Einzelkämpfer Crowdworker

Der schwierige Weg zu besseren Arbeitsbedingungen

Ein Mann konzentriert sich auf einen leuchtenden Computer verbunden mit wirren Leitungen.
Jeder klickt für sich allein: Etwa eine Million Crowdworker gibt es in Deutschland, schätzt Verdi. © Illustration: imago / Gary Waters
Von Anna Seibt · 06.03.2018
Crowdworker erledigen schnelle Klickarbeiten im Netz. Nennenswerte Erträge erwirtschaften damit nur wenige - die Honorare liegen oft im niedrigen Centbereich. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der digitalen Einzelkämpfer ist vorerst nicht in Sicht.
"So, ich bin jetzt mal an der Oberfläche. Und da wird mein Name angezeigt: 'Hallo Frank Wegner' und jetzt sehe ich hier so eine Reihe von Aufträgen, die ich abarbeiten könnte. 20 Cent pro Auftrag. Also, selbst wenn ich den in fünf Sekunden erledige, ist das ein sehr lausiger Stundenlohn, der dabei herauskommt."
Frank Wegner sitzt im Flur seiner Berliner Dachgeschosswohnung. Hier hat er sich eine Arbeitsecke eingerichtet. Stuhl, Tisch, Computer. Mehr braucht er nicht. Der 59-Jährige ist studierter Wirtschaftswissenschaftler. Inzwischen arbeitet er freiberuflich als Internet-Dienstleister. Webdesign, Beratung von Online-Shops und eben Crowdwork. So wird die Arbeit auf Online-Plattformen bezeichnet.

Aufträge bringen meist nur Cent-Beträge

Dort registrierte Nutzer bekommen Arbeitsaufträge angeboten, für deren erfolgreiche Bearbeitung sie Geld erhalten. Meistens sind das Cent-Beträge. Selten mehrere Euro:
"Das ist jetzt für mich nicht so transparent, wer jetzt die Vergütung festlegt."
Die Auftraggeber kennt Wegner nicht. Manchmal muss er die Farbe von abfotografierten Schuhen bestimmen, manchmal Fragebögen ausfüllen oder Texte korrigieren. Eigentlich heißt Wegner anders. Da er aber für viele verschiedene Arbeitgeber arbeitet, möchte er seinen richtigen Namen nicht im Radio hören. Crowdworking – ein Stigma?

Kein nennenswerter Anteil des Einkommens

Schätzungen der Gewerkschaft verdi zufolge gibt es etwa 1 Millionen Crowdworker in Deutschland. Nur etwa 300 000 sind aber wirklich auf den Plattformen regelmäßig aktiv, sagt Sarah Bormann.* Sie betreut eine Verdi-Homepage, die sich speziell an Crowdworker richtet:
"Man sieht schon, dass die Zahlen steigend sind. Dass es zunimmt, dass immer mehr Unternehmen Interesse daran haben, mit der Crowd zusammen zu arbeiten.
Und das andere ist, dass wir schon auch sehen, dass bei unseren Selbstständigen auch eine gewisse Unzufriedenheit herrscht mit der Arbeit auf diesen Plattformen. Nicht grundsätzlich, aber dass sie doch sagen, da besteht die Gefahr, dass ein ziemlich starker Dumpingwettlauf losgetreten wird. Und deswegen ist das für uns ein wichtiges Thema. Wir wollen ja gute Arbeitsbedingungen."

Intransparente Vergütung

Auch Frank Wegner gefällt vieles an der Plattformarbeit nicht. Manchmal wird seine Arbeit abgelehnt und er bekommt gar kein Geld für eine Aufgabe – ohne, dass ihm mitgeteilt wird, wo der Fehler lag.
Einen Überblick darüber, wie viel Aufträge er für welches Honorar erledigt hat, hat er sowieso nicht und manchmal dauert es monatelang, bevor ein Auftrag geprüft und vergütet wird. Dennoch hat er kein Interesse an der Hilfe von Gewerkschaften.
Dafür sei ihm die Arbeit nicht wichtig genug:
"Wenn das jemand nur als vage Verdienstmöglichkeit sieht, dann ist die Interessenslage vielleicht auch nicht so stark, bei dem Einzelnen sich da jetzt zu engagieren. Und ich hab auch gar keine Vorstellung, wie das sein könnte."

Gewerkschaften ohne Vision

Eine genaue Vorstellung oder gar Vision scheint auch den Gewerkschaften zu fehlen. Vielleicht müssen sie auch ihre eigene Rolle neu denken, meint Ayad Al-Ani. Er forscht am Alexander von Humbodt Institut für Internet und Gesellschaft. Vor zwei Jahren hat er für Verdi eine Umfrage unter Crowdworkern durchgeführt:
"Und da war schon auch interessant zu sehen, dass der überwiegende Teil durchaus die Unterstützung einer Gewerkschaft in Anspruch nehmen würde. Allerdings nicht, um sie zu organisieren. Die Crowdworker haben durchaus das Gefühl, mit den sozialen Medien, die sie an der Hand haben, in der Lage zu sein, sich selbst zu mobilisieren, was natürlich etwas ist, was für eine Gewerkschaft extrem problematisch ist.
Die Crowdworker würden sich Gewerkschaften eher als Beratungsstelle wünschen, zum Beispiel wenn es um rechtliche Fragen geht. Allerdings, räumt Al-Ani ein, würden sie ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation auch überschätzen. Gewerkschaften sollten deshalb bereits bestehende Organisationsbestrebungen, zum Beispiel in Internetforen, aufgreifen.

Engagement der Crowdworker nötig

Gewerkschaften könnten auch enger mit den Plattformen zusammenarbeiten, beratende Funktion einnehmen und sich so für arbeitnehmerfreundlichere Arbeitsbedingungen einsetzen, schlägt Al-Ani vor. Sarah Bormann von Verdi kann sich das aber kaum vorstellen:
"Dass wir wirklich soweit gehen, sozusagen als Consultant da aktiv reinzugehen. Da bin ich ein bisschen skeptisch, ob das unsere Rolle als Gewerkschaften wirklich ist und da bin ich auch nicht sicher, ob die Plattformen sich da so stark reinreden lassen wollen."
Für bessere Arbeitsbedingungen bräuchte es in erster Linie das Engagement der Crowdworker selbst. Doch kann bei der individualisierten Bildschirmarbeit jemals ein Gefühl von Zusammengehörigkeit entstehen? Oder heißt es doch eher: Arbeitersolidärität adieu - in der Crowd klickt jeder allein.
*Wir haben an dieser Stelle ein Zitat von Sarah Bormann von verdi korrigiert.
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