Ein wichtiges Signal der Bundesregierung

Rolf Mützenich im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 28.12.2010
Das Auswärtige Amt hat Unmut über den Umgang Irans mit den beiden inhaftierten deutschen Journalisten geäußert. Der stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe und SPD-Außenpolitikexperte, Rolf Mützenich, begrüßte das Verhalten der Bundesregierung.
Jan-Christoph Kitzler: Jetzt hat es also doch noch geklappt mit dem Treffen im Iran. Schon seit dem Heiligabend waren ja zwei deutsche Frauen im Iran, um ihren Bruder beziehungsweise Sohn zu treffen. Die beiden – ein Reporter und ein Fotograf – haben für die "Bild am Sonntag" gearbeitet und sie wollten Interviews mit dem Sohn und dem Anwalt einer Frau aus dem Iran führen, die von der Steinigung bedroht ist. Dabei sollen sie gegen Visa-Auflagen verstoßen haben. Seit dem 10. Oktober schon sind die beiden in Haft, und der Eindruck verstärkt sich, dass die iranische Führung aus dem Fall auch politisches Kapital schlagen will. Der mehrfach schon zugesicherte Verwandtenbesuch hat lange auf sich warten lassen – gestern hatte das Auswärtige Amt dann den iranischen Botschafter einbestellt und, Zitat, "sehr deutlichen Unmut geäußert". Und der hat dann möglicherweise einiges in Bewegung gesetzt. Darüber spreche ich jetzt mit dem SPD-Außenexperten Rolf Mützenich, er ist gleichzeitig Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen!

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Kitzler!

Kitzler: Der Besuch ist also zustande gekommen, werten Sie das jetzt als Erfolg des Druckes durch die Bundesregierung?

Mützenich: Na, es war auf jeden Fall richtig gewesen, dass die Bundesregierung so stark und auch so öffentlich reagiert hat. Dies mag dazu beigetragen haben, dass es gestern dann noch zu dem Besuch gekommen ist, und ich glaube, in diesem Fall ist auf jeden Fall auch ein öffentlicher Druck weiterhin notwendig.

Kitzler: Was für eine Wirkung hat das denn überhaupt, wenn der Botschafter eines Landes einbestellt wird? Kann das überhaupt so ein Regime beeindrucken?

Mützenich: Es ist auf jeden Fall eine wichtige diplomatische Aktion, und ich kann das auch nur unterstützen. Ob dann unmittelbar eine Reaktion erfolgt, wird natürlich der Regierung überlassen bleiben. Im Iran haben wir es einfach mit dem Problem zu tun, dass offensichtlich unterschiedliche Stellen auch unterschiedliche Interessen in diesem Fall haben. Und das sind dieselben Erfahrungen, die ich auch persönlich damals im Fall Klein habe machen müssen. Die Regierung ist da nicht der erste und wahrscheinlich auch nicht der prioritäre Ansprechpartner.

Kitzler: Man hat ja schon seit Längerem, wenn man es von außen betrachtet, den Eindruck, der Iran führt den Westen so ein wenig an der Nase herum, zum Beispiel im Streit um das Atomprogramm. Passt da auch der Umgang mit den beiden inhaftierten deutschen Journalisten in das Bild?

Mützenich: Auf jeden Fall, und wir sehen ja auch, dass gegenüber den Journalisten mit unterschiedlichem Maß gemessen wird, unterschiedliche Interessen, von denen ich gesprochen habe, wahrscheinlich auch in diesen Fall hineinragen. Und offensichtlich gibt es Gruppen, die auch die Reporter möglicherweise benutzen wollen für ein politisches Spiel auf der internationalen Bühne. Aber insbesondere kommt hier hinzu, dass es auch, glaube ich, innenpolitische Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen im Iran gibt, die das politische System bilden.

Kitzler: Es geht dem Regime in Teheran um Zugeständnisse in politischen Prozessen – wie soll man denn damit umgehen, mit diesen Forderungen nach Zugeständnissen, wenn es einerseits darum geht, natürlich irgendwie das Beste für die inhaftierten Deutschen zu erreichen und andererseits sich nicht erpressbar zu machen?

