Einsamer Cowboy

Von Michael Groth · 05.11.2011
Er starb, bevor er 30 wurde. Als er in der Silvesternacht 1952/53, der Nacht auf dem Rücksitz seines Wagens einschlief und nicht mehr aufwachte, war Hank Williams längst Legende. Williams verließ die High School 1939 ohne Abschluss. Er gründete die Drifting Cowboys, die Band, die ihn bis zum Ende begleiten sollte.
In seinen Songs beschrieb Williams sein aufgewühltes Leben: eine stürmische Ehe, Alkohol- und Rückenprobleme. Seine Hits - "Lovesick Blues" aus dem Jahr 1949 zum Beispiel - waren nicht nur bei den Anhängern der Countrymusic gefragt. In nur zwei Jahren eroberte der Mann aus Montgomery, Alabama, auch die Charts der Popmusik.

Es war aber nicht nur die Musik, die Tausende in seine Konzerte lockte. Hank Williams kreierte einen neuen Stil. In maßgeschneiderten Anzügen präsentierte er seine Lieder moderner als dies bislang in der Szene üblich war. Ein kleiner Hüftschwung, ein Lächeln, eine Anzüglichkeit - für das amerikanische Publikum nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine erfrischende Novität.

Musikalisch bereitete Williams den Weg für berühmte Nachfolger: von Johnny Cash über Willie Nelson bis zu Bob Dylan. Dabei blieb die Musikalität auch in der Familie. Sohn Hank Jr. ist ein bekannter Countrysänger und Produzent, Enkelin Holly wird als Singer/Songwriterin gelobt, und wer Enkel Hank III auf der Bühne erlebt, hört Punk wie Country in einem Konzert.

Die "Lange Nacht" erzählt von einem tragischen und zugleich erfüllten Leben. Kleine Geschichten über einen großen Musiker. Geschichten, die anrühren, Geschichten, die Musikgeschichte schrieben. Sie umrahmen das Wichtigste: unsterbliche Songs aus der Feder von Hank Williams.

Präsentiert von Williams und seiner Band und von Künstlern, die seine Musik spielen - bis zum heutigen Tag.

hankwilliams.com

Hank Williams (Wikipedia)

The Hank Williams Museum


Auszug aus dem Manuskript

"Freunde und Nachbarn. Die Welt der Folkmusic hat heute einen ihrer größten Künstler verloren. Kurz nach eins kam am Mittag die Meldung über den Fernschreiber. Sie kam aus Oak Hill, West Virginia."

"Der Hillbilly-Sänger und Komponist Hank Williams starb am frühen Morgen", hieß es dort. "Vermutlich an einem Herzanfall. Er war auf dem Weg zu einem Auftritt in Canton, Ohio. Sein Fahrer Charles Carr gab an, Williams sei gestorben, kurz, nachdem er Oak Hill verlassen hatte."

Es ist kalt und dunkel in dieser Nacht der Jahreswende 1952/53. Schnee und Eisregen in Tennessee, Kentucky und Virginia. Der Cadillac kommt nicht so schnell voran, wie die Insassen es wünschen. Alles andere als ein Routinetrip. Trotzdem läuft eigentlich alles gut: zunächst jedenfalls.

"Bis wir nach Oak Hill kamen, war alles wie immer", erinnert sich Charles Carr, der Fahrer.

"Hank trug seinen Mantel, dazu hatte er noch eine Decke übergelegt. Ich dachte, er schlief. Die Decke war runtergerutscht. Ich hielt an, um ihn wieder zuzudecken. Hank ließ das ohne jede Reaktion geschehen. Da dachte ich schon: Hier stimmt was nicht. Zum Glück fand ich diese Tankstelle, die noch offen war. Der Tankwart blickte in den Wagen, dann zu mir - und er sagte: Sie haben da ein Problem. Er ist tot."

Einer der größten Stars der Countrymusic ist tot. Gerade 29 Jahre ist er. Einer, der trotz seiner jungen Jahre Höhen und Tiefen erlebt, die in jahrzehntelange Musikerleben passen.
An Hank Williams wollen wir in dieser Langen Nacht erinnern, an seine Siege und Niederlagen. An sein künstlerisches Vermächtnis, das die Countrymusic bis heute prägt, vor allem aber, natürlich, an seine Musik.

