Ein Macho von heute

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 05.11.2008
Der neue James Bond passt als letzter Individualist, Moralist und Gerechtigkeitsfanatiker in diese hochtechnisierte globale Welt. Neben ihm agiert in "Ein Quantum Trost" eine Frau auf Augenhöhe, die wenig mit den früheren Bond-Girls gemein hat. In "Die Eylandt Recherche" geht es um Menschen, die Jahre lang in einem Duisburger Keller versteckt worden sein sollen.
Ein Quantum Trost
Großbritannien 2008, Regie: Marc Forster, Hauptdarsteller: Daniel Craig, Olga Kurylenko, Judi Dench, ab zwölf Jahren

Dies ist der insgesamt 23. (!) Leinwand-Auftritt des berühmten britischen Geheimagenten James Bond. (Die Produktionsfirma verschweigt gerne den – für sie – "inoffiziellen" Bond-Film "Sag niemals nie" von 1982 der ein Remake des Bond-Films "Feuerball" von 1969 war und dessen Verfilmungsrechte "wo anders" lagen. Obwohl hier der Ur-Bond Sean Connery nochmal in die 007-Figur schlüpfte, wird dieser James-Bond-Film gerne offiziell "verschwiegen".)

Wie schon beim neuen Bond-Vorgänger "Casino Royale" von 2006 waren auch hier wieder mit Neal Purvis und Robert Wade sowie "Oscar"-Preisträger Paul Higgis (Drehbuch zum Eastwood-Film "Million Dollar Baby", Drehbuch und Regie beim fünffachen "Oscar"-Film "L.A. Story") hochkarätige Drehbuch-Autoren am Werk.

Für die Regie dieses mit rund 230 Millionen Dollar höchstbudgetierten Bond-Films ("Casino Royale" kostete 150 Millionen Dollar und hatte mit 475 Millionen Dollar weltweiten Einnahmen Kinokassen-Bond-Rekord) wurde der 39-jährige deutsch-schweizerische Regisseur Marc Forster verpflichtet. Der in Illertissen bei Ulm geborene Sohn eines deutschen Arztes und Pharmaunternehmers (Dr. med. Wolf Forster) und einer Schweizerin lebt seit Anfang der 90er Jahre in den USA, drehte 1995 den experimentellen Film "Loungers", mit dem er beim Slamdance-Festival den Publikumspreis gewann, und zog im Jahr 2000 nach Los Angeles, wo ihm der Durchbruch als Drehbuch-Autor und als Regisseur gelang.

Mit Filmen wie "Monster´s Ball" (2001) - "Oscar" für Halle Berry als erste Afroamerikanerin -, "Wenn Träume fliegen lernen" (2004, der Film über den Peter-Pan-Autoren J.M. Barrie, mit Johnny Depp und Kate Winslet hauptrollenbesetzt, erhielt sieben "Oscar"-Nominierungen), "Schräger als Fiktion" (2006, mit Will Ferrell und Emma Thompson) und zuletzt der Roman-Adaption "Drachenläufer" (2007), der überwiegend in Afghanistan spielt, hat sich Forster schnell in die Bundesliga der Hollywood-Regisseure katapultiert.

Er ist übrigens der erste Bond-Regisseur, der nicht aus einem Commonwealth-Land stammt. Eine hübsche gedankliche Fußnote hierfür ist sicherlich die Pointe, dass nach Ian Fleming, dem Erfinder und Roman-Autor von 007, James Bonds Mutter eine Schweizerin war, was einen gewissen "aktuellen" Bezug zum heutigen Inszenator herstellt.

Der Bond-Titel entspricht dem Namen aus einer Kurzgeschichte von Ian Flemings Kurzgeschichtensammlung: "007 James Bond greift ein". Die Kurzgeschichte trägt den deutschen Titel "Ein Minimum an Trost". Der im Juni 2008 bekannt gegebene deutsche Filmtitel enthält den Bezug zur Organisation "Quantum", nachdem bereits der Originaltitel "Quantum of Solace" Irritationen auslöste und mit einer Doppelbedeutung ausgestattet werden musste (vergleichbar mit der zusätzlichen Referenz des Bond-Titels "Der Morgen stirbt nie" auf eine im Film verwendete fiktive Zeitung).

