Ein Schneider als vermeintlicher Bollywoodstar

Vorgestellt von Hannelore Heider · 06.12.2006
In "Tailor Made Dreams" wird der Traum eines indischen Schneiders wahr: Er darf wie seine vielgeliebten Bollywood-Stars nach Europa fliegen und tritt wie ein Filmstar auf mit entsprechendem knallig-bunten Outfit. "Es begab sich aber zu der Zeit…" ist eine leider völlig distanzlose, naturalistische Nacherzählung der Weihnachtsgeschichte, mit braven und blassen Figuren und allzu bibeltreuen Dialogen.
"Tailor Made Dreams"
Dokumentarfilm Deutschland 2006, Regie: Marco Wilms
Dokumentarisch und doch märchenhaft wie in einem Bollywoodfilm geht es zu in Marco Wilms neuer Filmdokumentation, die einen indischen Schneider aus Thailand in die Welt führt. Denn der 66-jährige Issar ist zwar ein guter Schneider und noch besserer Verkäufer seiner Maßanzüge, aber seine Sehnsucht gilt dem Film. Seit er die Schmonzette "Sangam" gesehen hat, in der sich indische Bollywoodstars im Schnee der Schweizer Berge tummeln, sehnt er sich in die Welt und das am liebsten als Filmstar.

Diesen Wunsch erfüllt ihm der Regisseur, indem er ihn als Reisender von Bangkok nach Brüssel, Finnland, Berlin und endlich in die Schweizer Alpen mit der Kamera begleitet und diesen "Ausflug" sowohl organisiert als wohl auch finanziert. Die Konstruktion wirkt so glaub- wie unglaubwürdig. Der Schneider durchforstet einfach seine Stammkundendatei und nimmt die Leute beim Wort, die ihn leutselig immer wieder eingeladen haben.

Mit großem Brimborium, aber nach gut recherchiertem Drehbuch-Plan geht es auf die Reise. Sie ist mit witzigen Zwischenüberschriften in Kapitel eingeteilt und wie im Bollywoodfilm immer wieder mit Musik- und Tanzeinlagen aufgeputzt. Sichtlich beglückt genießt der Held diese Selbstdarstellung und verblüfft Flughafenpublikum wie Gastgeber mit seiner ungebrochenen Lebensfreude, die Peinlichkeiten zumindest in seinem Erlebniskosmos gar nicht aufkommen lässt.

Der Film stellt ihn dabei in ein knallbuntes, fröhliches Outfit und "organisiert" filmreife Situationen, wenn die Wirklichkeit sie nicht hergeben will. Aber es gibt sie und so erleben wir in dem naiv-exotischen Zusammenprall der Kulturen die manchmal schon befremdliche, letztlich aber doch sympathische Erfüllung eines Lebenstraumes, die ein einfacher Mann und ein experimentier freudiger Regisseur sich und uns Zuschauer organisiert hat.
Die Anzüge, mit denen der die Kosten der Reise wenigstens ansatzweise finanziert, sind übrigens Spitze und nicht teuer!



"Es begab sich aber zu der Zeit..."
USA 2006. Regie: Catherine Hardwicke; Darsteller: Keisha Castle-Hughes, Oscar Isaac, Shohreh Aghdashloo

Gespannt konnte man sein, als die vom Produktionsdesign herkommende, junge Regisseurin Catherine Hardwicke, die mit Jugendfilmen wie "Dreizehn" und "Dogtown Boys" Furore machte, sich an einen historischen Stoff wagte. Und dann gleich an nichts geringeres als die "Weihnachtsgeschichte" von der unbefleckten Empfängnis und der Geburt Jesu.

Doch die Überraschung bleibt aus. In naturalistischen Bildern erleben wir die junge Maria im Kreis einer armen Großfamilie in Nazareth, der die arrangierte Heirat mit dem Zimmermann Josef droht. Als ihr der Erzengel als personifizierte Lichtgestalt fußbreit über der Erde eine Olivenhaines schwebend erscheint, nimmt das bis dahin durchaus als selbstbewusst und in Ansätzen rebellisch gezeigte junge Mädchen sein Schicksal nahezu klaglos an und bekommt in Josef einen treuen Gefährten, der sie selbstlos bis in den Stall und unter den Stern führt.

Das Konfliktpotential der in der Bibel vorgezeigten Geschichte wird nicht einmal in Ansätzen berührt, die historischen Hintergründe in nur wenigen Szenen um Kaiser Herodes markiert. Aus der Jugend der neuseeländischen Hauptdarstellerin Keisha Castle-Hughes (16 Jahre alt zu Drehbeginn und oscarnominiert für ihr Debüt "Whale Rider) wird so wenig Potential geschlagen wie aus der Erwartung des Zuschauer, wenigstens ein realistisches Sittenbild der Zeit zu sehen.

In schönen erdbraunen Landschaften agieren viel zu brav und blass Figuren, die den Zuschauer kaum in emotionale Höhenflüge führen können, sondern im Gegenteil, ihn zunehmend mit ihrer eh vorgezeichneten Geschichte und bibeltreuen Dialogen langweilen. Die durchaus mit Witz gezeichneten Heiligen Drei Könige können da auch nichts mehr retten.