Ein Stadion am schönsten Ende der Welt

Von Leonie March · 10.04.2009
Kann die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika ein Erfolg werden, oder wird 2010 am Kap das Chaos regieren? International herrschen die Zweifel vor, immer wieder ist von einem Plan B die Rede. Der Bau der Stadien hat sich durch politische Machtkämpfe und Proteste der Anwohner verzögert, vor allem in Kapstadt.
"Wenn man an Afrika denkt, dann denkt man oft auch Kapstadt. Und wenn man Kapstadt denkt, dann denkt man an den Table Mountain, weil das ist die bekannte Silhouette und dieses Stadion wird dann später ein Teil dieser Silhouette sein."

Hubert Nienhoff, Architekt des Green-Point-Stadions in Kapstadt.

"Wir haben unseren Laden erst im Januar vor einem Jahr eröffnet. Wegen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Wie eine ganze Reihe von anderen Geschäften in der Gegend. Hoffentlich wird sich das auszahlen."

Zeta, Verkäuferin gegenüber vom neuen Fußball-Stadion.

Kapstadt. Green Point. Ein Viertel am Rande der Innenstadt. Eingeklemmt zwischen Tafelberg-Massiv und Atlantik. Lebensader: die Main Road. An der Straße reihen sich Cafés, Restaurants, Hotels aneinander. Jetzt in der Mittagszeit sind die Tische draußen alle besetzt: Geschäftsleute und Touristen sitzen unter Sonnenschirmen und Markisen. Doch auch sonst, zu allen Tags- und Nachtzeiten, ist was los, erzählt Zeta. Ruhig wird es hier nie.

"It is quite a busy road. So there is always noise."

Die Verkäuferin sitzt auf dem Geländer vor ihrem Musikladen und raucht. Sie ist Anfang 30, schlank, Piercing in der Unterlippe. Man kann sie sich gut in den Kapstädter Club-Szene vorstellen.

Unter Geschäftsleuten herrscht eine Art Goldgräberstimmung, sagt Zeta, grinst, zieht an ihrer Zigarette, zeigt auf die andere Straßenseite. Dort wird das neue Fußball-Stadion gebaut. Eigens für die WM 2010. Ein ovaler Betonriese, der grau in den blauen Himmel ragt. Höher sind nur die Kräne. Drumherum haushohe Hügel aus Schutt und Erde, bis an die Main Street. Ein schöner Ausblick ist das nicht, sagt Zeta, zuckt gleichzeitig mit den Schultern.

"Vorher haben wir von hier aus das alte Stadion gesehen. Das war wesentlich kleiner und drum herum war freies Feld. Beides ist jetzt weg und damit auch ein Stück unserer guten Aussicht. Aber wenn das neue Stadion erstmal fertig ist, wird es wirklich gut aussehen. Davon bin ich überzeugt. Auch die Bauarbeiten stören nicht so sehr. Das Einzige ist der Staub, den der Wind vom Atlantik hierhin bläst. Kapstadt und Green Point sind ja berüchtigt für die starken Winde."

Zeta hüpft vom Geländer, schnippt ihre Zigarette auf die Straße.

Ein LKW fährt über die Kippe, biegt rechts ab in Richtung Baustelle. Nur etwa 800 Meter sind es bis dahin. Neben der Einfahrt mit Gitterzaun und Schlagbaum sind es nur ein paar Schritte bis zum Besucherzentrum.

Der Raum ist mit Plastikrasen ausgelegt, an den Wänden hängen großformatige Fotos südafrikanischer Fußball-Helden, daneben Informationstafeln über die Geschichte des Sports im Land und handschriftliche gute Wünsche von Prominenten: "Schritt für Schritt halten wir jede Frist ein, um die großartigste Fußball-WM aller Zeiten zu veranstalten." steht da. Unterzeichnet Helen Zille, Bürgermeisterin von Kapstadt.