Nach Sean Connery (sieben Mal James Bond zwischen 1962 bis 1982), George Lazenby (ein Mal, 1969, "Im Geheimdienst Ihrer Majestät"), Roger Moore (sieben Mal von 1973 bis 1985), Timothy Dalton (zwei Mal, 1987-1989) und Pierce Brosnan (vier Mal von 1995 bis 2002) tritt nun erneut der 40-jährige Brite Daniel Craig – nach "Casino Royale" von 2006 – in die Fußstapfen des legendären Agenten: Der Sohn eines Stahlarbeiters und einer Kunstlehrerin wuchs in einem künstlerischen Umfeld auf (Stiefvater Max Blond), absolvierte eine Schauspielerausbildung an der Londoner Kunsthochschule und hat "die Reifeprüfung"-Bond mit Auszeichnung bestanden: "Eine Waffe auf Beinen" hieß es vor zwei Jahren über diesen sportiven, eiskalten "Romantiker", dessen Umfeld bekanntlich kräftig entstaubt wurde.

Aus dem sympathisch-selbstironischen Kleiderstangen-Superhelden mit der Lizenz zum Töten wurde eine kaum noch lächelnde, überaus loyale und dabei sehr präsente, spannende menschliche Agenten-Kampfmaschine, die nun ohne Waffen-Tüftler "Q" und auch ohne die schmachtende "M"-Sekretärin Miss Moneypenny auskommen muss und auch ohne die sonst so attraktiven wie "bedienungsfreundlichen" B(l)ond-Girls. Für "so etwas" ist im 21. Jahrhundert nun keine Zeit mehr, die zu bestehenden Abenteuer sind "heiß" und aufwändig genug. Und auch Judi Dench, die große Lady der britischen Bühne und des britischen Kinos (Nebenrollen-"Oscar" für "Shakespeare In Love", "Chocolat", "Iris", "Der Duft von Lavendel", "Lady Henderson präsentiert"), verkörpert nun schon zum sechsten Mal die Chefin des britischen Geheimdienstes MI6 "M".

"Ein Quantum Trost" beginnt eine Stunde nach dem Ende von "Casino Royale". Vesper, die Frau, die Bond geliebt hat und die ermordet wurde, hat ihn offensichtlich auch verraten. Bond will unbedingt wissen, warum und wer sie "hingerichtet" hat und gerät dabei in die üblen "Spielereien" einer ganz neuen, hochkarätigen Schurken-Organisation namens "Quantum". Getrieben von ebenso privaten wie beruflichen Dämonen ist er diesmal fast gänzlich allein auf sich gestellt. Denn in dieser neuen, modernen Bond-Welt herrschen nur noch Krisenstimmung und Misstrauen. Selbst "M" zweifelt nun an der Loyalität ihres bislang vertrauensvollsten Mitarbeiters.

Der kämpft inzwischen unaufhaltsam wie unerbittlich an internationalen Schauplätzen zwischen Haiti, Bolivien und Bregenz in Österreich, wo es an einem berauschenden "Tosca"-Opernabend auf der Seebühne von Bregenz "stimmlich" heiß zugeht.

Dabei gerät immer mehr der äußerlich so verbindlich-nett-unscheinbar auftretende Dominique Greene (formidabel-hundsgemein-charmant: Mathieu Amalric, der schwerstbehinderte Journalist aus "Schmetterling und Taucherglocke") in sein Blick- und Schussfeld. Denn der smarte Geschäftsmann entpuppt sich als die treibende böse "Heuschrecken"-Kraft dieser mysteriösen neuen Schurken-Organisation. Deren gigantisches Schürfziel Wasser ist. Mit dieser Option sind heutzutage Milliarden zu machen, wenn man es nur richtig, also korrupt anstellt bzw. weltweit manipuliert. Bis in die höchsten Kreise von CIA und britischer Regierung sind inzwischen die eigenen Spitzel-"Lobbyisten" verteilt. Quantum scheint nicht mehr zu bremsen zu sein. Doch dann kommt Bond "in Fahrt"….., laufstark, kraftvoll, unaufhaltsam, der letzte Held in einer gar nicht mehr so freien "West"-Welt.

