Ein Space-Roman

09.05.2008
Die Klischees der Weltraumsehnsucht und Weltraumfahrt treffen in Jörg Albrechts Roman "Sternstaub, Goldfunk, Silberstreif" aufeinander und werden immer wieder neu gemischt. In enormem Sprachttempo wird die Geschichte von drei Astronauten erzählt, die es vom Jahr 1988 ins Jahr 1998 verschlägt.
Der Autor Jörg Albrecht ist beim letztjährigen Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis mit einer skurrilen, ausgeflippten Literatur-Performance angenehm aufgefallen, aber dennoch nicht ausgezeichnet worden. Der Text des 1981 geborenen Autors über Probleme mit einem Festplattenspeicher hatte deutliche poetische Qualitäten. Aber der fröhliche und etwas infantile Manierismus konnte sich auf dieser Kurzstrecke nicht richtig entwickeln.

Der neue, schon der zweite Roman von Albrecht aber schafft etwas, das in Klagenfurt nicht gelang: einen grellen, mit Technikbegriffen und Anglizismen gespickten Sprachteppich so auszurollen, dass der Leser immer den Respekt vor dem Text behält - während er bestens unterhalten wird. Sofern er sich über den anfänglichen intuitiven Ärger über einen überschnellen, sprachbesoffenen, koketten, überkitschigen Einstieg hat hinwegsetzen können.

Albrechts Buch ist ein Space-Roman. Kein Science Fiction, kein Weltraum-Roman, ein Space-Roman. Der Space, nicht der Weltraum, ist nämlich nicht nur Inspirationsraum einer sternstaubtrunkenen Imagination, sondern ein Ort, an dem die Klischees der Weltraumsehnsucht und Weltraumfahrt aufeinander treffen und immer wieder neu gemischt werden.

Der Roman trägt den träumerischen Titel "Sternstaub, Goldfunk, Silberstreif", und so wundert man sich nicht über ein rabiates Aufeinandertreffen von Hitlers Schnurrbarthaar mit dem neuen, post-deutsch-deutschen Sandmännchen, Wernher von Braun mit David Bowies Ziggy Stardust und vielen anderen Skurrilitäten.

Die Handlung ist ebenso grotesk, wie sie beiläufig mit ihrer Überflüssigkeit spielt. Der rosa Faden - in diesem Roman kommt unendlich viel Rosa vor, obwohl der Space schwarz scheint - ist die Weltraumexpedition der drei Astronauten Kym Kukynsky, Martyn Monzynsky und Tym Kykulsky, die sie aus dem Jahr 1988 in das Jahr 1998 führt, aber auch anhand barocker Zeitschleifen in die Jahre 1898 und 2088. Zwischendurch hübsche Aphorismen, uvermittelt: "Alle zieht es in die Weite, den einen in die Word Order, den anderen in die World Order."

Das enorme Sprachtempo, das ebenso sympathisch manieriert ist wie der Inhalt, schleudert einen in explodierende Sterne, mikroskopischen Sternstaub und liebenswerte frühe Computer-Spiele und das Peenemünde der Nazis.

Die "Süddeutsche Zeitung" bescheinigte Albrecht für seinen ersten Roman "Drei Herzen", einen Weg gefunden zu haben, nach dem "Ende der Popliteratur" weiter Pop zu schreiben. Für das neue Buch kann man ihm bescheinigen, avantgardistisch zu sein nach dem Ende der Avantgarden.

Auch die schräge Typografie des Bandes wird durch den Inhalt und den Ton plausibel gemacht. Jörg Albrecht ist ein kleines, launiges, brillantes und schreiberisch hohe Begabung verratenes Buch geglückt.

Rezensiert von Marius Meller

Jörg Albrecht: Sternstaub, Goldfunk, Silberstreif
Roman, Wallstein Verlag, Göttingen 2008
229 Seiten, 19,90 Euro