In der Mitte des Raums: eine Glasvitrine. Darin: ein Modell des Stadions. Ein filigrane weiße Pappnachbildung mit kleinen grünen Bäumen drum herum. Ein Tourist aus Holland erklärt seiner Frau das Gebäude. Offensichtlich ein Fußballfan mit seiner Frau.

Ein junger Südafrikaner winkt die Touristen zu sich. Rund ein Dutzend sind es heute Mittag. Briten und Holländer im Freizeitlook mit kurzen Hosen und T-Shirts. Sie folgen dem Touristenführer in den ersten Stock. Hier ist eine Art Tribüne aufgebaut, mit einer Leinwand und einem kleinen Spielfeld. In der Mitte steht ein Schauspieler in Overall. Als alle sitzen, beginnt er mit seiner Performance, in der er die Geschichte von Green Point Revue passieren lässt.

Die erste Begegnung europäischer Seefahrer mit den Ureinwohnern, den Khoisan. Multikulturelle Fußballspiele. Die Vertreibung der farbigen Bewohner während der Apartheid. Das alte Fußball-Stadion, von dem heute nur noch der Teil einer Tribüne und die ehemaligen Umkleiden stehen: Das heutige Besucherzentrum. All das präsentiert der Schauspieler unterhaltsam wie informativ, wenn auch gespickt mit Klischees. Den Touristen gefällt's.

Der Schauspieler verbeugt sich, sein Kollege führt die Touristen durch eine Tür nach draußen, eine Stahltreppe hoch auf eine Aussichtsplattform. Die Sonne blendet, die Besucher halten sich die Hände über die Augen, blinzeln.

Riesige Stahlteile liegen im Sand, LKW fahren vorbei, Arbeiter laufen über die Baustelle. Das Stadion liegt links von der Aussichtsplattform. Aus der Nähe sieht es noch größer aus. Ein riesiges Betongerippe, wie ein Schiffsrumpf, außen noch nicht verkleidet und noch ohne Dach. Deutlich zu sehen sind die drei Ränge. Die Touristen staunen, stellen aber auch die üblichen kritischen Fragen, wie eine alte Dame aus England.

"Is it on schedule?"

Ob man denn auch im Zeitplan liegt, will sie wissen. Der Touristenführer nickt. Alles läuft nach Plan, sagt der junge Mann, die Deadline, der Abgabetermin, kann eingehalten werden. Ende 2009 wird das Stadion fertig sein.

Die Touristen haben genug gesehen, gehen über die Treppen durchs Besucherzentrum nach draußen, vorbei an einem Paar. Er, schon leicht ergraut mit heller Hose und weißem Hemd; sie, blond mit weißem Kleid und weißen High Heels. Es sind Hubert Nienhoff, der Architekt, und seine Frau. Drei der zehn WM-Stadien in Südafrika baut das deutsche Architekturbüro gmp und Partner. In Durban, Port Elisabeth und Kapstadt. Letzteres ist für ihn eine besondere Aufgabe, sagt Nienhoff, zeigt auf das Modell.

"Also die Herausforderung war eine außergewöhnliche, weil wir hier in einem der schönsten Flecken der Erde, in dem zentralen Punkt, den man vielleicht auch den Beauty Shot nennen könnte auf Kapstadt, also von der Perspektive auf den Tafelberg mit Blick auf den Signal Hill und in einem der vitalsten Flecken von Kapstadt, dieses Stadion zu konzipieren hatten. Da galt es besonders viel Rücksicht zu nehmen auf all die Dinge, die schon mit Qualität die Umgebung prägen. Vor allen Dingen diesen wunderschönen Blick auf Kapstadt durch ein Stück der Architektur, den wir zu schaffen hatten. Wir konnten die Architektur hier nicht verbergen, wir wollen sie auch nicht verbergen, so zu gestalten, dass es eher eine harmonische Ergänzung und keine Störung sein würde für diese wunderschöne Situation."