"Am Samstag kam der Leichnam hier an. Am Abend konnten sich die Menschen dann von ihm verabschieden. Er war aufgebahrt - und Tausende kamen. Dann brachten Sie den Sarg ins Auditorium von Montgomery. Da passten damals so etwa 2.700 Leute rein. Zum Begräbnis kamen dann 25.000. Das war die größte Versammlung, die die Stadt erlebte, seit Jefferson Davis hier seinem Amtseid als Präsident der Südstaaten leistete."

sagt Beth Perry, Chefin des kleinen aber feinen Hank-Williams-Museums in Montgomery, Alabama.

In den Südstaaten hat der Sänger bis heute seine treuesten Fans. Aubrey Preston, Impressario, Musiker und so etwas wie der inoffizielle Hank Williams Archivar, weiß warum:

Aubrey Preston: "Natürlich gab es Countrymusic, bevor Hank die Bühne betrat. Aber Hank war der Erste, der seinen Körper einsetzte. Wenn Du Dir die alten Videos anschaust: er bewegt die Beine, er swingt, das alles gab es bislang in Konzerten nicht. Die Lieder bestanden in der Regel aus drei Akkorden. Viele Rockmusiker haben das später übernommen. Und viele wissen heute nicht mehr, woher diese Songs stammen."

Der Weg von Hank Williams über Elvis Presley bis zu Mick Jagger ist nicht zu übersehen: musikalische Vorbilder für Generationen. Die junge Singer/Songschreiberin Holly Williams ist Hanks Enkelin. Die Spuren des Großvaters sind deutlich, sagt sie:
"So ziemlich jeder wurde irgendwie durch Hanks Musik beeinflusst. Er war authentisch - so etwas ist heute selten. Die Leute nennen ihn den "Hillbilly Shakespeare". Er war ein Cowboy, aber er schrieb nicht nur Cowboy-Songs. Er schrieb über Herz und Schmerz und Emotionen."

Soeren Gl. Mosdal
Hank Williams - Lost Highway
Comics
2011 Edition Moderne
Soeren Mosdal rankt seine Geschichte um die letzten Stunden des Musikers, der bei einer Polizeikontrolle tot in dem Auto aufgefunden wurde, das ihn zu einem Auftritt in Canton, Ohio bringen sollte. Einige Seiten aus dem Innenteil der Erzählung lassen sich nun online lesen.

In der Silvesternacht des Jahres 1952 schleudert und schliddert ein Cadillac durch das Schneetreiben in den Hügeln zwischen Tennessee und West Virginia. Auf dem Rücksitz dämmert Countrymusiker Hank Williams vor sich hin, am Steuer sitzt Charles Carr, ein 19-jähriger Student.

Als der Wagen den Ort Oak Hill erreicht, lebt Williams nicht mehr. Doch die Fahrt dorthin verläuft alles andere als geruhsam, und dies nicht nur wegen des Schnees, denn bevor Williams sein Leben aushaucht, tauchen die Geister seiner Vergangenheit auf. Ruppige Geister, schwer gezeichnet von einem unsteten Leben auf dem Lost Highway.


Colin Escot, George Mwrritt; William McEwen
Hank Williams
Das Leben einer Country-Legende.

1996 Hannibal
Hank Williams - Begründer der Country Music - starb erst 29-jährig am 1. Januar 1953. Sieben Jahre zuvor war er aber dank seines unnachahmlichen Stils bereits zu Legende geworden und ist bis heute ein musikalisches Phänomen geblieben.
Diese fesselnde, sorgfältig erarbeitete Biografie enthüllt nun erstmals unbekannte Details und gilt seit ihrem Erscheinen als das maßgebende Porträt.

