"Eine wirkliche Mammutaufgabe"

Josef Pröll im Gespräch mit Hanns Ostermann · 03.05.2010
Der österreichische Finanzminister und Vizekanzler, Josef Pröll, fordert nach der Krise in Athen eine andere internationale Politik. Pröll sagte, es gehe jetzt darum, zu überlegen, wie man Regierungen, "die tricksen, tarnen und täuschen", zukünftig "an die Kandare nehmen" könne.
Hanns Ostermann: Drakonisch - anders lässt sich das Sparprogramm Griechenlands wohl kaum umschreiben. Beamte, Rentner und Verbraucher vor allem müssen schmerzliche Opfer bringen, um den Staatsbankrott des Landes zu verhindern. Den Gürtel enger zu schnallen, das war die Voraussetzung für die internationale Hilfe in einem Volumen von 110 Milliarden Euro für drei Jahre.

Gestern stimmten die Finanzminister der 16 Euro-Staaten dem Abkommen zu, das zwischen Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank ausgehandelt worden war. Mit am Tisch saß auch der Vizekanzler und Finanzminister Österreichs, Josef Pröll von der ÖVP. Guten Morgen, Herr Pröll!

Josef Pröll: Guten Morgen!

Ostermann: Griechenland glaubt, bis 2014 wieder die Defizitgrenze von 3 Prozent erfüllen zu können. Ist das wirklich ein realistisches Ziel?

Pröll: Nach den gestrigen Diskussionen, nach der Verpflichtung und den gesetzlichen Vorgaben in Griechenland ist dieses Ziel gemeinsam zu erreichen. Allerdings Sie haben Recht: Es wird für die griechische Bevölkerung, für die griechische Politik eine wirkliche Mammutaufgabe, die es aber zu erfüllen gilt.

Ostermann: Aber wie groß ist der soziale Sprengstoff dort in Griechenland, denn man kann ja davon ausgehen, dass es den einen oder anderen Generalstreik geben wird?

Pröll: Natürlich wird die Politik in Griechenland geprägt sein von harten politischen Auseinandersetzungen. Allerdings ich denke, das ist auch die Hauptaufgabe der Kommunikation. Dieser Weg ist alternativlos.

Das Land, Griechenland muss zurück auf eine normale volkswirtschaftliche ökonomische Schiene und muss sich dabei am Riemen reißen. So kann es nicht weitergehen, sonst bleibt Griechenland ewig abseits stehen, und ich glaube, das wird auch die Bevölkerung Stufe für Stufe auch erkennen.

Ostermann: Griechenland, ich habe es gesagt, bekommt eine Hilfe über drei Jahre gestreckt in Höhe von 110 Milliarden Euro. Wäre die Summe nicht geringer ausgefallen, vielleicht wesentlich geringer, wenn die Euro-Staaten früher reagiert hätten, schon im Februar, als sich die Katastrophe abzeichnete?

Pröll: Es war für uns natürlich auch eine politische Herausforderung in der Europäischen Union, in der Euro-Zone, erstmals über eine koordinierte Hilfe für ein Euro-Land zu verhandeln, noch dazu mit einem klaren Ziel: keinen Freifahrtsschein für die griechische Regierung und keinen Blankoscheck für die griechische Bevölkerung auszustellen.

Deswegen haben wir etwas Zeit gebraucht, aber ich denke, jetzt ist die Hilfe kraftvoll, sie spielt sich in Krediten ab, gemeinsam mit der internationalen Hilfe, und ist auch für die Euro-Zone verkraftbar, und um das geht es. Wir müssen auch zu Hause unseren Menschen erklären, warum wir Kredite geben, und das kann nur dann gehen, wenn die Griechen gleichzeitig eine Rosskur vor sich haben und wenn wir dann einen Kraftakt setzen, und das haben wir gestern getan.

Ostermann: Und wie überzeugen Sie Ihre Landsleute, dass die - circa zwei Milliarden, etwas mehr als zwei Milliarden wird Österreich möglicherweise aufbringen müssen - richtig angelegt sind und nicht verloren sind?