Hubert Nienhoff geht durch die offene Tür des Besucherzentrums nach draußen, dort warten schon seine Mitarbeiter. Eine Frau aus dem Kapstädter Büro und zwei junge Architekten aus Berlin. Außerdem der Sicherheitsbeauftragte der Baufirma. Er verteilt Plastikhelme und gelbe Signalwesten. Team Greenpoint steht auf dem Rücken. Alle auf der Baustelle tragen diese Westen. Zur Sicherheit und fürs Gemeinschaftsgefühl, erklärt der Südafrikaner.

Hubert Nienhoff, seine Frau und Mitarbeiter gehen los, schlendern hinter dem Sicherheitsbeauftragten in Richtung Stadion, unterhalten sich aufgeregt. Vorfreude. Neben der Straße, hinter einer Absperrung stehen die Arbeiter Schlange, beobachten die Besucher, kommentieren die High Heels der Architektengattin. Sie melden sich in Schichten zur Mittagspause ab, erklärt der Sicherheitsbeauftragte, denn der Betrieb soll ja weitergehen. Die in der deutschen Presse oft aufgeworfene Frage, ob das Stadion auch rechtzeitig fertig wird, beantwortet er knapp mit ja. Auch Hubert Nienhoff zweifelt nicht daran.

"100 Prozent. Bauen können die hier. Und die Damen und Herren, mit denen wir es hier zu tun hatten, haben internationale Erfahrung und wissen auch, wie Logistik auf der Baustelle eingesetzt werden kann, um zeitsparend zu bauen und das hat uns auch sehr beeindruckt."

Schwungvoll überquert der deutsche Architekt die Straße, gefolgt von den anderen betritt er die unterste Ebene des Stadions. Die Erde ist matschig, Bretter sind als Wege darüber gelegt. Gerne hätten wir das Stadion etwas in die Erde versenkt, erklärt Hubert Nienhoff, damit es in der Landschaft kleiner wirkt. Doch das ist unmöglich.

"Wir hatten hier felsigen Untergrund und wir bauen in der Nähe des Wassers, also des Meeres, das heißt wir haben mit Grundwasser zu rechnen. Wir konnten also das Stadion nicht versenken."

Hier im untersten Geschoss werden später die Spielerumkleiden sein, Konferenz- und Presseräume. Darüber die Tiefgarage und erst im zweiten Geschoss der Eingang für die Zuschauer, die durch ein Podium ins Stadion gelangen, erklärt der Architekt, während er ein paar Treppen nach oben steigt und ins Freie tritt. In den Innenraum des Stadions.

"Wow. Good job!"

Hubert Nienhoff ist begeistert. Gut gemacht, sagt er, klopft dem Sicherheitsbeauftragten des südafrikanischen Bauunternehmers auf die Schulter. Der lächelt stolz. All das haben wir seit Ende März 2007 geschafft, sagt er. Eine beachtliche Leistung.

"You must be crazy to build that!"

Ihr müsst verrückt sein, das zu bauen, sagt der Architekt, noch immer überwältigt von dem Anblick. Ihr habt's gezeichnet, antwortet der Sicherheitsbeauftragte mit einem breiten Grinsen.

"Das ist ja das Wahnsinnige! Man plant ..."

Die Besucher stehen auf einem riesigen Oval, das später Spielfeld sein wird. An allen Seiten ragen die drei Ränge etwa 35 Meter hoch, für 65.000 Zuschauer. Die Betonkonstruktion ist fertig. Offen nach allen Seiten, erst später wird der Bau verkleidet. Am obersten Rang sind zwei geschwungene, weiße Stahlträger angebracht, in gegenläufiger Bewegung, einer Art Welle. Darüber wird später ein Glasdach montiert, das sich leicht nach innen senkt. So kann es den starken Winden am Kap Stand halten, erklärt einer der jungen Architekten. Überragt wird das Stadion nur vom majestätischen Tafelberg im Hintergrund vor strahlend blauem Himmel.

"Ich bin selbst sehr beeindruckt im Moment hier."

