Einblicke ins preußische Hofleben

13.06.2012
In der Korrespondenz zwischen dem preußischen Diplomaten Johann Eustach von Goertz und seiner Frau Karoline geht es um alles und nichts: den Klatsch vom Potsdamer Hofleben, die neueste Frisurenmode, aber auch politische Hintergründe und versteckte Depeschen. Norbert Leithold hat sie veröffentlicht.
Norbert Leithold ist zwar kein Historiker, aber Spezialist für Friedrich II., über den er anhand von Stichworten wie "Pagen", "Kaffeeschnüffler" oder "Amerika" drei anekdotenreiche, gut recherchierte Bücher schrieb. Außerdem veröffentlichte er vor knapp zwei Jahren eine Biografie über Johann Eustach von Goertz, der zunächst Prinzenerzieher am Weimarer Hof war, nach seinem Rausschmiss aber als Geheimdiplomat in preußische Dienste trat. Abgesehen von der abenteuerlichen, durch nichts belegbaren These über eine angebliche Menage à trois zwischen Goethe, der Herzoginmutter Anna Amalia und Frau von Stein machte das Buch auf verdienstvolle Weise mit einem exzellenten Strippenzieher der damaligen europäischen Politik bekannt.

In dieser Biografie verwertete der Autor schon den von der Forschung bislang nur lückenhaft genutzten Briefwechsel zwischen Goertz und seiner Gemahlin Karoline. Da die beiden wegen seiner ausgedehnten Polit-Reisen vielfach voneinander getrennt waren, erfährt man aus diesem Briefwechsel neben Banalitäten auch brisante politische Details: etwa über die Verhältnisse am Weimarer Musenhof, zwischen Carl August, Goethe & Co, oder über die Löwengrube in Sanssouci, wo Friedrich ein autokratisches Regiment führte und selbst in den hinteren Reihen ein verbissenes Hauen und Stechen um die Gunst des Königs herrschte.

Anders als in der Briefkultur ihrer Zeit, die immer auch für eine Öffentlichkeit gedacht war, diente der Briefwechsel des Ehepaars Goertz ausschließlich für den privaten Gebrauch. Sie schrieben, wie sie redeten. Deshalb finden sich in den Briefen, wenig typisch für die Epoche, keine brillanten Räsonnements, keine Formeln des Überschwangs. Man tauscht sich aus über den Alltag und liefert zugleich höchst bedeutsame Informationen.

So versieht die Gräfin ihren in St. Petersburg weilenden Gemahl mit Klatsch vom Potsdamer Hofleben, sie berichtet von Intrigen und Duellen, der neuesten Frisurenmode, Theateraufführungen oder den literarischen Bestsellern der Saison. Aber sie klärt ihn auch klug und geistesgegenwärtig über die politischen Scharmützel in Potsdam auf, liefert ihm wichtige Tipps etwa über den Umgang mit dem labilen und egozentrischen preußischen Thronfolger Friedrich Wilhelm, bevor der am Zarenhof seine Aufwartung macht.

Aus der gut 4000 Seiten umfassenden Korrespondenz wählte Leithold die Trüffelstücke aus, ergänzt um die von ihm entdeckten und erstmals transkribierten Geheimdepeschen zwischen Friedrich dem Großen und seinem wichtigsten Emissär. Goertz hielt, wie aus den Briefen hervorgeht, in der Frage der bayerischen Erbfolge die diplomatischen Fäden in seiner Hand. Geschickt spielte er die verschiedenen Interessengruppen gegeneinander aus. Dass Bayern, im Interesse Preußens, nicht unter österreichische Herrschaft geriet, ist ihm zu verdanken. Auch die Gründung des sogenannten "Fürstenbundes", mit dem der König eine Allianz der deutsch-protestantischen Reichsfürsten gegen den Kaiser in Wien zu schmieden versuchte, geht auf ihn zurück.

Die Briefedition erstreckt sich über die Jahre 1771 bis 1782, von Goertz' Einsatz in Weimar über seine Rolle als preußischer Geheimagent bis zu seinem Aufenthalt am Zarenhof, wo er das brüchige Bündnis zwischen Katharina und dem Alten Fritz stabilisierte. Um den komplexen historischen Hintergrund zu erhellen, werden die einzelnen Kapitel jeweils durch ein knappes, informatives Vorwort eingeleitet, längere Anmerkungen zwischen den Briefen liefern Porträts zu den verwirrend vielen politischen Akteuren, auf dass sich auch der historische Laie zurechtfinde. Aufschlussreich ist dieser Briefband, der nicht zuletzt ein buntes Zeitpanorama entfaltet, allerdings weniger fürs breite Publikum. Preußenkenner indes werden sich daran erfreuen.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Norbert Leithold (Hrsg.): Liebesbriefe und Geheimdepeschen
Aus der Korrespondenz des Grafen Johann Eustach von Goertz mit seiner Gemahlin und Friedrich II. von Preußen 1771-1782
Osburg-Verlag, Berlin 2012
480 Seiten, 26,90 Euro

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