Ein Sprachrohr für Flüchtlinge

Von Camilla Hildebrandt · 19.06.2008
Die künstlerische Ader hat der 30-jährige Kirill Konin von seiner Mutter. Doch Film ist für den Quirligen mehr als nur Kunst: ein starkes Werkzeug, die Gedanken und Herzen der Menschen zu erreichen. Deshalb fügte es sich glücklich, dass er 2005 für das UN-Flüchtlingskommissariat sein eigenes Filmfestival organisieren sollte.
"Ich bin im Westen Russlands geboren, aber wir reisten, als ich klein war, viel herum und landeten so irgendwann in der Nähe der Grenze zu Japan. Leute aus den unterschiedlichsten Kulturen haben wir so kennen gelernt.

Mein Interesse für Film und Kunst? Das hab ich meiner Mutter zu verdanken, sie ist Designerin und deswegen hatte ich Kunst schon immer um mich herum. Und: Danke an die Russische Literatur - Imagination ist eins der größten Dinge überhaupt..."

Englisch, Französisch und Russisch hat er studiert, später auch Soziologie, aber dieses Fach habe er nie zuende gebracht, erzählt Kirill Konin schmunzelnd. Der 30-jährige Russe sieht mit seinen kurzen braunen Locken und der ovalen Brille auf der Nase nach wie vor aus wie der Student von nebenan. Sobald er jedoch anfängt in perfektem Englisch zu erzählen, wird schnell klar, dass er genau weiß, was er will:

"Als es immer noch schwierig war, aus Russland rauszukommen, bin ich gegangen. Das war kurz nach der Perestroika. Warum? Neugier. Zuerst bin ich nach Afrika gereist und dann nach Asien."

Die Japanische Kultur habe ihn schon als kleiner Junge begeistert, erzählt er. Unter anderem deswegen, weil seine Mutter zuhause japanische Kunst-Objekte sammelte.

"Diese japanischen Statuen zuhause - die fand ich einfach faszinierend. Und als ich dann begann, Asien zu erkunden, war Japan das erste Land auf meiner Liste. Es kam dann aber doch so, dass ich erst in Taiwan landete, in Thailand, Kambodscha und erst ein paar Jahre später nach Japan kam."

In Thailand - bewegt durch die Umstände, in denen Flüchtlinge leben müssen - begann Kirill Konin in einem Schulprojekt für Flüchtlingskinder zu arbeiten. Seine Sprachkenntnisse seien dann schließlich die Eintrittskarte für eine Stelle beim Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen gewesen, erklärt Konin.

Dort bekam er 2005 die Zusage für ein Projekt, das er schon lange vorhatte: die Organisation seines eigenen "Refugee Film Festival" in Kambodscha - eine Zusammenarbeit der Französischen Botschaft mit der UN.

"Ich hatte schon vorher einige Erfahrungen mit kommerziellen Filmen in Asien gesammelt, und jetzt sah ich eine Möglichkeit, etwas für die Menschenrechte zu tun, also im Bereich ’sozialbewusstes Kino’ zu arbeiten. Denn in Asien gibt es nach wie vor sehr viele Fälle der Menschenrechts-Verletzung."

Es gäbe zwar viele journalistische Dokumentarfilme über dieses Problem, erzählt Kirill Konin, aber viel zu wenig Veranstaltungen, die auf künstlerische Art damit umgehen. Außerdem wollte Konin mit diesem Festival all jenen eine Stimme und ein Forum geben, die über ihre Erfahrungen sprechen wollen:

"Im ersten Jahr hatten wir schon ein sehr gutes Programm mit internationalen Gästen. Dort wurde zum Beispiel ein dreisprachiger Film gezeigt über ein Flüchtlings-Camp an der Thailändisch-Kambodschanischen Grenze. Im Publikum saßen sehr viele Leute, die dort über zehn Jahre waren. Und jetzt erlebten sie ihre eigene Geschichte auf Zelluloid - das war eine unglaubliche Erfahrung."

Ein Jahr später zog das Festival aufgrund des großen Erfolgs und auf Einladung Japans nach Tokio um:

"Film ist für mich nicht nur etwas künstlerisches, sondern auch ein sehr starkes Werkzeug, um die Gedanken und die Herzen der Menschen zu erreichen."

Filme von Flüchtlingen, Filme über die Hintergründe und Werke ehemaliger Flüchtlinge, die heute Regisseure sind, werden auf dem Festival gezeigt, aktuelle und ältere Produktionen. Dieses Jahr unter anderem "Drachenläufer", die Verfilmung von Khaled Hosseinis Roman über eine Kindheit in Afghanistan.

Außerdem: "Grvabavica - Esmas Geheimnis", der 2006 den Goldenen Bären der Berlinale bekam und von der alleinerziehenden Mutter Esma erzählt. Esma lebt in Sarajevo, ihre 12-jährige Tochter wurde bei den Vergewaltigungen im Gefangenenlager gezeugt.

Schuldig? Nein, das sollen sich die Zuschauer auf seinem "Refugee Film Festival" auf keinen Fall fühlen.

"Die Idee ist es, den Leuten die Thematik näher zu bringen und sie aufzufordern etwas zu tun. Manche Zuschauer werden zum Beispiel Mitarbeiter bei NGO´s. Es gibt weltweit rund 33 Millionen Flüchtlinge, und die Zahl steigt weiter. Viele Regierungen tragen ihren Teil dazu bei, dies zu ändern - Japan selbst ist einer der größten Geldgeber - aber wir finden, dass die normalen Leute darüber viel zu wenig wissen."

Der Welt-Reisende Kirill Konin lebt heute in Tokio. Aber Berlin, wo er dieses Jahr zum ersten Mal während der Berlinale war - das wäre auch eine Stadt für ihn, meint er.