"Eine Dienstleistung, die Google für die Verlage erbringt"

Jimmy Schulz im Gespräch mit Nana Brink · 01.03.2013
Der liberale Netzexperte Jimmy Schulz lehnt das geplante Leistungsschutzrecht ab: "Freie Inhalte im Netz frei verfügbar" zu halten, sei ein Grundpfeiler des Internets. Mit Hilfe von Gesetzen werde versucht, überkommene Geschäftsmodelle zu beschützen.
Nana Brink: Googeln ist mittlerweile fast schon ein deutsches Wort geworden – also Sie googeln jetzt mal, sagen wir, Leistungsschutzgesetz, dann treffen Sie auf einen Link, der Ihnen mit einem kurzen Text erklärt, was das ist, und dass es heute im Bundestag verhandelt wird. Beitrag in Ortszeit, Deutschlandradio Kultur (MP3-Audio)Unser Link an dieser Stelle ist jetzt Falk Steiner, der Ihnen erklärt, warum auch diese kleinen Gesetzestexte im Netz einen großen Gesetzestext produziert haben.

Interessant dabei ist auch, dass zum Beispiel der Innenpolitiker der FDP, Manuel Höferlin, für das Gesetz ist, er hat diesen Kompromiss mit ausgehandelt, aber auch viel Kritik aus den eigenen Reihen kommt. Und am Telefon ist jetzt Jimmy Schulz, FDP-Bundestagsabgeordneter, und er war Obmann seiner Partei in der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft. Dort werden Themen wie Urheberrecht und digitaler Wandel debattiert. Schönen guten Morgen, Herr Schulz.

Jimmy Schulz: Guten Morgen.

Brink: Warum stellen Sie sich gegen den Entwurf ihrer eigenen Justizministerin?

Schulz: Nun, wir haben diese Diskussion ja im Deutschen Bundestag und auch in der Fraktion schon jetzt fast drei Jahre geführt, und ich habe von Anfang an gesagt, dass ich die Idee eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage nicht unterstützen werde.

Brink: Aber warum ist denn dieser Entwurf so schlecht, er ist doch entschärft worden, siehe zum Beispiel das Problem der sogenannten Snippets – das sind die Kleinüberschriften plus kurzem Text –, die wurden jetzt ausdrücklich ausgespart, so wie Sie es ja gefordert haben.

Schulz: Ja, das ist richtig, an dem Entwurf ist in den letzten drei Jahren unheimlich viel verbessert worden, wenn man das weiß, wo die Idee herkam, und welchen weiten Weg sie zurückgelegt hat, ist das natürlich ein großer Erfolg, und auch die letzten Verbesserungen gehen ja auf die FDP-Fraktion zurück und entsprechen vielen meiner Ideen. Ich bleibe jedoch dabei, dass es für ein solches Gesetz meiner Meinung nach überhaupt keine Rechtfertigung gibt, warum man ein solches Recht schaffen sollte. Und zweitens bleibe ich dabei, dass ich es für ein Sonderrecht halte. Wieso gerade Presseverlage? Was ist denn mit den Rundfunksendern, mit dem Hörfunk, mit dem Fernsehen? Diese haben ein solches Recht nicht. Was ist mit den Bloggern, was ist mit allen anderen, die Inhalte, die Content im Internet anbieten, die haben dieses Recht nicht. Ich bin der Meinung, wir sollten, wenn, dann schon ein Recht für alle gleichberechtigt schaffen oder es eben lieber bleiben lassen.

Brink: Aber was ist denn da so schlecht daran, wenn man es erst mal auf einer Seite probiert? Oder sind Sie prinzipiell dagegen, weil da große Verlage wie Burda oder Springer Geld verdienen wollen?

Schulz: Nein, es geht hier nicht darum, dass ich ein Problem damit haben, dass irgendjemand Geld verdient, das ist ja eine tolle Sache. Ich habe nur ein Problem damit, dass es auch ein systematisches Problem ist. Das ist ja so, als wenn ein Restaurantführer Geld dafür bezahlen müsste, wenn er Restaurants empfehlen darf. Das ist im System einfach grundsätzlich falsch. Warum verlangt denn Google kein Geld für die Dienstleistungen von dem Verlag? 60, 70 Prozent der User von Verlagsseiten kommen doch über die Suchmaschinen, das ist ja eine Dienstleistung, die Google für die Verlage erbringt, und da erschließt sich mir nicht die Logik, warum jetzt Google dafür auch noch zahlen soll.

Brink: Aber müssten denn nicht auch Google und Co. gerade ihren Beitrag leisten und bezahlen für solche Inhalte, damit Onlinepresse funktioniert?

Schulz: Nein, das verstehe ich nicht – warum sollten die bezahlen müssen? Ich verstehe nicht, warum die Verlage nicht an die Suchmaschinenbetreiber etwas bezahlen müssen. Und das System, dass freie Inhalte im Netz frei verfügbar sind und auch vor allem frei verlinkbar sind, ist einer der Grundpfeiler des Internets, und daran sollten wir nicht rütteln.

