Ein Ritual des Todes

Von Harald Brandt · 31.01.2009
Der Widerstand gegen den Stierkampf wächst nicht nur in den Ländern des Nordens, denen diese Tradition immer fremd war. Der Präsident des spanischen Tierschutzvereins CACMA in Malaga ist zuversichtlich, dass diese Form von "Barbarei und Folter" auch in seinem Land bald der Vergangenheit angehören wird. Das Ritual des Todes in der Arena sei nicht mehr zeitgemäß, behaupten die Stierkampfgegner in Spanien und in Frankreich.
Die Befürworter der Corrida hinterfragen jedoch diesen Begriff der Moderne. Im Namen des globalen Marktes würden Kriege geführt und Millionen von Menschen zu einem Dasein unterhalb des Existenzminimums gezwungen. Das sei die wirkliche Barbarei, vor der wir nur zu gern die Augen verschließen.

Das Ritual des Tötens in der Arena und der Kampf des Tierschützers für die Abschaffung des Rituals weisen vielleicht mehr Gemeinsamkeiten auf als den Verfechtern der jeweiligen Position lieb ist. In beiden Fällen geht es um die Konfrontation mit einer archaischen Seite unserer selbst, die sich aus der Natur des Menschen ergibt.
Auszug aus dem Manuskript:
Was bringt einen jungen Mann aus guter Familie dazu, einen Beruf zu wählen, bei dem er viele Male im Jahr sein Leben riskiert? Wie kann er, dem aufgrund seiner Intelligenz und Weltgewandheit viele andere berufliche Wege offenstehen, sein Leben einem Ritual verschreiben, das von seinen Gegnern als blutrünstiges Spektakel abgetan wird, an dem sich nur Sadisten ergötzen? Um diese Fragen zu beantworten, treffe ich in Sevilla den jungen Torero Cesar Geron.
"Der junge Torero ist immer mit Erwachsenen zusammen. Das ist sicherlich der Aspekt, der seine Eltern am meisten beunruhigt. Du bist sieben oder acht Jahre alt, aber du magst nicht mit Gleichaltrigen spielen, du willst keine Tierfilme im Fernsehen sehen, es sei denn, es handelt sich um Reportagen von Corridas oder vom Leben der Stiere auf den Farmen. Du willst mit deinem Vater zu einer Corrida fahren, und ihr seid 10 oder 15 Stunden unterwegs, oder du fährst mit einem älteren Freund, einem Profi, der vielleicht 24 Jahre alt ist, zu einer Tienta, also dem Eignungstest von Jungstieren auf dem Land. Das ist deine Passion.
...
Auch mit den Schulfreunden später hat man wenig Kontakt, weil man mit Ihnen nicht in die Disko oder ins Cafe geht. Meine besten Freunde als ich zwölf war, das waren ein Arzt, der auf Verletzungen bei den Stierkämpfen spezialisiert war - er ist jetzt sechzig - und ein Freund meiner Familie, der jetzt bestimmt schon siebzig ist. Das waren meine besten Freunde !
Am Wochenende fuhr ich mit Ignacio zu den Stierkämpfen. Während der Woche war er ein ganz normaler Arzt in einer Klinik, aber am Wochenende war er mit einem Team unterwegs, das die Verletzungen, die bei den Stierkämpfen passieren können, behandelte.
Ich fuhr mit, nicht weil ich eine Passion für die Medizin hatte, sondern weil es mir die Gelegenheit gab, jedes Wochenende Stierkämpfe zu sehen."
Auch der New Yorker Journalist Edward Lewine stellte sich Fragen über das Phänomen des Stierkampfs, das in Südfrankreich und mittlerweile auch in Spanien die Bevölkerung in zwei Lager teilt : die aficionados, die Liebhaber und die anti-taurinos, die verschworene Gemeinde der Tierschützer.

