Eine ganz normale Strafaussetzung

Von Ernst Rommeney |
Die Zeit ist über die Rote Armee Fraktion hinweg gegangen. Das gesellschaftliche Klima hat sich gewandelt. Und auch in der Politik lösen alte Terroristen keinen hysterischen Streit mehr zwischen Linken und Rechten aus. Vielmehr reagierten die Politiker gelassen, emotionslos, ja sogar einhellig auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Stuttgart.
Sie sei rechtlich nicht zu beanstanden, sagen sie und fügen hinzu, ehemalige Terroristen dürften nicht anders als andere Kriminelle auch behandelt werden. Und so wird die lebenslange Freiheitsstrafe für Brigitte Mohnhaupt nach über 24 Jahren Haft zur Bewährung ausgesetzt.

Sie, aber auch ihr Komplize Christian Klar, haben lange im Gefängnis gesessen, so lange wie kaum ein anderer Strafgefangener, sieht man von Sexualstraftätern ab, die zur Sicherheit über das Strafende hinaus hinter Gittern verwahrt werden.

Ansonsten bedeutet lebenslange Freiheitsstrafe in Deutschland eben nicht wirklich lebenslang. Frühestens nach 15 Jahren, regelmäßig nach 17 bis 20 Jahren kehren die Lebenslänglichen wieder in die Freiheit zurück. Diese Praxis drückt die Demut des Gesetzgebers vor dem Unrecht aus.

Er kann ein hohes Strafmaß setzen, aber selbst das höchste wird schwerster Verbrechen wider das Leben nicht gerecht, vermag sie nicht aufzuwiegen. Und darum versucht er es erst gar nicht. So ist das ursprüngliche Strafmaß für Brigitte Mohnhaupt aus fünf Mal lebenslang plus 15 Jahre Gefängnis eher prozessual zu verstehen, denn praktisch nachzuvollziehen.

Die Sühne in der Zelle wird also stets unvollkommen sein. Das letzte Ziel des Strafvollzuges ist es, dem Strafgefangenen früher oder eben später die Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen - unter der einzigen Bedingung, dass er nicht mehr gefährlich ist.

Polizisten und Angehörige der Opfer empfinden dies als bitter. Sie verlangen ein Zeichen der Reue, eine umfassende Aussage zu Mittätern und Tathergang. Man kann das verstehen. Doch das Strafrecht reagiert kühler. Reue und Geständnis sind freiwillig. Sie können ehrlich und lauter gemeint, aber auch verlogen sein. Die strafrechtliche Verantwortung mildern sie keinesfalls. Und wenn Brigitte Mohnhaupt es vorzog zu schweigen, so bezahlte sie ihr Schweigen eben auch mit dieser langen Freiheitsstrafe.

Wenn sich das gesellschaftliche Klima gewandelt hat, dann erinnert man sich auch an Otto Schily. Schon frühzeitig hat der engagierte Rechtsanwalt und ehemalige Innenminister seinen Parteifreunden – erst bei den Grünen und später bei den Sozialdemokraten – klar gemacht, dass innere Sicherheit kein Thema sei, für das sich nur konservative Politiker stark machen sollten.

Politisch ist das Land auf Einsichten der ehemaliger RAF-Mitglieder nicht angewiesen. Niemand wird heutzutage ihre Ideologie noch rechtfertigen wollen. Zu stark ist das Gespür dafür, sich allzu schnell auf ein Pulverfass zu setzen, da junge Leute auch in Europa jederzeit bereit sind, im Namen des Islam gewalttätig zu werden. Insofern ist nur über die Rote Armee Fraktion die Zeit hinweg gegangen. Und der neue Konsens muss sich erst noch bewähren – gegenüber jeder Art Terroristen.