Ein Schock, der Leben retten kann

Von Stephanie Kowalewski · 12.01.2010
Krefeld ist eine der am besten mit Defibrillatoren ausgestattete Stadt Deutschlands. Hier kommt auf 1000 Einwohner ein Elektroschock-Gerät. Die externen Defibrillatoren, kurz auch Defi genannt, haben hier schon einige Leben gerettet. Die Defibrillatoren sind so konstruiert, dass sie von jedem Laien sicher zu bedienen sind. Eine elektronische Stimme gibt exakte Anleitungen, wie die Widerbelebung vorzunehmen ist und wann ein lebensrettender Stromschlag verabreicht werden muss. So können medizinische Laien die kritische Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsarztes überbrücken und den Bewußlosen Patienten bestenfalls ins Leben zurückholen. Die Elektroschockgeräte kosten zwischen 1.500 und 2.500 Euro, sind etwa so groß wie eine Handtasche und haben meist eine auffällige Farbe. Sie hängen gut sichtbar in öffentlichen Gebäuden, Kaufhäusern, Bahnhöfen und Sportstätten.
Diesmal ist es nur eine Übung. Im Badezentrum Krefeld-Bockum beugen sich Schwimmmeister Thomas Presch und Lehrrettungsassistent Remy Smeets über eine Puppe, die sie auf eine trockene Unterlage gelegt haben. Daneben steht der etwa handtaschengroße, grellgrüne Defibrillator.

" Ruhe bewahren. Bewusstsein prüfen. Notruf veranlassen. Patient gibt nichts von sich. Ruhe bewahren. "

Jedes Jahr kippen in Deutschland etwa 120.000 Menschen plötzlich und ohne jede Vorwarnung um, hören auf zu atmen. Das sind mehr als 320 Menschen pro Tag.

" Atmung prüfen. Patient atmet nicht. "

Dann zählt jede Minute. Je früher der Patient einen Elektroschock erhält, desto höher sind seine Überlebenschancen. Um schnell Hilfe leisten zu können, sollte das Gerät gut sichtbar an zentraler Stelle im Gebäude aufgehängt und der Batteriestatus regelmäßig überprüft werden, sagt Jürgen Lubrich vom Medizingerätehersteller medtronic.

"Wenn man sich Konzepte anschaut, werden die Geräte so aufgestellt sein, dass man, egal wo man ist, an welchem Punkt, innerhalb von drei Minuten auch diesen Schock abgeben kann. Ich nenne da mal als Beispiel den Frankfurter Flughafen. Die letzte Zahl, die ich gehört habe, war, dass es dreizehn Patienten waren, von denen zwölf überlebt haben, einer hat es nicht geschafft. Aber normalerweise wäre die Zahl eben auch umgekehrt."
In den meisten Fällen ist das Herz die Ursache für den plötzlichen Kreislaufstillstand. Es schlägt noch, aber es schlägt völlig chaotisch. Bis zu 400 Mal pro Minute, statt 60 bis 80 Mal. Kammerflimmern, nennt sich das, erklärt Uli Lenssen, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes Krefeld.

"Wenn Sie sich vorstellen, Sie haben viele Millionen kleine Muskelzellen, wenn jede Zelle macht, was sie möchte, sich zusammenzieht, wann sie will, dann ist der Defibrillator dazu da, alle in den Gleichmarsch zu bekommen."

Flimmert das Herz, kann es kein Blut mehr transportieren, der Kreislauf bricht zusammen. Eine tödliche Kettenreaktion, die nur durch einen Defibrillator, kurz Defi genannt, unterbrochen werden kann.

" Defi-Elektroden auf entblößte Patientenbrust kleben. Patient nicht berühren. Analyse läuft. Weg vom Patienten jetzt. Ich bin weg."

Bei allen Defis erklären einfache Bilder auf den etwa handflächengroßen, weichen Elektroden, wo sie aufgeklebt werden müssen. Eine Elektrode wird oberhalb der rechten Brustwarze fest aufgedrückt, die andere unterhalb der linken. Über die beiden Elektroden, sagt Jürgen Lubrich, erstellt der Laien-Defibrillator nun eine Art Mini-EKG.

"Und das Gerät analysiert den Herzrhythmus und wird aufgrund dieser Analyse entscheidet, ob ein Schock empfohlen ist oder nicht. Das ist vom Helfer nicht beeinflussbar. Man kann nichts falsch machen. Das Gerät entscheidet, ob dieser Schock notwendig ist oder nicht. Da gehören Daten von Tausenden Patienten dazu, um die Messfähigkeit des Gerätes so fein zu tunen, dass sie am Ende sicher funktioniert. Und wir können sagen, dass es mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit die richtige Entscheidung fällt."

Der Defi nimmt dem Laien also die Entscheidung ab. Der Helfer muss schließlich nur noch auf einen blinkenden roten Knopf in der Mitte des Gerätes drücken. Um selbst keinen Strom abzubekommen, dürfen die Retter den Patienten während dieser Phase nicht berühren.

"Dann wird über eine Elektrode der Strom abgegeben. Er wird so abgegeben, dass er von der Gegen-Elektrode aufgefangen wird. Die Linie zwischen diesen beiden Elektroden muss das Herz treffen. Dann wird das Herz elektrisch einmal entladen, um sich selber wieder neu laden zu können."

Rund 200 Millivolt werden dann für ein paar Sekunden durch das Herz des Patienten geschickt, sagt Rettungsarzt Uli Lenssen.

"Man schockt es oder man erschreckt es, aber nicht wie man es im Fernsehen häufig sieht, wo der Patient dann 50 Zentimeter hoch fliegt. Das ist gar nicht so. Man bemerkt das Zucken schon ganz gut, aber mehr ist es eigentlich nicht."

Direkt nach dem abgegebenen Elektroschock setzten die Ersthelfer die Wiederbelebung fort: 30 Herzmassagen, zwei Beatmungen - erklärt Jürgen Lubrich von medtronic.

"Das Gerät würde dann wieder eine Analyse machen, eine Entscheidung machen, ob der Schock empfohlen ist. Wenn dieser empfohlen ist, diesen auch wieder freigeben.
Danach würden sie wieder zwei Minuten die Herz-Lungen-Wiederbelebung durchführen. Und das wechselt sich dann so lange ab, bis letztendlich die Profiretter zu ihnen kommen und ihre Maßnahmen übernehmen. "

Dann ist es ein großer Erfolg, den Patienten lebend in die nächste Klinik bringen zu können. Schwimmmeister Thomas Presch war zwar noch nie in der Situation, den Defi am realen Menschen einsetzen zu müssen, doch er ist durch das regelmäßige Training sicher im Umgang mit dem Elektroschock-Gerät. Und er ist überzeugt, dass der sprechende Defibrillator von jedem Menschen problemlos bedient werden kann.

" "Zur Bedienung ist zu sagen, die ist eigentlich kinderleicht. Der Laie kann damit wunderbar umgehen. Man schaltet das Gerät ein und das Gerät sagt einem, was zu tun ist. Und kein Mensch braucht Angst davor zu haben, dass er irgendwas verkehrt macht."

Medizinische Laien können beim Einsatz der Defibrillatoren keine Fehler machen, betonen die Experten, außer, sie helfen dem Bewusstlosen gar nicht.

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