Es war ein langer, steiniger Weg bis hierhin, seufzt der deutsche Architekt, beobachtet den Kran, der einen Stahlträger hochzieht. Politische Auseinandersetzungen über die Finanzierung und den Standort haben den Baubeginn verzögert. Zwischendurch dachte ich, das ganze Projekt scheitert, meint Hubert Nienhoff, blickt nachdenklich auf den Tafelberg.

"Das war immer auf Messers Schneide und das hat mich manchmal zweifeln lassen. Es waren viele Sitzungen, an denen ich teilgenommen habe, wo wir einer großen Front gegenübersaßen von Gegnern dieses Stadions und man konnte vielen Argumenten sogar eine ganze Weile lang folgen. Aber im Grunde genommen ging es doch um ein größeres Ziel. Denn das, was das Stadion hier möglich macht, als Profil für die Stadt, aber auch für die Menschen in der Region, die an dieser Stelle der Stadt bisher als Schwarze auch so bisher nicht vertreten waren. Die Schwarzen haben hiermit eine Eintrittskarte, sag ich mal, sich mit dem Rest der Stadt zu durchmischen. Das finde ich auch gut an dieser Entscheidung."

Auch die Bauarbeiten selbst sind nicht reibungslos verlaufen, erzählt der Sicherheitsbeauftragte. Die über 230 Bauarbeiter haben mehrmals gestreikt. Für mehr Lohn. Mit Erfolg. Viele von ihnen sind hier ausgebildet worden, fügt er stolz hinzu. Denn in Südafrika ist der Fachkräftemangel ein großes Problem.

Hubert Nienhoff ist ins Gespräch mit einem der jungen Architekten vertieft. Einiges hier sieht anders aus als ursprünglich von uns vorgesehen, sagen sie. Meistens haben sich die Südafrikaner von den Änderungen Kosteneinsparungen versprochen. Nicht immer ist die Rechnung aufgegangen. Zum Beispiel waren die um die Hälfte dünneren Betonschotten, die den Rumpf bilden, im Endeffekt teurer, weil sich die ganze Statik verändert hat und Stützwände eingezogen werden mussten, erklärt Nienhoff. Manches sieht aber auch besser aus, fügt er hinzu, wie die geschwungenen Stahlträger über den Rängen, die ursprünglich aus Beton gegossen werden sollten. Ingesamt musste ich mich als deutscher Architekt hier in Südafrika an eine andere Baukultur gewöhnen, sagt er.

"Bei uns wird das, was der Architekt vorgibt, doch in großen Teilen akzeptiert. Hier ist die Tradition eine andere. Die Qualität kann außergewöhnlich sein. Aber die Vorgaben, wie das Haus endgültig aussieht, vor allem wie es konstruiert wird, wird in großen Teilen von der Einflussnahme der Bauunternehmen, aber auch den so genannten 'quantity surveyor', Leuten, die über das Geld des Stadions wachen, beeinflusst, was nicht immer ein guter Einfluss ist, weil häufig dort Blinde von der Farbe reden."

Der Architekt geht ein paar Schritte, klopft sich den Staub von seiner hellen Hose.

"Den Geist eines Projektes, auch in Qualitäten an vielen Stellen, die nachher dem allgemeinen oder dem flüchtigen Betrachter so nicht auffallen, die kann nur der tatsächlich von Anfang an in den Prozess des Bauens tätige Architekt leiten. Das kann man nicht irgendwelchen Technokraten überlassen. Das geht nicht. Das haben wir lernen müssen. Aber worauf wir immer achten, dass auch bei diesen Einflussnahmen der rote Faden erhalten bleibt, die Idee erhalten bleibt. Das kann ich mittlerweile, jetzt kann ich's bestätigen, dass von all dem nichts verloren gegangen ist."

