Eine schwierige Freundschaft

Rezensiert von Katajun Amirpur · 10.01.2010
Ein Land wie Deutschland ist besonders verpflichtet, einem Regime, das den Holocaust leugnet, entgegenzutreten. Zugleich ist die Bundesrepublik der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Matthias Künzel beleuchtet in seinem Buch "Die Deutschen und der Iran" diese besondere Beziehung.
Wenn man der Logik des Matthias Küntzel einmal folgt, erscheint alles ganz plausibel: Die Nazis haben die iranische Bevölkerung einst indoktriniert - über Radio Zeesen. Weil man gemeinsame Feinde hatte - die Briten und die Russen - verfing die Propaganda auch; außerdem hatte man gemeinsame arische Wurzeln. Und auf dieser Klaviatur spielten die Nazis. Dann geriet dies Projekt, die Judenfeindschaft, in Vergessenheit – allein die deutsch-iranische Freundschaft dauerte weiter an.

Doch in den letzten Jahren, grundsätzlich seit der Islamischen Revolution, aber vor allem seit Ahmadinedschad an der Macht ist, knüpft die iranische Seite wieder an das Projekt der Judenverfolgung an. Das liest sich dann so:

"Seit 1933 wurde die deutsch-iranische Freundschaft auch rassistisch, als Zusammengehörigkeit der ‚Arier’ definiert. Seither ist sie vom Nationalismus kontaminiert und hat diesen Flair bis heute beibehalten.

Denn im Unterschied zu Deutschland, wo man von dem Arier-Phantasma nach 1945 kaum noch etwas wissen wollte, hat sich in Iran die fixe Idee, dass Deutsche Arier und somit ‚rassisch’ höherwertiger als andere seien, bewahrt. Nicht selten wird der Nationalsozialismus mit einem unreflektierten Stolz in Erinnerung gerufen."

Das ist ein bisschen dicke. Küntzels Äußerungen sind von einer absoluten Unkenntnis der iranischen Gesellschaft geprägt. Aber es kommt noch besser:

"Wir sehen daran, dass Iran nicht nur der Horror einer nationalsozialistischen Besatzung erspart geblieben ist. Sie blieben auch von jedweder kritischen Aufarbeitung dieses Geschichtsabschnitts ‚verschont’.

Hätten die Deutschen nach 1945 mit der Nazivergangenheit wirklich gebrochen, hätten iranische Liebesbekundungen für Hitler und das ‚Ariertum’ auf Empörung stoßen müssen. Doch ganz so geläutert waren die Deutschen, zumal jene, die die deutsche Iranpolitik organisierten, nicht. Die Hitler-Begeisterung vieler Iraner wurde ignoriert oder akzeptiert, belächelt und manchmal vielleicht ein bisschen genossen."

Die Hitlerbegeisterung also ist für Küntzel der Grund für das bis heute sehr gute deutsch-iranische Verhältnis. Dumm daran ist nur, dass das nicht stimmt: Es ist absurd, die Iraner als ein Volk von Antisemiten und Hitlerverehrern hinzustellen, aus den Äußerungen Ahmadinedschads auf die Gesellschaft zu schließen und dann auch noch die Brücke zu schlagen vom Islamismus über die Atombombe zu Israel, womit dann ja klar sei, dass Iran die Judenvernichtung plane. Wie will Küntzel in diesem Zusammenhang erklären, dass in Iran bis heute die größte jüdische Gemeinde des gesamten Nahen Ostens– abgesehen von Israel natürlich - lebt?

Dabei ist die grundsätzliche Frage, die er stellt, ja richtig. Sie wurde allerdings nicht von Küntzel gestellt, wie er selber schreibt, sondern von Salman Rushdie. Rushdie hatte vor Langem gefragt:

"Deutschland unterhält mehr Wirtschaftsbeziehungen zum Iran als jeder andere europäische Staat. Ich muss mich fragen, warum eigentlich? Warum gibt es in Ihrem Land diese geradezu begeisterte Unterstützung für dieses Regime?"

