Einigung im letzen Moment

Von Verena Herb · 05.07.2012
Kann das Dach so gebaut werden wie es geplant war - oder nicht? Darum ging der Streit, der in Hamburg zuletzt dafür sorgte, dass über Monate nicht weiter an der Elbphilharmonie im Hafen gebaut wurde. Damit verschiebt sich nicht nur das Eröffnungsdatum weiter in die Zukunft, sondern die Kosten sind natürlich auch weiter gestiegen.
Acht Monate lang ging nichts mehr auf der Baustelle. Kein Hämmern, kein Sägen - Baustopp beim millionenschweren hanseatischen Sorgenkind. Die Vertragspartner, die Stadt Hamburg und der Baukonzern Hochtief konnten lange keine Einigung erzielen, schienen vollkommen zerstritten.

Hochtief hatte sich geweigert, das Dach des großen Konzertsaales abzusenken, denn es sei nicht sicher, dass das schwere Stahlkonstrukt den statischen Anforderungen genügen würde, so der Baukonzern. Zahlreiche Gutachten von der Stadt besagten genau das Gegenteil. Die Situation eskalierte und der SPD-Senat, namentlich Kultursenatorin Barbara Kisseler sah nur noch einen Ausweg: Ein Ultimatum bis gestern Nacht 0 Uhr - Weiterbau, oder: Kündigung aller Verträge. Bis spät gestern Abend saßen die Vertragspartner zusammen. Heute Mittag dann die Nachricht: Man versucht es weiter miteinander.

Barbara Kisseler: "Wir haben sehr harte Verhandlungen geführt. Aber ich möchte ausdrücklich betonen, dass auf beiden Seiten es einen wirklich starken Willen gegeben hat - der war auch erkennbar in diesen Verhandlungen - sich zu einigen. Und das Projekt eben wirklich auf einen guten Weg zu bringen..."

Ob das das Ende aller Querelen ist, bleibt abzuwarten. Schließlich hatte die Stadt dem Essener Konzern schon einmal ein Ultimatum gestellt: Bis Ende Mai hätte es weiter gehen müssen. Hochtief gab eine Erklärung ab, stellte auch ein Gerüst auf. Doch mehr passierte nicht. Erst die Drohung, das Mammutprojekt ohne Hochtief weiterzubauen, scheint Wirkung gezeigt zu haben.

"Ich glaube, dass in der Tat bei Hochtief noch einmal ein Umdenkprozess eingesetzt hat, der dazu geführt hat, dass sie erkannt haben, die Stadt meint es wirklich erns,."

erläutert die Kultursenatorin im Hamburger Stadtfernsehen. Und so gaben sich beide Seiten heute entsprechend erleichtert, in letzter Sekunde doch noch eine Einigung erzielt zu haben. Jetzt kann es also weitergehen auf Hamburgs größter Baustelle. Bernd Pütter, Sprecher von Hochtief:

"Das Dach wird zügig, aber ohne Abstriche bei der Sicherheit weitergebaut. Wir machen weiter mit den Architekten die Planung fertig und haben dafür ein Jahr Zeit..."

Die Planungsverantwortung: Das ist einer der zentralen Punkte, an denen es immer wieder bei der Zusammenarbeit zwischen Hochtief als Generalunternehmen, dem Architektenbüro Herzog und de Meuron als Generalplaner und der Stadt gekrankt hatte. Zu Beginn des Projekts unterschrieben die drei Protagonisten einen Vertrag - ein äußerst kompliziertes Dreieckskonstrukt. Hochtief baute, was die Generalplaner Herzog und de Meuron planten. Doch zwischen beiden Seiten bestand keinerlei juristische Bindung. Nur die Stadt, repräsentiert durch die städtische Realisierungsgesellschaft Rege, hatte mit beiden einen Vertrag. Soll heißen: Hochtief war nicht ausreichend in die Planungsverantwortung eingebunden, so dass kleinste Änderungen zu höheren Kosten für die Stadt führten. Damit soll jetzt Schluss sein. Erklärt Kultursenatorin Barbara Kisseler:

"Dass Hochtief und die Architekten gemeinsam diese Arbeit angehen, damit haben wir den aus meiner Sicht entscheidenden Geburtsfehler dieses Projektes bereinigt."

Hochtief wird künftig deutlich stärker in die Planungen eingebunden sein.

"Faktisch ist es gelungen, eine wirkliche Neuordnung jetzt auf den Weg zu bringen. Und damit eine für die Zukunft tragfähige Struktur für´s weiterbauen zu etablieren."

Doch scheinen beide Parteien nicht auszuschließen, dass es weiterhin zu Auseinandersetzungen kommen wird. Wohlweißlich einigte man sich deshalb auf ein entsprechendes Prozedere, wie Hochtief-Sprecher Bernd Pütter darlegt:

"Der dritte Punkt ist, dass wir strittige Themen in einem Schiedsgerichtsverfahren lösen werden."

Die Stadt hat hoch gepokert - und, wie es heute scheint, auch gewonnen. Der Plan B - das Konzerthaus auch ohne Hochtief weiterzubauen - lag in den Schubladen des SPD-Senats. Doch auch Bürgermeister Olaf Scholz hatte mehrfach betont, dass die beste Lösung sei, wenn die Essener die Elbphilharmonie fertig bauen würden. Naturgemäß sieht die alleinregierende SPD den Konflikt als gelöst, während die Opposition die Einigung zwar begrüßt, aber deren Beständigkeit infrage stellt.

Fest steht: Die erwartete Bauzeit wird sich nun noch einmal um ein Jahr verzögern: Das Konzerthaus werde erst in der zweiten Hälfte 2015 fertig, heißt es. Das bedeutet: Das Eröffnungskonzert war geplant für 2011 - jetzt wird es frühestens 2016 stattfinden.

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