Brink: Wo ist denn das prinzipielle Problem dann Ihrer Meinung nach? Wie kann man dem – und dann sind wir jetzt ganz schnell beim Urheberrecht, das ist ja das große Streitthema zwischen Journalisten und Verlagen auf der einen Seite und Anbietern wie Google und Twitter auf der anderen Seite –, wie soll denn das dann gelöst werden, wenn nicht in solchen kleinen Schritten?

Schulz: Na ja, es ist ja der falsche Ansatz. Die Verlage haben, übrigens wie viele andere Branchen auch schon vorher, natürlich ein Problem, dass sich durch Digitalisierung und globale Vernetzung ergeben hat. Manche Branchen sind sehr geschickt damit umgegangen – denken Sie nur an die Software-Branche oder Computerspielebranche, die diese Problematik schon seit Mitte der 80er-Jahre haben. Verlage haben – und das sage ich ganz offen – ähnlich wie andere Branchen auch, zum Beispiel die Musikbranche, diese grundsätzlichen, revolutionären Veränderungen erst verschlafen, dann ignoriert, und nun sucht man überkommene Geschäftsmodelle mithilfe von Gesetzen zu protegieren. Da mache ich nicht mit.

Brink: Und wie soll es dann gelöst sein, oder glauben Sie, dass es da überhaupt gar keine Lösung gibt?

Schulz: Ich glaube sehr wohl, dass es Lösungen gibt. Man sieht ja an vielen Bereichen, dass es neue, innovative Geschäftsmodelle gibt, die auch für die Verlage vielleicht interessant sein können, nur es ist auf keinen Fall Aufgabe des Gesetzgebers, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Wir haben nur die Rahmenbedingungen zu stellen.

Brink: Das heißt, Sie sagen: Dieser Gesetzesentwurf, den kann man eigentlich gleich in die Tonne treten.

Schulz: Ja, so, wie er jetzt ist, ist er natürlich deutlich entschärft. Er hat den Vorteil, dass er wahrscheinlich keinen oder nur noch begrenzt Schaden anrichtet durch die neue Definition, die wir ja in den letzten Tagen noch hineinbekommen haben. Er richtet keinen Schaden an, aber ich bezweifle, dass er irgendeinen Nutzen hat. Und dann könnte man es sich meiner Meinung nach auch sparen, ein solches Gesetz.

Brink: Aber dann sind Sie doch – pardon, wenn ich dann einhake –, dann sind sie doch in gewisser Weise auch inkonsequent, wenn Sie sagen, okay, wir haben viele positiven – in Ihrem Sinne positiven – Dinge in dieses Gesetz hineingeschrieben, aber trotzdem trage ich es nicht mit.

Schulz: Na ja, dann wiederhole ich das noch mal: Ich sage, dieses Gesetz richtet weniger Schaden an als halt die vorigen Formulierungen, und ich bin froh darum, dass viele, viele Verbesserungen hineingekommen sind, es bleibt aber auch die grundsätzliche Kritik, dass es dieses Gesetz gar nicht braucht, weil es eben systemwidrig ist. Dass es in der jetzigen Form nach den vielen Veränderungen, nach den guten Veränderungen, wahrscheinlich weniger oder gar keinen Schaden mehr anrichtet, ist erfreulich, das macht das Gesetz aber nicht gleich sinnvoll.

Brink: Nun hat ja die Justizministerin, die Ihrer Partei angehört, und auch die Regierung nicht wirklich was bewegt in den letzten vier Jahren in Sachen Urheberrecht. So funktioniert das nicht, das ist ja immer noch ein bisschen der Stand von 1908.

Schulz: Von 1908?

Brink: Ja, das sind die Grundlagen des jetzigen Urheberrechts.

Schulz: Okay. Also: Ich habe ja immer wieder auch betont, und das haben wir auch in der Enquete-Kommission immer wieder sehr intensiv diskutiert, dass Geschäftsmodelle, die darauf basieren, eine Information auf einen physikalischen Träger zu bannen – was bei Zeitungen, Büchern, Schallplatten, CDs bis hin zur BluRay ja der Fall war –, ein wunderbares Geschäftsmodell war über Jahrhunderte, nur in der digitalen und global vernetzten Welt kein Geschäftsmodell mehr ist. Dieses Geschäftsmodell ist tot, und wir müssen uns nun überlegen, wie man in Zukunft eben Informationen ohne den physikalischen Träger handeln kann. Und das ist aber doch nicht Aufgabe von Politik, sich hier neue Geschäftsmodelle auszudenken, sondern das ist Aufgabe derjenigen, die Informationen anbieten wollen.

Brink: Also jetzt noch mal ganz zum Schluss gesprochen, jegliches Urheberrecht oder Leistungsschutzrecht ist keine Sache der Politik und damit des Bundestages?

Schulz: Nein, dann haben Sie mich also auch jetzt gerne absichtlich falsch verstanden. Ich habe nicht gesagt, dass das Urheberrecht keine Sache der Politik ist. Unsere Aufgabe ist es sehr wohl, dass Recht und damit die Rahmenbedingungen zu setzen. Was nicht unsere Aufgabe ist, ist Geschäftsmodelle dafür zu entwickeln. Das ist Aufgabe des Marktes.

Brink: Jimmy Schulz, FDP-Bundestagsabgeordneter, und er war Obmann seiner Partei in der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft. Schönen Dank für das Gespräch.

Schulz: Danke.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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