Eine jüdische Sekte?

Von Ayala Goldmann · 10.07.2007
Chabad Lubawitsch ist die größte jüdische Organisation weltweit. Sie hat eine konservativ-orthodoxe Ausrichtung. Auch in Deutschland sind ihre Vertreter in den jüdischen Gemeinden in Berlin, Köln oder Hamburg aktiv. Kritiker fürchten, dass sie eine Sekte sei, die jüdischen Fundamentalismus betreibe.
Chabad ist heute eine der aktivsten jüdischen Gruppen weltweit – und die hebräische Abkürzung für drei Worte: "Weisheit, Verstehen und Wissen". Entstanden ist Chabad in Osteuropa im 18. Jahrhundert als Teil der volkstümlichen chassidischen Bewegung. Lubawitscher nennt man ihre Anhänger, weil sich ihr geistiges Zentrum lange Zeit im weißrussischen Ort Lubawitsch befand. Doch viele Lubawitscher flohen vor dem Holocaust in die USA.

Im neuen Zentrum in Brooklyn übernahm im Jahr 1950 der so genannte "Rebbe" Menachem Mendel Schneerson die Führung. Er schickte Tausende von Rabbinern in die ganze Welt, um Juden wieder mit ihrer religiösen Tradition vertraut zu machen. Heute unterhält Chabad fast 2500 Filialen weltweit - und 14 davon in Deutschland. Als Menachem Mendel Schneerson, auf Bildern ein alter weiser Mann mit einem langen Bart, 1994 starb, rief ihn ein Teil seiner Anhänger zum Messias aus. Und bis heute glauben viele Lubawitscher, dass der "Rebbe" eines Tages aus seinem Grab auferstehen und die Welt erlösen wird.

In den jüdischen Gemeinden in Deutschland herrscht traditionell Rabbinermangel. Seitdem die ersten Chabad-Rabbiner in den 90er Jahren in die Bundesrepublik kamen, haben sie eine Bedarfslücke gefüllt. Manche Juden finden, dass Chabad mehr Leben in die Gemeinden gebracht hat. Andere sind skeptisch. Ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Kunsthistorikerin: " Also ich wollte nicht, dass mein Kind von frühester Kindheit an so indoktriniert wird, und schon gar nicht in der Weise, wie die Ausrichtung von Chabad Lubawitsch ist. Weil sie Ideen vertreten, angefangen mit Schneerson, die dem Judentum für meine Begriffe widersprechen. "

Der Berliner Chabad-Rabbiner Yehuda Teichtal bestreitet allerdings energisch, irgendjemanden missionieren zu wollen:

" Ich sage es ganz klar und deutlich: Wir sind nicht hier, um Menschen orthodox zu machen. Wir von Chabad machen keinen Unterschied zwischen liberal und orthodox. Das sind alles Etiketten, die haben keine Bedeutung. Wir sind wirklich offen mit dem ganzen Herzen für jeden. "

Professor Julius Schoeps, Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, amtierte vor einiger Zeit als Bildungsdezernent der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er war damals der Ansicht, dass Chabad die jüdische Einheitsgemeinde bedroht - trotz der Kritik mancher Mitglieder.

Schoeps: " Chabad ist nicht unumstritten. Natürlich ist das eine Sekte. Sekte ist nichts Abwertendes. (…) Aber sehen Sie, man kann bestimmte Erscheinungen nicht aus der Welt schaffen, indem man sie leugnet. "

Das Gespräch zum Thema mit Micha Brumlik, Professor am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player hören.