Mützenich: Also ich würde diesen Fall sowohl von dem Atomprogramm als auch von den politischen Beziehungen insgesamt erst mal trennen. Ich glaube, es wäre gut, humanitär hier vorzugehen, auch deutlich unsere Positionen kundzutun – das hat die Bundesregierung getan. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch zur Kenntnis nehmen, dass der schwierige Vorwurf, der ja zuerst auch vonseiten der iranischen Stellen geäußert worden ist, der Spionagetätigkeit, fallen gelassen wurde. Das ist eine Chance, dass auch die Reporter hier freikommen könnten oder früher auch freikommen könnten, zumindest diese Hoffnung darf man nicht fallen lassen.

Auf der anderen Seite muss man dem Iran deutlich machen, dass zum Beispiel das Atomprogramm, so wie es im Iran gefahren wird, gegen internationale Standards, denen sich der Iran auch unterworfen hat, verstößt. Und hier können nur Verhandlungen versuchen, auch auf den Iran Einfluss zu nehmen. Ich glaube, dass der Beginn neuer Gespräche auch mit der Beauftragten der Europäischen Union hier möglicherweise in den nächsten Wochen auch Fortschritte bringt. Wir haben es aber auf der anderen Seite auch mit einer Regierung zu tun, der zurzeit ein Außenminister fehlt.

Kitzler: Ist das vielleicht das Hauptproblem, dass man gar nicht weiß, wer so die Ansprechpartner sind, dass der langjährige Außenminister Mottaki gerade erst entlassen worden ist und man nicht weiß, wer der Nachfolger ist?

Mützenich: Das ist zumindest ein Aspekt. Auf der anderen Seite muss uns immer wieder klar sein, dass die letzte Entscheidung innerhalb eines inneren Zirkels getroffen wird, der sehr stark natürlich auch von religiösen Kreisen bestimmt wird. Und hier müssen wir eben versuchen, auch mit anderen Regierungen, mit anderen Ländern, die möglicherweise noch einen stärkeren Einfluss auf den Iran ausüben, zusammenarbeiten. Wir haben ja auch gesehen in diesem Jahr, dass die Türkei und Brasilien hier stärker in diese Atomkrise versucht haben hineinzukommen, auf der anderen Seite ist insbesondere die Volksrepublik China ein wichtiger Ansprechpartner. Ich glaube auch in diesem humanitären Fall, dass wir andere Regierungen überzeugen müssen, uns hier bei diesem Problem zu helfen.

Kitzler: Haben Sie den Eindruck, dass die Staatengemeinschaft inzwischen mehr an einem Strang zieht und liegt darin vielleicht auch der Schlüssel?

Mützenich: Das glaube ich schon. Wir haben ja gesehen, im Sicherheitsrat ist es zu einem einstimmigen Votum zumindest auch der Vetostaaten gekommen. China hat seine Position der Zurückhaltung etwas verlassen gegenüber dem Iran, auch Indien spielt eine stärkere Rolle in diesem Konflikt. Und ich glaube schon, dass vielen Regierungen deutlich geworden ist in der letzten Zeit, dass der Iran dieses Spiel, was er in den letzten Jahren betrieben hat, nicht weiter spielen darf, weil das eine internationale Krise befördern würde.

Kitzler: Auf der einen Seite versucht man natürlich, offizielle Verhandlungen zu führen, auf der anderen Seite geht es natürlich auch dem Westen darum, die reformorientierten Kräfte im Iran zu unterstützen. Ist das nicht ein schmaler Grad?

Mützenich: Das ist immer ein schmaler Grad, aber das betrifft ja leider nicht nur den Iran. Und ich befürchte, dass wir in den nächsten Jahrzehnten der internationalen Politik erleben werden, dass auch mit dem Bedeutungszuwachs anderer Länder, der Volksrepublik China zum Beispiel, wir auch leider andere Standards auch teilweise in der Menschenrechts-, in der Rechtspolitik insgesamt bekommen. Deswegen müssen wir uns mit den Ländern auch stärker zusammentun, die ein vergleichbares Rechtsverständnis wie wir in Europa haben. Ich glaube, das ist der möglicherweise Schlüssel auch zu diesem Verhältnis. Deswegen: Öffentlicher Protest bei Menschenrechtsverletzungen sind auf jeden Fall dringend notwendig.

Kitzler: Die Lage im Iran und die Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen – so sieht es Rolf Mützenich, SPD-Außenexperte und nicht zuletzt Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Vielen Dank für das Gespräch und einen schönen Tag!

Mützenich: Danke, Herr Kitzler, Ihnen auch!