Steve Earle
I'll Never Get Out of This World Alive
2011 Blessing
Ein Roman voller uralter Weisheiten und unvergesslicher Figuren, bittersüß wie ein Countrysong
Doc war einmal ein erfolgreicher Arzt, jetzt schlägt er sich ohne Zulassung in San Antonio, Texas, mit illegalen Abtreibungen durch. Seit sein enger Freund und berühmtester Patient Hank Williams, der größte Countrymusiker aller Zeiten, mit einer Mischung aus Alkohol und Morphium im Blut auf dem Rücksitz seines Cadillacs aus dem Leben glitt, plagen Doc schwere Schuldgefühle und ein hartnäckiger Begleiter: Hanks zänkischer und ruheloser Geist, der ständig seine ungeteilte Aufmerksamkeit fordert.
Als das Mädchen Graciela in Docs Leben tritt, ist Hank also überhaupt nicht begeistert. Zudem passieren, seit sie da ist, seltsame Dinge: Prostituierte, die zu Docs besten Kundinnen gehören, geben ihren Beruf auf, Wunden heilen wie von selbst. Doch damit wird Doc mehr öffentliches Interesse zuteil, als er sich wünschen kann ...
I'll Never Get Out of This World Alive ist ein so ergreifender wie komischer Roman, und die außergewöhnliche Aufarbeitung eines legendären Stücks Musikgeschichte.



Musikliste

Lost Highway
Hank Williams
Leon Payne

Settin The Woods on Fire
s.o.
Fred Rose, Ed Nelson

Your Cheatin heart
The Homer Dever Band
Hank Williams

Why don't you Love me
The Secret Sisters
Hank Williams

Ready to Go Home
The Sacred Shakers
Hank Williams

Angels of Death
Hank Williams

I can't get you off my mind
Bob Dyllan
Hank Williams

Mind your Own business
Hank Williams

Long Gone Lonesome Blues
Sheryl Crow
Hank Williams

I saw the light
Hank Williams

House of gold
Hank Williams

Gathering Flowers for the Master 's Bouquet
Hank Williams

Twin Guitar Polka
Don Helms and Sammy Pruett and the Drifting Cowboys
Hank Williams

Hey Good Looking
The Homer Dever Band
Hank Williams

Honky Tonk Blues
Hank Williams

I 'm so lonesome I could cry
Al Green
Hank Williams

Tennessee Border
Hank Williams

You Win Again
E.Costello, Ch.Haden
Hank Williams

Lovesick Blues
Hank Willliams

Half as Much
L.Butler, W.Nelson
Hank Williams

Weary Blues
Ray Price
Hank Williams

Lambalaya
Linda GailLewis,Van Morrison
Hank Willliams

Take these chains from my heart
Arty Hill
Hank Williams

Something Got hold of me
Hank &Audrey Williams

Ramblin man
Kieran Kane
Hank Williams

Old, Gold Heart
The Willies
Hank Williams

Cold, Gold Heart
Hank Williams

I'll Never get out of this world alive
Hank Williams

Kaw Liga
Hank Williams

A Mansion on the hill
Hank Williams

Beyond the sunset
Hank Willliams
Blanche Kerr Brock

Wedding bells/Let's turn back the years
Lucinda Williams, JohnPrine
Hank Williams

May you never be alone
Hank Williams

Theres a tear in my beer
Hank Williams Jr.
Hank Williams

I'm a long gone daddy
Hank III
Hank Williams

My bucket's got a hole in it
Hank Williams

I'm so lonesome I could cry
David Schnaufer
Hank Williams


Auszug aus dem Manuskript

Der Tod des Sängers steigert den Ruhm - die Plattenverkäufe brechen in den 50er-Jahren Rekorde - derweil sich Lilly, die 1955 stirbt, Audrey, sie stirbt 1975 mit 52 Jahren, und Billie Jean um das Erbe streiten. Derweil macht Hank Jr. Karriere.

"Vorbereitet hat das seine Mutter. Sie ermunterte ihn, sie förderte ihn. mit 14 trat Hank Jr. in der Ed-Sullivan-Show auf. Bald darauf trat er im ganzen Land auf. Zunächst sang er die Songs seines Vaters. Als er dann älter war, schrieb er eigene Lieder. Das war nicht einfach: die Fans haben ihn ja immer an Hank Sr. gemessen. Aber es gelang Hank Jr. die alten Songs mit modernen Arrangements zu verbinden. Southern Rock wurde sein Erfolgsrezept. Inzwischen gilt er als gefragter Produzent.