Die kleine Gruppe um Hubert Nienhoff setzt sich wieder in Bewegung. Vom künftigen Spielfeld steigen sie auf die Ränge. Mit jedem Meter wird der Blick gigantischer. Neben dem Tafelberg ist jetzt auch die Stadt zu sehen, der Hafen, das touristische Viertel um die so genannte Waterfront mit Geschäften und Restaurants. Eingefasst vom Atlantik. Angesichts dieses Blicks vergisst der Architekt die Schwierigkeiten, die hinter im liegen und gerät wieder ins Schwärmen. Denn auch den Zuschauern wird das Panorama später nicht vorenthalten, erklärt er.

"Das ist wirklich... an dieser schönen Stelle der Welt das bauen zu dürfen! Das hat der liebe Gott ja dahin gezaubert. Man muss halt nur den Blick freigeben: Also unten möglichst den Menschen, die hineinkommen, den Blick ins Stadion freigeben und hier oben den Blick wieder zur Orientierung in die Landschaft zurück geben. Deswegen waren uns auch diese, ich nenn das Stadium-Windows, wo die Ränge aufhören, das Dach noch höher schwingt, wird man auch immer Ausblicke haben, auf die Landschaft, auf die Silhouette und dadurch kann man sich orientieren. Man weiß, ob man im Norden oder im Süden ist. Es gibt sehr viele Stadien, die nur introvertiert funktionieren, wo man gar nicht weiß, wo bin ich jetzt gerade, laufe ich linksrum oder rechtsrum, und dieser Außenbezug der ist ganz, ganz wichtig, und der ist natürlich hier noch besonders schön inszeniert, weil die Landschaft so schön außen rum ist."

Hubert Nienhoff steht jetzt ganz oben, auf der letzten Reihe des dritten Rangs. Noch sind die Betonstufen nackt, auf einer liegen zwei Bauarbeiter in Blaumann und machen ein Nickerchen. Bald werden hier die Sitzplätze für die Fans angebracht. Der Architekt deutet auf Hochhäuser im Hintergrund. Sea Point heißt das Viertel. Dazwischen liegt ein Golfplatz. Auch heute sind dort ein paar Spieler zu sehen. Golfclub und Eigentümer von Wohnungen in Sea Point sind erbitterte Gegner gewesen, betont Hubert Nienhoff.

Der Golfclub musste Teile seiner Anlage an die Stadt verkaufen. Darauf steht jetzt das Stadion. Die Anwohner haben befürchtet, dass der Wert ihrer Immobilien sinkt, weil der Blick durch das Stadion verschandelt wird. Doch im Endeffekt haben alle gewonnen, davon ist der Architekt überzeugt.

"Die, die jetzt den Blick aufs Stadion haben, sind die, die jetzt mit höheren Preisen verkauft werden, weil das die neue Attraktion ist. Zuerst haben sie geklagt, jetzt sind sie selbst reicher dadurch geworden. Der Golfplatz wird erweitert, wenn ich richtig informiert bin, ein 18-Loch. Das ist auch von der Anordnung ganz schön. Dann läuft das als Park entlang dieser, das ist ja zur Zeit nicht gerade entwickelt, das Gelände hinter den Häusern von Seapoint, wird dann als Park weiter entwickelt und als Grünfläche freigehalten. Ist doch schön. Eigentlich eine Win-Win-Situation."

Der Architekt schaut zufrieden, fast triumphierend auf den Golfplatz und das Viertel um das Stadion. Auf der Main Road hat sich ein Stau in Richtung Innenstadt gebildet.

Auf die Main Road schaut auch Zeta. Allerdings nur von einem Meter Höhe. Vom Geländer vor ihrem Musikladen aus. Momentan hat sie keine Kunden und damit Zeit für eine weitere Zigarettenpause. Auch in Green Point gibt es Widerstand gegen das Stadion, erzählt sie. Vor allem die alteingesessenen Geschäftleute wollen den Neubau nicht.

