Eisschnellläuferin Victoria Stirneman

Auf den Spuren von Mama Gunda

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Victoria Stirnemann auf der Eisschnelllaufbahn bei den Deutschen Meisterschaften.
Anknüpfen an große Erfolge: Victoria Stirnemann gilt als größtes Nachwuchstalent im deutschen Eisschnelllauf. © Imago / Camera 4
Von Wolf-Sören Treusch  · 22.03.2020
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Um den Eisschnelllauf ist es still geworden. Vorerst. Denn junge Talente wecken neue Hoffnung, darunter die 17-jährige Victoria Stirnemann. Sie träumt von Olympia – ihre berühmte Mutter war schon dort.
Deutsche Eisschnelllauf-Juniorenmeisterschaften Ende Januar in Erfurt. Kraftvoll skatet die 17-jährige Victoria Stirnemann übers Eis, die langen blonden Haare unter der Mütze versteckt. Mit fünf stand sie das erste Mal auf Schlittschuhen, heute gilt sie als größtes Nachwuchstalent im deutschen Eisschnelllauf.
"Eigentlich wollten meine Eltern das gar nicht, dass ich das mache, aber dann war meine Mama beim Training und mein Papa und ich haben sie zusammen abgeholt, und zu der Zeit waren ganz viele kleine Kinder auf dem Eis, und ich habe die gesehen und habe dann gefragt, warum ich das denn nicht darf. Und dann konnten sie mich nicht mehr aufhalten."
Vorher hatte sie Judo ausprobiert. Das fanden ihre Eltern passender. Weil Victoria jedoch immer nur mit ihrer besten Freundin kämpfen wollte, nie mit den anderen, erwies sich dieser Sport schnell als Sackgasse. Stattdessen interessierte sie sich fürs Eisschnelllaufen. Zweifel kamen ihr nie.
Porträt von Victoria Stirnemann, im Hintergrund die Eislaufhalle.
Seit ihrer Kindheit interessiert sich Stirnemann für das Eisschnelllaufen – obwohl ihre Eltern nicht begeistert waren. Heute träumt die 17-Jährige von Olympia.© Wolf-Sören Treusch
"Also, das war immer das, was ich machen wollte, und jetzt bin ich auch bei der Bundespolizei und es ist nach wie vor mein Traum, gut zu werden. Ich möchte auf jeden Fall weitermachen, und natürlich ist mein Traum auch Olympia irgendwann."

Olympialuft schnuppern in den Alpen

Victoria ist die Tochter von Eisschnelllauf-Legende Gunda Niemann-Stirnemann. Acht Medaillen bei Olympia, darunter drei Mal Gold, und 19 WM-Titel hat die Mutter gewonnen. Die Tochter belegt seit Jahren Spitzenplätze in ihrer jeweiligen Altersklasse – international wie national. In Erfurt wird sie deutsche Meisterin im Mehrkampf und über 1.500 Meter.
Im Januar nahm die 17-Jährige auch an den Olympischen Jugend-Winterspielen teil. Auf der Natureisbahn im schweizerischen St. Moritz. Bei strahlendem Sonnenschein vor traumhafter Alpenkulisse.
"Ja, das war richtig cool. Da habe ich mich auch total darauf gefreut gehabt die ganze Zeit, und das habe ich auch als Saisonhöhepunkt ausgelegt gehabt, dass ich da in Topform sein wollte, und das war ich, und ja, mit den anderen Kulturen, die anderen Nationen kennen zu lernen und einfach auch mit den Sportlern das zusammen zu erleben, war schon einzigartig und macht auf jeden Fall Lust auf mehr."

Gute Gene von der erfolreichen Mutter

Bei großen Meisterschaften immer mit dabei: Gunda Niemann-Stirnemann. Die Mutter ist auch ihre Trainerin. Der Vergleich mit ihr wird Victoria in den kommenden Jahren begleiten. Unter Druck gesetzt fühlt sie sich dadurch allerdings nicht.
"Es ist natürlich was Schönes zu wissen, dass sie die Erfolgreichste von allen war, und natürlich möchte man sich mit den Besten messen, und dann ist das schon was Schönes, sie zu Hause zu haben, ja, und niemand weiß besser als sie, wie es ist, an der Weltspitze zu sein und wie man dahin kommt und da ist es schon, ich denke, ein Vorteil, so jemanden zu Hause zu haben."
Gunda Niemann-Stirnemann zeigt ihre Olympiamedaille.
Gunda Niemann-Stirnemann holte 1992 in Albertville die Olympiamedaille im Eisschnelllaufen.© Imago / Laci Perenyi
Gunda Niemann-Stirnemann trainiert ihre Tochter nicht allein. Am Bundesstützpunkt in Erfurt kümmert sie sich zurzeit um 16 Athletinnen und Athleten im A- und B-Juniorenbereich. ‚Gunda Gnadenlos’ lautete ihr Spitzname früher – wegen der knallharten Übungseinheiten, die sie absolvierte. Heute sei das nicht mehr zeitgemäß, bedauert sie.

Auch Ehrgeiz ist vererbbar

"Ich war gnadenlos zu mir selber. Nie gegenüber den anderen, weil ich finde, auch meine Sportler jetzt oder die deutschen Sportler allgemein: sie entscheiden für sich selbst. Will ich mir das antun oder nicht? Möchte ich diesen Leistungssport? Ich selber war dankbar, dass ich einen Trainer hatte, der mich getrieben hat, der gesagt hat, ‚schlaf nicht ein, es geht immer weiter’, das ist für mich ganz wichtig gewesen, und ich selber war einfach motiviert.
Ich wollte immer gut sein, ich wollte schön aussehen beim Eislaufen, ich wollte das lernen, weil ich erst mit 17 begonnen habe, es steckte permanenter Ehrgeiz in mir drinne, und da freue ich mich, wenn ich die Sportler dabei erwische, wenn sie das auch haben."
Victoria habe diesen Ehrgeiz, findet Gunda Niemann-Stirnemann. Ansonsten versucht die Mutter, sich aus der Karriereplanung ihrer Tochter weitgehend herauszuhalten.
"Ahh, die sind alle noch so jung, dass sie gerade in dieser Phase, jetzt mit 17, dass sie da für sich entscheiden: ‚will ich das oder will ich das nicht’?"
Victoria Stirnemann will: sie hat sich für den Leistungssport entschieden. Sie liebt die Fliehkräfte in den Kurven, den Rausch der Geschwindigkeit. Kurzum: das Eisschnelllaufen.
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