Es sei dahingestellt, ob es sich hier um eine "begeisterte" Unterstützung handelt. Aber sicher ist es eine interessante Frage, warum Deutschland diese außergewöhnlich guten Beziehungen nie genutzt hat, um Druck auf die iranische Führung auszuüben: in Menschenrechtsfragen, bei der Mykonos-Affäre, bei der Rushdie-Affäre, nach den Wahlen im Sommer und in der Atomfrage. Das ist sicher ein großer Fehler der Bundespolitik. Aber die Ursache für dieses Fehlverhalten, die Küntzel nahe legt, ist haarsträubend.

Hinzu kommt: Küntzel liegt in einigen Fällen so nachweißlich falsch, dass es dem Leser schwer fällt, ihm da Glauben zu schenken, wo er Recht haben könnte. Das ist schade, denn das Thema, das Küntzel hier zum ersten Mal bearbeitet, ist wirklich interessant und viele Fragen sind offen. Aber wenn er behauptet, dass Ahmadinejad im Jahre 1979 an der Besetzung der Teheraner US-Botschaft beteiligt gewesen sein soll, obschon selbst der amerikanische Geheimdienst bereits vor Jahren erklärt hat, dass dem nicht so war, dann macht er sich einfach unglaubwürdig.

Oder wenn er behauptet, dass Khomeyni gemeinsam mit anderen religiösen Fanatikern 1953 den Sturz des Ministerpräsidenten Mossadegh herbeigeführt haben soll. Khomeyni war daran nicht beteiligt, weil er sich nämlich damals an die Order seines Mentors hielt, dass sich die Geistlichkeit nicht in die Politik einmischen darf. Küntzel schreibt:

"Als Mossadegh 1953 mit dem Gedanken spielte, das Frauenwahlrecht einzuführen, schlug sich Khomeini auf die Seite des Schahs, um Mossadegh, den Frevler, zu stürzen. Als später der Schah das Frauenwahlrecht einführte, wandte sich Khomeini abrupt auch von ihm ab und propagierte seinen Sturz."

In zwei kurzen Sätzen schafft es Küntzel mehrere Unwahrheiten unterzubringen: Khomeini hat sich nie auf die Seite des Schahs geschlagen; er hat nie gegen Mossadegh agitiert, sondern ihn – aus eben genanntem Grund - nur nie unterstützt und er hat sich nicht später abrupt vom Schah abgewendet, sondern war dem Schah schon immer feindlich gesonnen – und zwar keineswegs nur, weil dieser Frauen das Wahlrecht geben wollte, sondern auch wegen dessen Politik der gewaltsamen Verwestlichung und wegen seiner diktatorischen Herrschaftsweise.

Küntzel aber lässt alles weg, was nicht zu seinem Geschichtsbild und seiner Agenda passt. Man fragt sich, wo Küntzel seine Informationen über die iranische Geschichte her nimmt. Es gibt eine ganze Palette hervorragend recherchierter Sekundärliteratur zur neueren iranischen Geschichte: Berge von Büchern, die vor allem von iranischen Iranisten aus den USA oder iranischen Journalisten der BBC verfasst worden sind, die dem Regime bestimmt nicht freundlich gesonnen sind, denn es hat sie ins Exil getrieben; die sich aber im Gegensatz zu Küntzel an den Fakten orientieren und nicht an dem, was ins eigene Bild passt. Dass Küntzel anders verfährt, ist schade und dumm: Denn die Fakten sind schon schlimm genug, die braucht man nicht noch aufzublähen.


Matthias Küntzel: Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft
wjs Verlag Berlin 2009, 320 Seiten.
Cover: "Matthias Küntzel: Die Deutschen und der Iran"
Cover: "Matthias Küntzel: Die Deutschen und der Iran"© wjs Verlag