"Meine Eltern gehören zu diesen Leuten. Ich sage ihnen immer, dass sie sich daran gewöhnen sollen. Die Geschäfte haben sich verändert, die Menschen hier in Südafrika, die gesamte Wirtschaft. Wir leben eben nicht mehr in den so genannten guten alten Zeiten. Daran müssen sie sich gewöhnen. Veränderungen sind nie einfach. Aber man muss sich damit auseinandersetzen."

Zeta zieht an ihrer Zigarette, schaut mit gerunzelter Stirn in Richtung Stadion. Fußball ist in Südafrika traditionell ein schwarzer Sport. In Green Point leben noch immer überwiegend weiße Südafrikaner. Das ist ein Grund für die Kritik der Anwohner, meint sie. Eine Haltung, die keiner offen vor der Presse äußern will. Viele finden das Stadion außerdem zu groß, fügt sie hinzu. Mit einer Höhe von 35 und einer Länge von 150 Metern.

In diesem Betongiganten hat Hubert Nienhoff seine Besichtigungstour fortgesetzt. Er steht im Eingangsbereich, einem großzügigen Raum, der das gesamte Stadion-Oval umschließt. Die Decken sind acht Meter hoch. Der Architekt liebt diese Großzügigkeit, vergleicht den Raum mit einer Gemäldegalerie der Renaissance.

"Wir fangen mit dem Raum immer wieder an. Erstmal ist der Raum und letztlich geht es ja auch neben der äußeren Gestalt, die man dann natürlich in den Griff kriegen muss, die man harmonisieren muss, geht es erstmal um das Gefühl der Menschen im Raum. Wir bauen ja für die Menschen. Erstmal für den einzelnen, wie wir jetzt, wir sind jetzt hier allein und finden das ja schon schön. Aber der Mensch als Masse muss sich ja auch noch wohl fühlen und da können sie alles, was sie an Design-Fuzzi-Ideen haben, können sie alles vergessen. Deshalb sind wir ja Architekten, sonst wären wir Designer. Ja ist doch so! Wenn sie eine Kaffeetasse entwerfen, dann geht es weniger um den Raum drinnen, weil dem Kaffee ist das egal, aber hier ist es doch der Raum."

Hubert Nienhoff ist sichtlich in seinem Element, doziert ein bisschen. Die jungen Architekten nicken hier und da bestätigend. Nienhoff fährt fort, mit dem Gefühl, das sich bei den Zuschauern hier im Stadion einstellen soll.

"Also erstmal Orientierung ist ganz wichtig. Der Mensch muss sich wohlfühlen. Orientierung ist einer der wesentlichsten Elemente für Menschen im Raum, selbstverständliche Orientierung. Dann: Es soll luftig sein, weit, so dass er flanieren kann. Deswegen: Man wird hier nicht durch irgendwelche Schweinepferche hinein getrieben, sondern der Mensch flaniert ja ringsherum auf der Plattform und flaniert dann auch in den Innenraum rein. Und dann ist es, das nenne ich mal räumliche Dichte: Also durch das Übereinanderstapeln der Ränge, auch das Überkragen der Ränge, und das Dach wird sich ja neigen, kommt entgegen, dadurch wird die räumliche Dichte noch mal verstärkt. Dann ist der Einzelne nicht mehr allein, sondern er ist Teil dieser Gesamtinszenierung."

Der Mensch im Stadion soll sich wohlfühlen. Doch auch für diejenigen, die das gigantische Gebäude von außen betrachten, haben wir uns etwas einfallen lassen, betont Hubert Nienhoff. Das Stadion soll kleiner wirken, wenn es erstmal fertig ist.

"In der Silhouette zusammen mit dem Tafelberg oder der gesamten Silhouette Kapstadts wird es später wie selbstverständlich als eine kleine Zutat da stehen."

Noch ist das schwer vorstellbar Aber eine Reihe von architektonischen Tricks sollen diese Vision wahr werden lassen, sagt Nienhoff. Zum Beispiel die künftige Fassade des Stadions.