2002 reiste Lewine mit der cuadrilla, dem Team des Matadors "Fran”, der mit bürgerlichem Namen Francisco Rivera Ordóñez heißt, kreuz und quer über die iberische Halbinsel.
In seinem Buch "Der Tod und die Sonne - Ein Matador auf den Spuren seiner Väter” beschreibt er die Höhen und die Tiefen einer Stierkampfsaison.
"Eine kleine Blaskapelle, die in der obersten Sitzreihe stand, stimmte mit blechernem Geschepper einen jener düsteren Militärmärsche, pasodobles genannt, an, wie sie bei jedem Stierkampf gespielt werden. In der Holzwand öffnete sich ein Tor, und die Stierkämpfer traten aus einer dunklen Öffnung heraus ins Licht. Mit ihren Kostümen aus bunten Stoffen, geschmückt mit Goldstickereien, behängt mit allerlei Flitter und Fransen, sahen sie aus wie Abgesandte einer lebendigeren Welt. Die Sonne glitzerte auf dem Gold, und die gebrochenen Strahlen tanzten auf dem stumpfen Sand und Stein. Der erste Matador hatte einen eckigen Kopf mit schweren blonden Haaren und trug ein breites Grinsen im Gesicht. Er hieß Manuel Díaz, doch wie die meisten Stierkämpfer trat er unter einem Spitznamen an: Er nannte sich El Cordobés, der Mann aus Córdoba. Hinter El Cordobés betrat ein schlaksiger, x-beiniger Junge namens José Luis Moreno die Arena und stellte sich neben ihn.

Es folgte eine Pause ... und schließlich erschien der dritte Matador in der Toröffnung. Francisco Rivera Ordóñez trabte in Richtung seiner beiden Kollegen und zog dabei die Zehen durch den Sand wie ein kleiner Junge, der widerwillig dem Ruf eines ärgerlichen Vaters folgt. Fran maß weniger als 1,75 Meter. Er war muskulös, doch beweglich wie ein Turner, und seine Kraft konzentrierte sich vor allem auf seine Beine und sein Gesäß. Sein Haar war dick, ölig, gewellt und hatte die Farbe von dunkel gerösteten Kaffeebohnen. Seine Haut war glatt und karamellfarben. Dazu passte das elfenbeinfarbene Frackhemd, das er unter der goldbestickten, schokoladenbraunen Matadorsuniform trug. Sein Gesicht war auffällig attraktiv, er sah aus wie ein Matineestar, der sich als Zigeunerprinz verkleidet hat: Die Augen glänzten tief und dunkel über den hervorstechenden Wangenknochen, die Nase lief gerade auf den ebenmäßigen Mund mit den gesunden Zähnen und dem kräftigen Kinn darunter zu. Fran war 28 Jahre alt und sah so gut aus, wie ein Mann nur aussehen kann.

Als der junge Matador die Arena betrat, sprangen die Fotografen über die hölzerne Absperrung und rannten auf ihn zu. Rasch hatten sie ihn eingekreist. Fran stand fest, die Augen geradeaus, das Gesicht reglos, und versuchte die Würde des Moments zu wahren. Auf den Tag genau achtzehn Jahre zuvor hatte ein Stier Frans Vater tödlich verwundet, und zwar in eben diesem Ring. Die Stiere, gegen die Fran an diesem Nachmittag antreten sollte, stammten von demselben Züchter wie einst der Killerstier. Während seiner achtjährigen Laufbahn war Fran nie am Todestag seines Vaters in Pozoblanco aufgetreten, schon gar nicht mit Stieren desselben Züchters. "

Edward Lewine
"Der Tod und die Sonne - Ein Matador auf den Spuren seiner Väter"
Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer
Campus Verlag, Frankfurt 2006
Tod am Nachmittag
Am 26. September 1984 erliegt der erfahrene Stierkämpfer Paquirri seinen schweren Verletzungen. Als der zehnjährige Sohn die Todesnachricht erhält, fasst er einen Entschluss, der sein Leben prägen wird: Er wird Matador wie sein toter Vater. Eine wahre Geschichte aus der Welt des Stierkampfs: Achtzehn Jahre nach dem tragischen Tod steht der Sohn vor seiner größten Prüfung. Er tritt an zum letzten Kampf der Saison: am Todestag des Vaters in derselben Arena gegen Stiere derselben Zucht. Ganz Spanien schaut dabei auf ihn.Edward Lewine erzählt die bewegende Geschichte von Francisco Rivera Ordóñez, der den traumatischen Verlust des Vaters überwinden will, indem er in dessen Fußstapfen tritt. Der Leser wird hineingezogen in die fremde Welt des spanischen Stierkampfs und fiebert dem entscheidenden Duell in Franciscos Leben entgegen.
faz.net: Cayetano Rivera Ordóñez - Geburt eines Matadors

