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Institut für Menschenrechte
Kurz vor der Blamage

Deutschland hat seit 2001 ein Institut für Menschenrechte - aber ein Gesetz dafür gibt es noch nicht. Das will die Bunderegierung heute nachliefern - praktisch in letzter Minute, denn sonst wären ihm wichtige Rechte aberkannt worden. Die Opposition wirft der CDU vor, die Unabhängigkeit des Instituts beschneiden zu wollen.

Von Gudula Geuther | 17.03.2015
    Eingangsschild des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin
    Seit 14 Jahren gibt es das Institut mit Sitz in Berlin schon - jetzt soll auch ein Gesetz her. (dpa / Claudia Kornmeier)
    Buchstäblich in letzter Minute entscheidet heute das Bundeskabinett; die Regierung hofft, eine internationale Blamage zu vermeiden. Das Deutsche Institut für Menschenrechte soll - 15 Jahre nach seiner Gründung - eine gesetzliche Grundlage bekommen, wie es internationale Vereinbarungen verlangen.
    Noch am selben Nachmittag prüft der an die Vereinten Nationen angebundene Akkreditierungsausschuss, ob ihm der bloße Gesetzentwurf genügt. Wenn nicht, droht die Rückstufung. Auf dem Spiel steht der internationale Einfluss des Instituts, unter anderem mit dem Rederecht in der UN-Vollversammlung. Dreimal drückte der Ausschuss nach Vertröstungen durch die Bundesregierung ein Auge zu - zuletzt ausdrücklich zum letzten Mal. Trotzdem blieb ein Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas fünf Monate lang liegen.
    Die Opposition macht dafür die Union verantwortlich. Genauer: Erika Steinbach. Ende Februar griff der Grüne Tom Koenigs die Vorsitzende der Fraktions-Arbeitsgruppe für Menschenrechte und ihre Partei, die CDU, im Bundestag frontal an:
    "Wenn die CDU die Menschenrechte von ihrem rechten Rand vertreten lässt, dann viel Vergnügen mit der AfD. Der Fraktion der CDU bedeutet das Institut für Menschenrechte nichts. Und das Thema Menschenrechte auch nichts."
    "Herr Koenigs, was Sie hier gerade gemacht haben, ist eine glatte Unverschämtheit! Wir wollen das Deutsche Institut für Menschenrechte stärken!" erwiderte eine empörte Erika Steinbach.
    Menschenrechtsverletzungen auch in Deutschland
    Nationale Menschenrechtinstitute sollen als so genannte Monitoringstelle Gefährdungen der Menschenrechte erkennen. Deutschland will mit seiner Einrichtung beispielgebend sein, und tatsächlich hat das Institut mit Sitz in Berlin einen guten Ruf.
    Die Opposition kritisiert: Steinbach und andere in der Union hätten dem Institut, das durchaus immer wieder die Menschenrechtslage in Deutschland kritisiert, die Zähne ziehen wollen, seine Unabhängigkeit beschneiden wollen. Und sie hätten angestrebt, dass es nicht mehr so kritisch nach Deutschland schaut und sich lieber um den Stand der Menschenrechte auf Kuba oder in China kümmert.
    Annette Groth von der Linkspartei etwa verteidigte in der Debatte im Februar den Blick ins Inland:
    "Ja, dafür sind sie auch da! Wir können das doch nicht schönreden, wenn bei uns krasse Menschenrechtsverletzungen geschehen in den Flüchtlingsheimen, in Gefängnissen, in den Pflegeheimen und so weiter."
    Etwas anderes habe auch die Union nie gewollt, sagt Bernd Fabritius, CSU-Menschenrechtspolitiker und Nachfolger Erika Steinbachs im Bund der Vertriebenen. Es sei immer nur um den ergänzenden Blick ins Ausland gegangen. Und das Beispiel, das Bernd Fabritius nennt, hat tatsächlich konkrete Bezüge zum menschenrechtlichen Agieren deutscher Behörden:
    "Wenn zum Beispiel überlegt werden muss, ob Flüchtlinge, die in Deutschland kein Bleiberecht haben, in ein Herkunftsland zurückgeschickt werden dürfen, müssen wir die Menschenrechtslage dort ebenfalls beurteilen können. Wir haben uns deswegen dahingehend einigen können."
    SPD betont Unabhängigkeit
    Die SPD ist mit dem Ergebnis zufrieden. Erst recht, was die Struktur des Instituts betrifft. Es bleibt als Verein organisiert, es bleibt unabhängig, freut sich Fraktionsvize Eva Högl:
    "Der entscheidende Punkt ist: Wie groß soll die Einflussnahme hier aus dem Deutschen Bundestag oder von der Bundesregierung auf das Institut sein. Und es ist Voraussetzung für ein solches Institut, damit es international anerkannt wird, dass es unabhängig arbeiten kann. Und deswegen sehen wir davon ab, das Institut an die Koalition an die kurze Leine zu nehmen. Das soll auch so bleiben, und das war in der Koalition so ein wenig umstritten."
    Die Entscheidung, ob das Institut wegen der Verzögerungen seinen bisherigen herausgehobenen Status verliert, wird der Ausschuss, der für die Vereinten Nationen arbeitet, in der kommenden Woche bekannt geben.