In seinen Liedern geht es oft um die dunklen Seiten, um Alkohol, um Schlägereien. Das hat viel mit seinem Vater zu tun. Er vermisst den Vater, den er ihn recht kennenlernte. Einen Vater, der Alkoholiker war, und zugleich ein hochbegabter Künstler. Das alles kommt bei Hank Jr. und seiner Musik zusammen."

1988 stößt Hank Jr. auf einen unveröffentlichten Song seines Vaters. Er mixed die eigene Stimme dazu - das Familienduett "There's a tear in my beer" wird zum großen Erfolg.

Holly Williams, die Tochter von Hank Jr. bevorzugt ruhigere Lieder. Sie hat sich in Nashville als Singer/Songwriter einen Namen gemacht. Dabei bleibt der Großvater das Vorbild:

"Er gehört zu den besten Songschreibern. Wunderbare Melodien, voller Emotionen - ohne viele Akkorde. Schlichte, pure Meisterwerke."

Hollys Halbbruder Hank III erinnert schon physisch an den Großvater. Hinzu kommen Alkohol und Drogen, ganz im Stil des Alten. Auch Hank III ist Musiker - seine Auftritte wechseln zwischen traditioneller Countrymusic und Punk.

Hank III mit "I'm a long gone daddy", geschrieben von Großvater Hank. Ohne den hätte die Countrymusic nicht jenen Erfolg, den sie in den vergangenen fünfzig Jahren verzeichnet.
Hank prägte den Rhythmus, und er prägte den Stil. Vor allem prägte er, wie Michael McCall, sagt, die Emotionen.

"Es war die persönliche Note, die alles veränderte. Seine Songs basierten auf seinen Erfahrungen, auf seinem Leben. Es war sehr persönlich. Natürlich gabt es vor Hank andere Künstler, die Ähnliches versuchten. Aber es fehlten in der Regel die großen Emotionen. Diese Emotionen bewegten die Menschen. Was man in der Öffentlichkeit sonst eher verbarg - Hank Williams brachte es auf die Bühne. Und dennoch war alles höchst unterhaltsam. Er war ein Sänger für Frauen wie für Männer. Alle wollten seine Lieder hören."


"Die Emotionen gehörten dazu."

sagt der Musiker Aubrey Preston. Auch für ihn ist Hank Williams das große Vorbild.

"Er lebte genau das Leben, das seine Songs beschreiben. Seine Songs wurden von seinen Gefühlen diktiert. Ein armer Junge, schon früh Alkoholiker, er wollte immer der Erste sein - viele Rockstars sind heute so. Hank Williams war wohl unser erster Rockstar. Der soziale Hintergrund, die kaputte Familie, dann er schnelle Erfolg: das alles gab es vorher nicht. Der Erfolg wuchs ihm dann über den Kopf, glaube ich. Es gab niemand, auf den er hörte, niemanden, der sein rasantes Leben auf stabile Wege lenkte. Es gab viele Ratschläge. Aber nur Wenige meinten es gut mit Hank. Dazu kam die Krankheit, die ständigen Rückenschmerzen. Und natürlich Auftritte, im ganzen Land, ohne Verschnaufpausen.
Das alles zusammen hätte wohl so ziemlich Jeden aus der Bahn geworfen."


"Hank Williams kam und ging zur rechten Zeit": der Satz des Biographen Colin Escott ist nicht falsch. Hank Williams erkannte die Zeichen der Zeit. In gerade mal drei Jahren schuf er einen Kanon, von dem große Teile der Countrymusic bis heute leben. Der Schmerzensmann wurde zum Vorbild für Generationen, die ihren Gefühlen sowie der Nähe zu den sogenannten kleinen Leuten musikalischen Ausdruck verleihen. Ein "einsamer Cowboy", der uns viel gegeben hat.