Einzigartige bayerische Enzyklopädien

27.05.2011
Das Münchner Label Trikont hat in Archiven gegraben und einen reichen Schatz an bayerischen Liedern zutage gefördert, den es unter dem Titel "Stimmen Bayerns" zu Gehör bringt. Die ersten beiden CDs der Anthologie sind gerade erschienen.
"Und Annamierl hat aufg‘macht und der Föhnwind hat g‘lacht
Hollajodrio - und der Föhnwind hat g‘lacht
Und Annamierl hat a Freid g‘habt gestern auf d‘Nacht
Hollajodrio - gestern auf d‘Nacht"


Die Annamierl hat da nur allzu gern ihren fensterlnden Freier erhört - und die in jeder Hinsicht gewichtige Volkssängerin Bally Prell hat das auf ihre unnachahmliche Weise besungen. Die Liebe - gegen den Strich aller möglichen sentimentalen Erwartungen gebürstet - ist das Thema dieser CD. Lieder und Songs bayerischer Bands sind darin versammelt, ein Gedicht von Franz Xaver Kroetz, eine Kurzgeschichte von Ödön von Horvath, Helmut Fischer als "Monaco Franze". Die Stimmen von Josef Bierbichler und Walter Sedlmayer. Kabarett-Pretiosen von Gerhard Polt und Karl Valentin:

"A andrer Mann geht auf d‘Nacht in sein Wirtshaus und kommt in der Früh heim
Aber des is Dir ja alles fremd
Du fühlst Dich ja nur am häuslichen Herd glücklich
Du hockst ja auch lieber daheim bei mir"


Ehestreit verkehrt herum. Man lauscht und staunt und freut sich über die überraschenden literarischen und musikalischen Entdeckungen, die die Liebe zur Heimat und ihrer Sprache hörbar machen. Das äußert sich hier weniger im Dialekt - das natürlich auch, sondern vielmehr in dem, wie sich das bayerische Gemüt zum Beispiel in den vertrauten Stimmen populärer Sprecher manifestiert, die hier jedes Kind aus dem Rundfunk kennt:

"Liegst Du erst drin im Ehebett recht schmal
Er zieht sich aus, behaglich grunzt er
Er lasst an Schoaß und nachher brunst er
Dein Ideal, Dein Herr Gemahl!"


Gustl Bayrhammer mit einem Text von Ludwig Thoma. Da geht - nicht nur -dem Einheimischen das Herz auf! Neben dem Altvorderen hat auch die bayerische Moderne ihren Platz, in Gestalt der Performance-Künstlerin Ruth Geiersberger oder des bekannten Regisseurs Markus H. Rosenmüller mit seinem Song aus dem Film "Wer früher stirbt, ist länger tot":

"Ich werde Dir zeigen, wie man wieder Hoffnung schöpft
Oder wie man praktisch eine Bierflasche köpft
Drum bleiben Sie hier, ich fleh Sie an, liebes Kind,
Ich bin der Mann, für den Sie wichtig sind"


Die Mischung macht's. Auch beim Hörbuch "Der Tod". Dem begegnet man in Bayern eher mit Humor, frommer Gelassenheit oder mit einem gewissen Trotz. Und so hat man auch am "Tod" seine stille Freud‘: Bei Franz von Kobells Erfolgsstück "Brandner Kapar", einer Filmszene von Herbert Achternbusch genauso wie bei Herbert Regele, dem Volksschullehrer und Schriftsteller:

"I wui net
Nanana, i stirb net
I stirb nia
I ko net sterbn
mi dawischt der Dod net
I kimm eam aus"


Auch über den Tod haben sich die unterschiedlichsten Künstler Gedanken gemacht, von Martin Sperr und der Kabarettistin Luise Kinseher bis hin zu dem "Sprachsteller" Gerhard Polt:

"Des is doch eine Gemeinheit
Wenn da ständig behauptet wird, dass in meinem Restaurant
die Gäste bloß a so wegsterbn
Is halt amal oana gstorb‘n - net?"


Und er darf auf keinen Fall fehlen: der ehemalige Arzt Georg Ringsgwandl mit seinem "Nix mitnehma" - längst ein Klassiker des Rock-Kabarettisten:

"Hej, Du kannst Experte sei für Panzer oder Flak
Oder drahst jedn Pfenning um, bist a geizigs Gnack
Hej Du kannst im Superschwergwicht Boxweltmoasta sein
Oder hast an Würschtelstand draust in Berg am Laim
Den derfst Du net mitnehma"


"Die Liebe" und "Der Tod" - eine einzigartige bayerische Enzyklopädie: amüsant, anrührend und komisch - ein Genuss für‘s Ohr!

"Auffi g‘stiegn
Obi g‘foin
Hi gwes‘n"


Besprochen von Sigrid Menzinger

Stimmen Bayerns: Die Liebe
1 CD, 67,15 Minuten
Trikont, München 2011

Stimmen Bayerns: Der Tod
1 CD, 76,15 Minuten
Trikont, München 2011