Kurt Frings
"Nur der Stier hat keine Chance"
Frankfurter Literaturverlag 2008
Faszination oder Entsetzen? Kunst, Kultur und Tradition oder in Wirklichkeit nur grausame Tierquälereien von Pferden und Stieren?
Möglicherweise im Kern auch nur ein makaberes Geschäft von Profiteuren mit dem Stierkampf zum Vergnügen des Publikums? Zwischen diesen Polen bewegt sich die Diskussion.
Der große spanische Philosoph Ortega y Gasset hat schon zu seiner Zeit darauf hingewiesen, dass sich einmal jemand kritisch mit diesem Thema auseinander setzen sollte. Dr.Kurt Frings hat dies getan. Er hat versucht, das umstrittene Phänomen "Stierkampf" zu analysieren und dazu umfangreiche Recherchen angestellt.
Der Autor hat hierbei sowohl den Wirtschaftsfaktor "Stierkampf" als auch die Haltung von Politik und katholischer Kirche untersucht und ist - wie er glaubt - zu einem überzeugenden Ergebnis gekommen.
Er berichtet ausführlich von eigenen Erlebnissen und Erfahrungen bei Stierkämpfen.
Der textliche Inhalt wurde mit einem Katalog von 65 Grafiken und Bildern nebst besonderen Erläuterungen verbunden. Der Betrachter wird durch den gesamten Verlauf einer c/orrida/ und eines /rejoneo/ geführt. Dabei wurde weder die qualvolle Rolle der Pferde ausgespart noch auf die bildliche Darstellung von Agonie und Tod der Stiere verzichtet.
Stierkampf (spanisch toreo, corrida de Toros oder tauromaquia; portugiesisch tourada, corrida de Touros oder tauromaquia) ist ein Ritual, dessen Thema der Kampf eines Menschen gegen einen Stier ist. Die bekanntesten Stierkämpfe finden in Spanien statt, aber auch in Portugal, Südfrankreich sowie in ehemaligen spanischen Kolonien und spanisch beeinflussten Regionen in Lateinamerika. Eine nichttödliche Version wird als Erbe portugiesischer Vergangenheit auf der tansanianischen Insel Pemba gepflegt. Je nach Region wird nach unterschiedlichen Regeln gekämpft. Stierkämpfe sind von einer ethischen Position aus umstritten.
Linktipps des Autors :

CRAC - Comité Radicalement Anti Corrida : Association anticorrida pour l'abolition

Radiogranada.es: noticias, radio y tv online - Seis artistas granadinos, entre los finalistas al Premio Club de Arte Paul Ricar

Feria de Sevilla 2008

EDUARDO MIURA. Ganadería de Sevilla

CONCHA BUIKA -- Web Oficial

ladybullfighter.com

tauromaquia.de

INITIATIVE ANTI-CORRIDA
Hubertus Hierl
Picasso beim Stierkampf
Text v. Werner Spies
2004 DuMont Buchverlag
1966 entdeckt der junge Fotograf Hubertus Hierl den über achtzigjährigen Picasso zufällig in der Zuschauermenge der Stierkampfarena von Frejus in Südfrankreich. Gut gelaunt erlaubt Picasso, Aufnahmen zu machen, und vergisst dann den Fotografen. Er posiert nicht, sondern verfolgt mit wachem, angespanntem Blick und weit aufgerissenen Augen das Geschehen. Der Fotograf hält seine Kamera abwechselnd auf das Geschehen in der Arena und auf den großen alten Mann.
So kommt es zu einer Bildfolge von seltener Spannung: Als der Stier in einem hochdramatischen Augenblick den Torero auf die Hörner nimmt, zeichnet blankes Entsetzen Picassos Gesicht; aufgeregt springt er auf und reißt die Arme hoch. In filmischer Unmittelbarkeit zeigen diese Bilder die Hingabe einer eigentlich unnahbar gewordenen Kultfigur des 20. Jahrhunderts an eine ganz eigene Welt. Als wahrer "aficionado", der den Stierkampf als einzige Ablenkung von seiner Arbeit gelten lässt, scheint Picasso die Anerkennung des Toreros, de r ihm das Ohr des Stiers nach einem erfolgreichen Kampf überreicht, mehr als alles andere zu bedeuten. "Pablo achtete einen Stierkampf ebenso heilig wie ein Katholik die Messe, ja vielleicht noch mehr." (Francoise Gilot)

Ernest Hemingway
Tod am Nachmittag
1967 Rowohlt TB.
Tod am Nachmittag ist ein Essay von Ernest Hemingway, der am 26. September 1932 unter dem englischen Titel Death in the Afternoon erschien. Darin wird der Stierkampf und seine Geschichte in der Spanisch sprechenden Welt gründlich besprochen.