Pröll: Das ist ein wichtiger Punkt auch für die Politik, weil man an die Alternativen denken muss. Für uns, für Österreich und für die Euro-Zone, war wohl der drohende Untergang der griechischen Volkswirtschaft ein wesentlich größeres Schreckensszenario als die Möglichkeit, helfen zu können, und das ist auch die Kernaufgabe der Kommunikation mit unserer Bevölkerung, dass die Alternative zur gestrigen Rettung der Zusammenbruch Griechenlands, das Abschreiben für viele Banken in Europa der griechischen Papiere und anderer Kreditlinien gewesen wäre, dass es zu einem Einbruch des Wirtschaftswachstums in der Euro-Zone gekommen wäre und wir Milliarden auf Dauer verloren hätten. So gibt es die Chance auf Rettung, die seit gestern eigentlich sehr groß ist.

Ostermann: Aber warum überlassen Sie es auch in Österreich den Banken, nur freiwillig Geld zur Verfügung zu stellen? Die tragen doch ein Stück, und zwar ein großes Stück, Mitverantwortung.

Pröll: Es ist so, dass die österreichischen Banken, und, ich denke auch, die internationalen Banken in anderen Ländern ja jetzt schon zum Teil gestützt werden müssen durch öffentliche Steuergelder, und wenn man jetzt die Banken noch darüber hinaus verpflichten würde, dabei zu sein, obwohl sie die Kraft nicht mehr haben, dann würde das den Steuerzahler sofort wieder direkt Geld kosten. Deswegen freiwillig. Das werde ich auch in Österreich heute mit den Banken diskutieren. Der, der kann, soll helfen und ich bin überzeugt, dass wir hier auch eine Hilfe zusammenbringen.

Ostermann: Neben der unmittelbaren Hilfe wird natürlich auch über die politischen Konsequenzen gesprochen, die dringend gezogen werden müssen. Welche stehen für Sie da ganz oben an erster Stelle?

Pröll: Ganz oben an der politischen Konsequenzleiter sozusagen steht sicher die unmittelbare Überlegung in der Euro-Zone, wie man denn zukünftig solche Regierungen, die tricksen, tarnen und täuschen, an die Kandare nehmen kann. Das ist eine Lehre aus Griechenland.

Wir brauchen stärkeren Eingriff und Durchgriff für undisziplinierte Regierungen, die sich nicht an Budgetvorgaben halten und die die ganze Euro-Zone an den Rand der Handlungsfähigkeit bringen, und diese Diskussion wird zu führen sein.

Ostermann: Das heißt, wir brauchen eine Art obersten Finanzminister der Euro-Zone?

Pröll: Wir haben mit dem Kommissar Olli Rehn, auch mit Jean-Claude Juncker als Vorsitzendem der Euro-Zone, zwei sehr starke Persönlichkeiten, aber es geht jetzt um die Frage, wie man stärker nicht nur Daten diskutiert, sondern Dateneinblick bekommt. Ich unterstütze die Bestrebungen, dass das Eurostat, das statistische Zentralamt stärker zugreifen kann auf nationale Daten.

Ich unterstütze Olli Rehn bei der stärkeren Budgetbegleitung und beim Ziel – da soll es Vorschläge von der Kommission geben -, in den Ländern auch die Budgetplanung zu kontrollieren, viel stärker als das bis jetzt der Fall war, dass man solche Dinge wie Tricksen, Tarnen, Täuschen – ich habe es gesagt – nicht mehr ermöglicht.

Ostermann: Sollte im Ernstfall auch, wie es die deutsche Kanzlerin meinte, das Stimmrecht entzogen werden, wenn die Schulden zu hoch sind, denn das könnte ja im Ernstfall bedeuten, dass künftig Luxemburg und Finnland – nur die haben eine ordentliche Bilanz – die europäische Richtung vorgeben?

Pröll: Man muss sich überlegen, ob so ein Instrument wirksam sei. Ich bin davon überzeugt, dass noch mehrere Vorschläge auf den Tisch kommen. Ich kann diesem Vorschlag durchaus etwas abgewinnen, er bringt Schwung in die Debatte, und wir sollten die in aller Ruhe gemeinsam diskutieren, was die wirksamsten Szenarien sind, um solche Dinge wie Griechenland zu verhindern, schneller und stärker zu wissen, was in den einzelnen Ländern los ist, Entwicklungen zu erkennen und gegensteuern zu können in der Euro-Zone. Das ist der entscheidende Punkt. Ob das mit Stimmrechtsentzug geht, das ist eine Möglichkeit, aber wir sollten hier eine breitere Debatte führen.

Ostermann: Josef Pröll, Vizekanzler und Finanzminister Österreichs. Herr Pröll, ich danke Ihnen für das Gespräch heute früh.

Pröll: Herzlichen Dank!