Einsamer Wolf und kroatischer Papa

Von Bettina Ritter · 04.12.2007
Man kennt sein markantes Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den ernsten, dunklen Augen: Der Schauspieler Stipe Erceg spielte zum Beispiel neben Daniel Brühl und Julia Jentsch in "Die fetten Jahre sind vorbei". Im Film gibt er oft den geheimnisvollen, stillen Mann. Privat lebt er eher bedächtig mit Frau und zwei Kindern in Berlin.
Stipe Erceq (auf kroatisch): "Ich heiße Stipe Erceg und komme aus Split."

Kroatisch - das ist Stipe Ercegs Muttersprache. Zwar lebt er seit fast 30 Jahren in Deutschland, doch sein Herz schlägt noch immer für seine Heimat Kroatien. Und deren Fußballmannschaft.

"Ja, da kommen mir die Tränen, wenn sie verlieren. (lacht) Wobei die so grausam schlecht spielen in letzter Zeit. Na ja."

Gelöst und entspannt - so wirkt Stipe Erceg selten. Meist ist der fast 1,90 Meter große Schauspieler ernst und zurückhaltend. Den Oberkörper vorgebeugt, die Hände fest ineinander verschränkt, so sitzt der 33-Jährige in einem Berliner Hotel. Bevor er etwas sagt, überlegt er lang.

Den stillen, geheimnisvollen Mann mit den undurchdringlichen, dunklen Augen gibt er oft auch in seinen Filmen. Die Rollen müssten immer etwas mit ihm selbst zu tun haben, sagt er. In seinem neuen Film "Nichts als Gespenster" spielt er den Schwarm einer jungen Frau, der schamlos eine Affäre mit deren bester Freundin anfängt.

Filmausschnitt:
Erceg: "So was wie dich hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen."
Frau: lacht
Erceg: "Bist du die, für die ich dich halte?"
Frau: "Ich weiß nicht."
Erceg: "Doch, du weißt."

Stipe Erceg: "Mir ist die Figur sympathisch, sonst könnte ich sie nicht spielen. Was mir sympathisch ist, ist diese Einsamkeit, die er lebt und irgendwie auch diese Konsequenz, diese Unmöglichkeit von Bindung und Partnerschaft, dass er sich letztendlich selbst irgendwo verletzt und weh tut und weiterhin in seiner Einsamkeit lebt. Das gefällt mir irgendwie."

Auf der Leinwand ist Stipe Erceg gern der einsame Wolf. Unabhängig, unnahbar und wild. Mit seinen zerzausten dunklen Haaren, dem Kinnbart und der selbst gedrehten Zigarette nimmt man ihm diese Rolle auch privat sofort ab. Dabei ist er verheiratet, lebt mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern in Berlin. Genervt runzelt er die Stirn, wenn sein Familienstand als etwas Besonderes dargestellt wird.

"Ich hab neulich einen Bericht gelesen über die Väter am Helmholzplatz, und das ist auf einmal so ein Riesen-Thema. Die ganzen jungen Männer ... Aber so jung sind wir gar nicht mehr. Unsere Väter waren mit 24 schon Väter und die Mütter mit 21 schon Mütter. Das ist so, als wäre das etwas Exklusives, was ganz Besonderes. Wenn man begreift, dass es eigentlich das Normalste ist, ja."

Geboren wird Stipe Erceg im kroatischen Split. Als er fünf ist, ziehen seine Eltern mit ihm und seiner Schwester nach Tübingen. Der Vater ist Kraftfahrer, die Mutter Krankenschwester. Gastarbeiter-Alltag. Stipe Erceg lernt Schwäbisch und Fußballspielen. Wie viele Jungen will er Profi werden, aber es kommt anders. Eine Freundin überredet ihn - der bisher nichts mit Theater am Hut hatte - sich bei einer Schauspielschule zu bewerben. Der 22-Jährige ist sofort begeistert.

"Ich hab da dann so 'nen Workshop besucht, und hab mir gedacht: Mein Gott, das ist ja wie Fußball. (lacht) Das war sehr physisch. Man hat gefochten, Akrobatik. Das hat mich total gepackt und fasziniert. Und auch zu spielen, weil man im Leben eh immer spielt, und plötzlich kann man das so zum Beruf machen. Fand ich auch spannend."

Noch während seiner Ausbildung wird Ercegs ausdrucksstarkes Gesicht schnell für die Leinwand entdeckt. Nach Kurzfilmen kommt 2003 der Durchbruch. Im Fernsehfilm "Yugotrip" spielt er einen bosnischen Flüchtling und bekommt dafür den Max-Ophüls-Nachwuchsdarstellerpreis. Im selben Jahr dreht er seinen bisher größten Erfolg, "Die fetten Jahre sind vorbei" an der Seite von Daniel Brühl. Die Anfragen, einen Ex-Jugoslawen zu spielen, nehmen ab, sagt der Kroate lächelnd.

"Vielleicht ist der ehemalige Jugoslawe nicht mehr interessant genug. Jetzt müsste man wahrscheinlich Araber sein. (lacht) Also, ich sehe das nicht als Hindernis und fühle mich da auch nicht in ne Schublade gesteckt."

Mindestens einmal im Jahr fährt Erceg nach Kroatien. Seine Eltern leben inzwischen wieder dort. Zu Zeiten des Bürgerkriegs Anfang der 90er Jahre, reist er regelmäßig in die Heimat. Als 16-Jähriger sieht er den Krieg als Abenteuer - andauernd Stromausfall, militärische Kontrollen und nur zwei Stunden Wasser am Tag, erzählt er kopfschüttelnd.

"Und das hat mir der Krieg gezeigt, dass es kein Gesetz mehr gibt, dass im Prinzip Faustrecht gilt. Das fand ich auch interessant, was mit Menschen passiert, wenn es über ihm niemanden gibt, der sein Leben regelt oder eine ganze Gesellschaft regelt und der Stärkere das Recht auf seiner Seite hat."

Psychologische Extremsituationen interessieren Stipe Erceg. Er hat ein Drehbuch geschrieben über einen jungen Mann, der nicht mehr aktiv am Leben teilnimmt. Für Schauspieler sei es heute wichtig, sich auch in anderen Feldern des Films und Theaters zu profilieren, meint er. Sein großer Traum? Die Verfilmung der Biografie des Erfinders Nikola Tesla. Ein Kroate übrigens. Seine Herkunft lässt Stipe Erceg auch beruflich einfach nicht los.
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