"Wir haben das Stadion, werden es mit einer Membran verkleiden. Die Membran selbst ist, wenn man von innen heraus schaut durchlässig, sie können die Umgebung sehen, wie durch einen Filter. Aber wenn sie von draußen drauf schauen, ist es wie eine geschlossene Haut. Eine Silber gefärbte Membran, die haben wir auch speziell für dieses Bauvorhaben erst mal erdacht und mittlerweile wird sie auch dafür eigens produziert. Gerade die kräftigen Farben, die man hier in der Abendstimmung hat, also wo der Himmel sich also extrem verfärben wird, oder dieses warme, brillante Licht bei Sonnenaufgang, das wird sich nicht spiegeln, das wird einen Widerschein haben auf der Membran. Und das wollen wir. Das ist ein weiteres Mittel, um dem Haus ein bisschen diese Dominanz zu nehmen, und es mehr in die Umgebung einzubetten."

Der Architekt ist inzwischen wieder im Untergeschoss angekommen, tritt vom Stadion-Rohbau nach draußen. Ein Betonmischer fährt vorbei. Ein paar Arbeiter kehren von der Mittagspause zurück.

Der Architekt, seine Frau und seine Mitarbeiter gehen wieder zurück zum Besucherzentrum. Die Schuhe sind staubig, die High Heels von Frau Nienhoff aber haben die Besichtigung überraschend gut überstanden. Alle hier sind überzeugt, dass dieses Stadion auch nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 ein gern genutzter Veranstaltungsort in Kapstadt bleibt.

"Events sind häufig verbunden mit der Kritik, dass man White Elephants schafft, also große Gebäude, die dann später im Alltag sich nicht bewähren und nicht genutzt werden. Ich habe diese Erfahrung auch gemacht. Ich habe das gesehen, als ich Japan bereist habe nach der WM. Da wurden Stadien auf die grüne Wiese verpflanzt, die später nie wieder genutzt werden können, vor allem nicht in diesen Ausmaßen und daher ist die Entscheidung eine gute gewesen, hier in Kapstadt ein Stadion citynah zu errichten. Und dann wissen sie vielleicht, dass das Stadion nicht nur für Fußball, sondern auch für Rugby geeignet ist. In der Beziehung ist es sportlich für zwei Veranstaltungen zu nutzen. Rugby ist auch eine beliebte Sportart hier in Südafrika. Dazu gibt es große Flächen innerhalb des Stadions, die perfekt ausgestattet sind, um später auch als Konferenz- und Business-Center zu funktionieren."

Hubert Nienhoff grüßt die Sicherheitsleute an der Baustelleneinfahrt, geht am Besucherzentrum vorbei zu einem Auto. Die Architektengruppe steigt ein und fährt in Richtung Main Road und Innenstadt zum Mittagessen, vorbei an Zetas Musikladen.

Zeta sitzt wieder auf dem Geländer. Das Geschäft läuft heute schleppend, sagt sie, aber bald wird diese Gegend ja vielleicht noch belebter sein, als sie es jetzt schon ist. Fußwege zur nahe gelegenen Waterfront, einem touristischen Zentrum in Kapstadt, sind geplant. Außerdem ist auch Zeta überzeugt, dass im Stadion noch viele große Veranstaltungen stattfinden werden.

"Nach der Fußball-Weltmeisterschaft sollte das Stadion für andere Events geöffnet werden. Wenn beispielsweise bekannte, internationale Musiker nach Kapstadt kommen, dann können sie hier im großen Stadion vor wesentlich mehr Zuschauern spielen als bisher. Ich erinnere mich noch daran, als Robbie Williams hier war. Die Nachfrage war riesig und es gab nicht genug Platz für alle. Vom großen Stadion werden wir also langfristig sicher profitieren."

Zeta nimmt einen letzten Zug aus ihrer Zigarette. Ein junges Pärchen ist gerade in ihren Laden gegangen. Sie schlendert hinterher, winkt zum Abschied.
"Zakumi" heißt das offizielle Maskottchen der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika.
"Zakumi" heißt das offizielle Maskottchen der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika.© AP