Einst radikal, heute Common Sense

Von Andreas Baum · 21.01.2010
Ausgerechnet von der schwarz-gelben Koalition kam das größte Geburtstagsgeschenk. Nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel, auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sind heute unumwunden für die Einführung einer Steuer für Geschäfte an der Börse und andere finanzielle Transaktionen: die Forderung nach dieser, der sogenannten Tobin-Steuer war einer der Gründe, warum "attac" vor zehn Jahren gegründet wurde.
Was nach Angriff klingt ist die französische Abkürzung für eben diesen Vorschlag, die Besteuerung von Börsengewinnen zum Nutzen der Bürger. Globalisierungskritiker wurden sie Anfangs genannt – in der Absicht, sie zu diskreditieren, sagen die "attac"-ler selbst, wie Sven Giegold, Aktivist der ersten Stunde.

"Globalisierung ist eben kein Naturereignis, sondern von Menschen gemacht, durch politische Regeln. Die Zölle wurden abgesenkt, die Grenzen für Finanzen wurden aufgemacht, durch politische Entscheidungen. Das ist nicht aus dem Internet auf uns herabgefallen, und von daher kann man sehr wohl sagen, dass diese Form von Globalisierung gemacht wurde, folglich auch verändert werden kann."

"attac" Deutschland wurde im Januar 2000 nach französischem Vorbild gegründet, anfangs waren es nur ein paar hundert Mitglieder, stets dem Verdacht des politischen Extremismus ausgesetzt. Heute ist "attac" mitten in der Gesellschaft angekommen. Weltweit hat die Organisation 90.000 Mitglieder, 22.000 allein in Deutschland, seit 2007 gehört auch Heiner Geißler dazu, einst war er Generalsekretär der CDU.

"'attac' ist ein Netzwerk, das richtige Ziele vertritt, nicht die Abschaffung der Globalisierung, sondern die humane Gestaltung des Globalisierungsprozesses. Das Kapital beherrscht die Menschen und die Menschen haben den Kapitalinteressen zu dienen. Das ist der eigentlich gefährliche Fundamentalismus, aus dem heraus der andere Fundamentalismus natürlich gespeist wird."

"attac" ist streng basisdemokratisch organisiert und hat seine Forderungen erweitert: nicht mehr nur auf den Finanzmärkten, auf dem Welthandel insgesamt soll es gerechter zugehen. Weitere Themen sind die Ökologie, der Frieden und Bildung, Migration und Demokratie im Allgemeinen. Kaum ein Feld, auf dem Welt besser werden könnte, wird ausgelassen – und heutzutage tragen Politiker fast jeder Couleur "attac"-Forderungen vor sich her. Was einst radikal war, ist common sense geworden. Weshalb die Bewegung auch darüber klagt, dass sie es nicht mehr in die Schlagzeilen schafft – böse Zungen behaupten sogar, dass das Netzwerk seine Aufgabe erfüllt hat und sich eigentlich abschaffen müsste.
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