles Essen, schicke Wohnungen - so kennt man Instagram. Doch seit einiger Zeit gibt es auf den ersten Blick seltsam anmutende Accounts: Sie zeigen Bilder von offenen Wunden, Operationen und Organen. Was haben solche Bilder auf Instagram verloren?
Als die Kulturwissenschaftlerin Annekathrin Kohout zum ersten Mal die Bilder von offenen Wunden, inneren Organen und Operationen sah, die man seit einiger Zeit in größerer Zahl bei Instagram findet, war sie geschockt.
"Diese Bilder haben eine sehr, sehr starke Wirkung, ich würde sagen: stärker als alle Bilder, die man sonst so sieht", sagt sie. "Das Grauen, das von diesen Bildern ausgeht, entsteht dadurch, dass sie letztlich nicht wirklich bildhaft sind."
Denn es fehle an einer Bildkomposition und man sehe eigentlich immer nur Details: "die reine, offene Wunde". Betrieben würden solche Accounts von Ärzten und Pathologen. "Und auf diesen Accounts sieht man – letztlich kann man sagen – Einblicke in die Arbeitswelt dieser Personen. Und da ist natürlich dann oft ein OP-Tisch zu sehen, entsprechende offene Wunden, offene Körperteile, manchmal auch gereinigt einzelne Organe in entsprechenden Schalen."

Mehr zum Thema und Beispielfotos finden Sie auf Annekathrin Kohouts Blog "Sofrischsogut": Ekel im Bild. Chrirurgie und Autopsie auf Instagram.

Offenbar kommen diese Angebote aber nicht nur bei Medizinstudenten an: "Tatsächlich hat so ein Account zum Teil dann auch schon auch Followerzahlen im Millionenbereich und entsprechend viele Likes und Clicks und Interaktionen." Dabei gehe es dann wohl auch um Angstlust: "Man hat auch eine Faszination für diese Bildwelten, die man da sieht."

In ein Bild gefasst, lässt sich das Schreckliche ertragen

Kohout sieht diese Instagram-Accounts in gewisser Weise in der Tradition des "anatomischen Theaters" des 17. - 19. Jahrhunderts, bei dem zahlendes Publikum bei medizinischen Eingriffen zusehen durfte.
Auch in der Kunst hat das Thema Wunden und Narben Niederschlag gefunden - aber da sind die Darstellung viel erträglicher, wie Kohout meint.
"Man kann sie ansehen, weil wir wissen, dass es nicht echt ist. Es ist so ein bisschen vergleichbar mit der Theorie des Pittoresken im 19. Jahrhundert, wo auch der Gedanke dahintersteckte, dass die Natur sehr schrecklich sein kann, aber in dem Moment, wo sie in ein Bild gefasst ist, können wir sie ertragen."
(uko)