Ernest Hemingway
Gefährlicher Sommer
Rowohlt TB.
Gefährlicher Sommer ist ein Buch von Ernest Hemingway, das 1985 postum unter dem englischen Titel The Dangerous Summer erschien. Vom Frühjahr bis in den Herbst 1959 unternimmt Hemingway gemeinsam mit seiner Frau Mary eine Reise durch die Stierkampfarenen Spaniens. Weiterlesen:
Auszug aus dem Manuskript:
Viele aficionados behaupten, der Stier empfinde wenig Schmerzen im Ring, da er sich seine Wunden im Kampf zuziehe. Es stimmt zwar, dass Verwundungen, die man sich in der Hitze eines Gefechts zuzieht, nicht sofort wehtun - zumindest trifft das auf Menschen zu - und dass die meisten Stiere erstaunlich ruhig im Ring stehen, wenn sie getötet werden. Es stimmt aber auch, dass Stiere in der Arena sichtbar leiden. Sie schütteln den Kopf, sie muhen, husten, spucken und taumeln. Sie scheinen auch emotional zu leiden, wenn man das von einem Stier sagen kann. Der Stierkampf basiert darauf, dass der Stier, allein im Ring, um sein Leben fürchtet und so lange angreift, wie er sich in Gefahr wähnt. Der berüchtigte Angriff des Kampfstieres ist nichts als eine Nachvorneverteidigung.

Es fällt aficionados nicht leicht, den Stierkampf gegen den Vorwurf der Grausamkeit zu verteidigen. Man hört oft, Stiere seien für die corrida gezüchtet, und es sei allemal ehrenvoller für den Stier, ruhmreich im Ring zu sterben, als anonym im Schlachthof abgestochen zu werden. Diese Rechtfertigung ist nicht gerade überzeugend, doch die Argumente gegen den Stierkampf sind kaum schlagender. In der Arena leiden und sterben Stiere. Entweder man hält das für entschuldbar und durch die Schönheit, Geschichte und kulturelle Bedeutung der corrida gerechtfertigt, oder man lehnt dies eben ab. Rinder und andere Zuchttiere leiden und sterben in der Nahrungsmittelindustrie. Entweder man hält das für entschuldbar und durch den menschlichen Wunsch, Fleisch zu verzehren, die Geschichte und kulturelle Bedeutung des Fleischverzehrs gerechtfertigt, oder man lehnt dies eben ab.
Egal welche Position man einnimmt, die Ansichten der meisten Menschen zum Thema Stierkampf kommen auf ähnliche Weise zustande wie ihre religiösen Überzeugungen. Das heißt, dass die meisten Menschen das glauben oder zumindest tolerieren, was sie von Kindheit auf kennen. Die meisten Menschen wachsen mit bestimmten religiösen Überzeugungen auf und bewahren sie sich ein Leben lang, mehr oder weniger bewusst. Das Gleiche gilt für den Stierkampf. Menschen, die nicht mit dem Stierkampf aufgewachsen sind, sind von dem Schauspiel eher schockiert als solche, die seit ihrer Kindheit damit vertraut sind. Das entbindet den Stierkampf nicht von dem Vorwurf der Grausamkeit. Stierkampf ist grausam. Es bedeutet jedoch, dass die Reaktion der Menschen auf den Stierkampf mehr über ihre Kultur aussagt als über die Moral des Stierkampfs.
manolete-derfilm.de - mit einem Trailer zu dem Kinofilm, der 2009 erscheinen soll.
Manuel Laureano Rodríguez Sánchez, genannt "Manolete", (* 4. Juli 1917 in Córdoba, Spanien; † 28. August 1947 in Linares, Spanien) war ein berühmter spanischer Stierkämpfer. Er war in ganz Spanien bekannt für seinen Mut, den er gegen die Stiere (Toros) aufbrachte.