Eindrucksvolles Gleichnis über die Befreiung der Frau

15.07.2013
Die Iranerin Masumeh wird nach einer harmlosen Liebschaft zur Hochzeit mit einem Unbekannten gezwungen. Der lässt ihr zwar Freiheiten, kämpft aber gegen das Schah-Regime und wird schließlich hingerichtet. Auch danach muss Masumeh um ihr Glück kämpfen.
Die Geschichte spielt im Iran der letzten fünfzig Jahre. Masumeh ist ein aufgewecktes Mädchen, das sich den Schulbesuch erkämpft und mit Intelligenz, Zielstrebigkeit und Mut ihre drei Brüder in den Schatten stellt. Als sie den Studenten Said kennen lernt, mit dem sie harmlose Liebesbriefe tauscht, steht angeblich die Ehre der Familie auf dem Spiel. Halb zu Tode geprügelt, wird sie eingesperrt und zur Heirat mit einem Unbekannten gezwungen.

Ihr Mann, ein politischer Dissident, der gegen das Schah-Regime kämpft, gewährt ihr zwar die Freiheit, sich weiterzubilden, taucht aber immer wieder ab, bis er verhaftet wird. Die gemeinsamen Kinder zieht sie, stets bedroht durch die Geheimpolizei, alleine groß.

Viele mutige Frauen in schwierigen Zeiten
Nach der Revolution von 1978 muss sie erleben, wie aus der Aufbruchseuphorie neue Unterdrückung erwächst: Ihr Mann wird hingerichtet, ihr Bruder wird zu einem glühenden Parteigänger des neuen Regimes, einer ihrer Söhne zieht als Gotteskrieger an die Front.

Parinoush Saniee, die jahrelang für die iranische Regierung als Soziologin gearbeitet und besonders die Lage der Frauen erforscht hat, erzählt diese Geschichte um Widerstand, Unterwerfung und immer wieder großem Mut aus der Perspektive ihrer Hauptfigur. Starke Charaktere stellt sie an deren Seite, die selbstbewusste Freundin aus Schulzeiten etwa, die früh ins Exil nach Deutschland geht, oder die ob ihres losen Lebenswandels verfemte Nachbarin. Aber es ist nicht so, dass das menschliche Antlitz des Iran ausschließlich weiblich ist.

Obwohl Saniee vor starken Polarisierungen, zuweilen eindimensionalen Charakteren, nicht zurückscheut – Masumehs Brüder etwa, oder die in engen Traditionen gefangene Mutter- werden Männer differenziert gezeichnet. Da gibt es den empfindsamen Vater, der zu schwach ist, seine Tochter vor dem strengen Sittenkodex und seinen brutalen Söhnen zu beschützen; da ist der Ehemann Hamid, ein gebildeter Jurist, der sich von seinen kommunistischen Genossen vorhalten lassen muss, er habe seine Frau nicht hinreichend zum Klassenkampf erzogen; und da ist der Geliebte Said, der angesichts der Übermacht von Masumehs Familie klein beigibt, bis er Jahrzehnte später seine zweite Chance bekommt.

Eine Gesellschaft, die Frauen die Luft zum Atmen nimmt
Auch wenn die Autorin die politischen Hintergründe vielfach nur als Kulisse nutzt, gibt sie beklemmende Einblicke in eine Gesellschaft, die den Frauen qua religiöser Tradition die Luft zum Atmen nimmt. Sieht man den zahlreichen persischen Einsprengseln ab – Verwandtschaftsgrade oder die Facetten von ‚Reinheit’ oder ‚Schande’ werden mit Wörtern in Farsi bezeichnet - ist die Sprache auf eine altmodische Weise bloßes Mittel der Darstellung.

Wenngleich konventionell erzählt, ist zwischen den Zeilen zu spüren, dass hier eine Autorin mit einer Mission schreibt. Mit der Absicht, dem durch globale Medien auf Terrorismus reduzierten Bild ihrer Heimat im Westen etwas entgegenzusetzen, das die Tragödie, die das Land seit fast fünfzig Jahren erleidet, glaubhaft verkörpert. Auch wenn die Autorin ihrer Heldin einen glücklichen Ausgang verweigert, ist "Was mir zusteht" ein eindrucksvolles Gleichnis über die Selbstbefreiung, wie sie heute nicht nur im Iran gebraucht wird.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Parinoush Saniee: "Was mir zusteht"
Aus dem Italienischen von Bettina Friedrich
Knaus-Verlag, München 2013
480 Seiten, 19,99 Euro
Mehr zum Thema