Dabei an seiner Seite, genauso misstrauisch, desillusioniert und auf Rachepfad: Die resolute Camille (Olga Kurylenko), die ihre eigene Vendetta führt. Kein "Bond-Girl" früherer Tage, sondern eine eigenständige Persönlichkeit, die Bond jederzeit "auf Augenhöhe" begegnet. Logisch, dass für "mehr" keine Zeit mehr ist. Das ist das Neue, das Faszinierende, das Aufregende, das Intelligente am "James Bond" im 21. Jahrhundert: Der Kerl ist "up to date" bis zum Geht-nicht-mehr. Der passt in diese immer unüberschaubarere, hochtechnisierte globale Verrückten-Welt, in der es nur noch viele Dauer-Verlierer und einige übermächtige Gewinner zu geben scheint - als letzter Individualist, Moralist und Gerechtigkeitsfanatiker. Wobei "Fanatiker" ganz und gar auch auf ihn zutrifft.

Der neue Bond-Film ist absolute Unterhaltungsklasse, bietet Spitzenqualität in jeder Hinsicht:
1.) Actionals phantastische Choreographie, aufregend, brillant, exzellent,
2.) die internationalen Schauplätze (Italien, Chile, Österreich…) sind grandios wie atmosphärisch "eingemeindet" mit enormem Schauwert,
3.) Daniel Craig überzeugt sowohl als Marathon-Kämpfer wie auch als gelassener Anzugträger, er ist eine klasse Type, die superb-sarkastisch rüberkommt,
4.) die erstaunlichen politischen Zeitzeichen, um Gier, Hightech als Dauer-"Orwell"-Mechanik, der weltweite Apparat um Überwachung, Kontrolle, sowie Misstrauen inzwischen allerorten.

Die Unterschiede zwischen gut und böse verwischen immer mehr, denn beide Seiten bedienen sich immer ähnlicherer brutaler Methoden. Die Kultur der Starken: Das einzelne Menschenleben ist nichts mehr wert. Die Demokratie verkommt zur taktischen Polit-Schacherei, zur puren Geschäftemacherei, zur primitiven wie zynischen Business-Bude. Davon handelt der neue Bond, darüber tobt er sich mit außerordentlich vielem großartigem Feuerwerk aus. Schließlich: Alicia Keys und Jack White singen den Titelsong "Another Way To Die", eine Art Hip-Hop-Rock mit Rap-Charme, und sind damit das erste Duett in der Titelsong-Geschichte der Bond-Filme. "Ein Quantum Trost" oder: Auch der neue 2. Bond ist ein fantastischer Unterhaltungskracher.

<im_47401>"Die Eylandt Recherche" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_47401>Die Eylandt Recherche
Deutschland / Spanien 2008, Regie: Don Miguel (Michael W. Driesch), ab 12 Jahren

Erinnern wir uns an "Blair Witch Project", eine amerikanische Billig-Produktion von 1999, die – von zwei Studenten mit viel Wackelkamera und körnigen Düsterbildern gedreht - rund 60.000 Dollar kostete und dann weltweit über 248 Millionen Dollar an der Kinokasse einnahm. Dabei ging es, als Tatsachenbericht getarnt, um studentische Dokumentarfilmer, die anlässlich eines vermeintlichen "Hexen"-Projekts in den Wäldern von Burkittsville, Maryland, verschwanden und deren Filmaufnahmen angeblich ein Jahr später aufgefunden wurden. Im Internet entstand damals ein gigantischer Hype, ob es sich hier um eine tatsächliche Dokumentation oder um einen fiktiven Spielfilm handelt.

So in der Art muss man sich diese deutsch-spanische Produktion vorstellen: Ein New Yorker Anwalt erhält nach dem Tod seiner deutschen Cousine deren Nachlass und findet merkwürdige Brief-Hinweise darauf, dass offensichtlich in deren Keller im Haus in Duisburg fast 60 Jahre lang mehrere jemands versteckt gehalten wurden. Die nun beginnenden Recherchen von Privatermittler, Assistentin, Journalist und einer Kamerafrau, angesiedelt zwischen den USA und Deutschland, ergeben schließlich eine ebenso fantastische wie erschreckend-augenzwinkernde Auf- bzw. Erklärung. Einen Spaß will man sich hier machen, und der gelingt auch lächelnd-ulkig. Zwar nicht über die ganzen 88 Minuten, aber immerhin bleibt man "dran" und schaut den Akteuren wie Interviewten bzw. den Erklärern angepiekst-gerne zu. Eine kleine hübsche filmische Außenseiterchose mit schönem Frech-Charme.
Mehr zum Thema